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Das perfekte Homerecording-Studio: Tipps vom Profi

Guy Sternberg betreibt seit über 15 Jahren ein professionelles Tonstudio in Berlin und hat schon viele Künstler bis hin zum großen Orchester aufgenommen. Bei Tonspion gibt er Tipps für bessere Aufnahmen – auch für kleine Budgets. 

Wer selbst Musik produzieren will, muss sich Gedanken über die Ausstattung seines Studios machen. Selbst wenn man heute dank moderner Technik problemlos direkt im Proberaum oder Schlafzimmer Aufnahmen machen kann, gibt es einiges bei der Wahl der Mittel zu beachten.

1. Monitor

Eine Sache, die beim Aufnehmen gerne übersehen wird, ist das Monitoring. Man kann keine vernünftigen Entscheidungen treffen, wenn man das Ergebnis einer Aufnahme nicht richtig hört. Man braucht einen Monitor, dem man vertraut. Hifi-Lautsprecher können großartig klingen, aber ein guter Studio-Monitor gibt dir ein ungeschöntes Klangbild und muss deshalb anders und möglichst neutral klingen. Ordentliche Studio-Monitore sind bereits ab ein paar Hundert Euro zu haben. 

Guy Sternberg im LowSwing Studio in Berlin

2. Raumakustik

Manche Heimproduzenten vertrauen auf ihre Kopfhörer, aber zum Mixen sind sie völlig ungeeignet. Und was auch gerne übersehen wird ist der Klang eines Raumes. Wenn ein Raum nicht neutral klingt, dann klingt auch die Aufnahme verfälscht. Die Verbesserung der Raumakustik wird gerne als unsexy Investition gesehen, ist aber immens wichtig. Es gibt viele teure Produkte dafür auf dem Markt, aber wer sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt, kann sich auch viel günstiger selbst etwas basteln, um einen Raum klangneutral umzugestalten. Vor allem sorgen Teppiche und Vorhänge für einen absorbierenden Effekt.

3. Mikrofone

Außer wenn du rein elektronische Musik machst, brauchst du mindestens ein gutes Mikrofon. Leider gibt es nicht das eine Mic, das allen Anforderungen genügt, ein professionelles Studio hat meistens einen ganzen Schrank voller Mikrofone für alle möglichen Zwecke. Aber fürs Homerecording genügen schon wenige Mikrofone, abhängig davon, was du machst.

Mikrofone sind ein kompliziertes Präzisionswerkzeug und deshalb sind gute Mikrofone auch sehr teuer. Überlege ganz genau, was du brauchst, an dieser Stelle zu sparen wäre keine gute Idee. Diese Investition lohnt sich auf jeden Fall langfristig.

Ich empfehle für Einsteiger ein großes Kondensatormikrofon, zwei kleine Kondensatormikros und ein dynamisches Mikrofon wie das Shure SM57 oder SM7.

4. Rechner

Während man früher noch mit großen, sehr teuren Tonbandmaschinen aufnahm, reichen im Homerecording-Bereich handelsübliche Computer voll aus. Auf folgende Dinge sollte man bei der Wahl des Recording-Computers unbedingt achten: 

CPU: Die Rechnerleistung ist sehr wichtig, deshalb sollte man sich den schnellsten Prozessor auf dem Markt leisten. Das gewährleistet, dass man langfristig Spaß am Aufnehmen hat. 

Arbeitsspeicher: Aufnahmeprogramme sind sehr RAM-hungrig und wenn man virtuelle Sampler und Instrumente nutzt, sollte man schon 8GB RAM oder mehr haben. 

Festplatte: Auch bei der Festplatte sollte man nicht sparen, sonst gelangt man schnell an die Grenzen. Die Festplatte muss schnell sein (über 7200rpm sollten es schon sein). Das Betriebssystem sollte bestenfalls auf einer anderen Festplatte laufen als die Aufnahmedaten, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten.

Analoges Mischpult (Bild: LowSwing Studio Berlin)

5. Software

Es gibt hier unendlich viele Möglichkeiten, aber um Support und Updates für lange Zeit zu erhalten, würde ich auf die großen Anbieter vertrauen. Ein Programm wie Steinbergs Cubase ist ein etablierter Standard und gibt nicht nur eine Aufnahmeplattform der allerhöchsten Qualität, sondern auch viele Studio-Effekte und Instrumente und Werkzeuge an die Hand, um perfekte Ergebnisse in Studioqualität zu erzielen.

Welches Programm auch immer du nutzt: lerne das Programm so gut, dass du es verwenden kannst, ohne dich in den unendlich vielen Optionen zu verlieren, die du meistens gar nicht brauchst. Die Aufnahmequalität sollte immer bei 24bit und mindestens 44.1kHz liegen. 

6. Audio Interface 

Zwar kommt jeder Computer heute schon mit einer eingebauten Soundkarte, aber diese sind nicht ausreichend für Aufnahmen am Rechner. Deshalb sollte man an diesem wichtigen Punkt auf keinen Fall sparen. Es gibt heute auch viele günstige Audio Interfaces, man sollte einfach nur sicher stellen, dass sie Treiber wie ASIO und professionelle Studio-Software unterstützen.

Die Menge der erforderlichen In und Out-Anschlüsse hängt davon ab, was du genau aufnehmen willst. Wenn du ein Schlagzeug live abnehmen willst, brauchst du mindestens 8 Eingänge, wenn du alles im Rechner machst und abmischst, dann reichen auch weniger aus. Achte darauf, dass das Audio Interface deiner Wahl über Midi In/Out und Microphone/DI-Input verfügt. 

7. Plugins und Virtuelle Instrumente

Früher brauchte man riesige Racks mit Effektgeräten, heute kann man fast alles vergleichsweise günstig mit Software machen und selbst sündhaft teure Instrumente digital nachahmen. Wichtig sind auch Audio-Kompressoren, um den Klang „fetter“ zu bekommen und unerwünschte Nebengeräusche auszufiltern.

8. Kabel, Ständer und das Zubehör

Jetzt hast du das wichtige Equipment zusammen, um auf Studioniveau aufnehmen zu können. Aber trotzdem solltest du auch an Kleinigkeiten wie gute Kabel, Ständer etc. denken, die auch wichtig sind, um gute Aufnahmen machen zu können. Ein solide ausgestattetes Homerecording-Studio kostet erstmal Geld, darüber muss man sich im Klaren sein. 

Es ist aber eine Investition, um die man nicht herum kommt, wenn man auf professionellem Niveau Musik machen möchte. Wer partout nicht selbst aufnehmen möchte, kann sich auch tageweise in ein Studio einmieten, was aber ungleich mehr kostet und eine sehr gute Vorbereitung voraussetzt. Natürlich kann man seine Aufnahmen auch im Studio nachträglich abmischen lassen oder Teile seiner Aufnahmen produzieren. 

Praxistipps für bessere Aufnahmen:

  1. Vertraue immer deinen Ohren. Es ist ganz normal, dass man in Online-Foren nach Tipps und Inspirationen sucht, aber am Ende gilt bei jeder Aufnahme: nur was gut klingt, ist auch gut. Jede Aufnahme ist einzigartig und nicht mit einer anderen vergleichbar.
  2. Wenn du mit Mikrofonen arbeitest, experimentiere immer wieder mit der Positionierung, probiere Dinge aus und merke dir, was dir gefallen hat. Die beste Position ist nicht immer die naheliegende. Iggy Pop hat seine legendären Soloplatten weitgehend über einen Gitarrenverstärker eingesungen. Warum nicht einfach mal experimentieren, um einen eigenen Sound zu kreieren?
  3. Versuche deinen Sound immer direkt an der Quelle zu bekommen. Denk daran, dass es Dinge gibt, die du beim mixen nicht mehr viel korrigieren kannst, also nimm eine gute Performance auf und kümmere dich erst später um Effekt, EQ und andere Dinge, die deine Aufnahme noch besser klingen lassen. 
  4. Beim Mixen: virtuelle Audio Prozessoren bieten unendliche Möglichkeiten, den Klang zu verändern. Leider ist es häufig eine schlechte Idee, alle auf einmal nutzen zu wollen. Versuche dich darauf zu beschränken, was absolut nötig ist für deine Aufnahme und verliere dich nicht in zu vielen Details.
  5. Patchbay: wenn du viele Geräte mit Ein- und Ausgängen hast, denke daran, dir ein Patchbay zu kaufen, um dir eine ständige Neuverkabelung zu sparen. Das schont außerdem auch deine Geräte und Kabel und spart viel Zeit. 
  6. Kenne die Grenzen deines Setups. Wenn dein Studio oder Proberaum nicht für eine vernünftige Schlagzeug- oder Streicheraufnahme ausreicht, kannst du diese auch in einem professionellen Studio machen.
  7. Arbeite mit Menschen! In einer Welt voller Heimstudios ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass Musik immer auch Kommunikation ist. Mach nicht alles alleine, sondern schließ dich mit anderen zusammen und erarbeite Dinge im Team. Oft lernt man viel schneller voneinander als wenn man alles alleine machen will.

Autor Guy Sternberg betreibt seit 15 Jahren das analoge LowSwing Studio in Berlin-Mitte und hat zahlreiche Künstler aufgenommen. U.a. arbeitete er mit Jimi Tenor, Kings of Convenience, Keane, Big Sean, Giant Sand oder Feist.