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Provinz – Unsere Bank (feat. Danger Dan)

„I hope I die before I get old“ sangen einst The Who. Bei Provinz klingt die Angst vor dem Alter und der eigenen Vergänglichkeit ganz anders.

„Und über den Senior’n wird der Himmel langsam rot
Irgendwann sind wir wie die
Und dann pflegen sie uns tot“

Provinz – Die Bank

Vergänglichkeit, Weltschmerz, Altersheim – alles keine Themen, die man klassischerweise mit Anfang 20 wälzt, auch Provinz nicht, deren Songs normalerweise von dem aufregenden und manchmal auch beängstigenden Gefühl handeln, das gesamte Leben mit all seinen Träumen noch vor sich zu haben – „17 für immer“, um es mit dem Titel der jüngsten Single zu sagen. Und doch hat man auch mit Anfang 20 bereits zwei komplette Lebensabschnitte hinter sich, die Kindheit und die Jugend. Genug Lebensmaterial für Nostalgie ist also vorhanden. Wenn dann noch ausgerechnet dort ein Altersheim gebaut wird, wo man sich früher auf dieser ganz bestimmten Bank mit seiner großen Jugendliebe geküsst hat – dann kommt eine wunderschön melancholische Ballade wie „Unsere Bank“ dabei heraus. Als Feature-Gast wirkt Danger Dan mit, neben Provinz eine der ganz großen deutschsprachigen Erfolgsgeschichten der letzten Jahre. 

Manchmal kann ein einziger Gegenstand stellvertretend für ein ganzes gelebtes Leben stehen: „Sie haben unsere Bank von früher für ein Altersheim zerstört / Wo sollen jetzt unsere Kinder später ihre Drogen nehmen / Da, wo N+V gleich Herzchen in die Bretter eingeritzt war / Da ist jetzt ein kleiner Parkplatz, wo die Rettungswagen stehen“ – in plastischen Worten beschreibt Vincent einen Ort, der eine ganz besondere Bedeutung in seiner Biografie einnimmt. Und der nun weg ist. Wo er einst heimlich geraucht und geknutscht hat, „spaziert jetzt ein graues Pärchen im Ruhestand“. Wird er eines Tages auch dort spazieren und wird seine alte Jugendliebe dann wieder an seiner Seite sein? „Wir haben uns doch geschworen, wenn keiner will, dann nehmen wir uns“, singt Vincent über elegische Piano- und Streicherklänge. Und während sich über den Senioren der Himmel langsam rot färbt, driften seine Gedanken weiter ab: „Irgendwann sind wir wie die und dann pflegen sie uns tot.“

Auch Danger Dan lässt seine Gedanken schweifen. In seinen Zeilen bringt er Referenzen zu Résistance-Kämpferin Nancy Wake und Joni Mitchell unter, während er zugleich thematisch an die Zeilen von Vincent anknüpft: „Nancy Wake ruft nicht mehr an, sie sagt, sie hat COPD / Mit Rauchen aufgehört vor Jahren, doch da war es wohl zu spät“, weiß Danger Dan zu berichten. Gern würde er auf der Bank „gemeinsam mit dir Drogen nehmen / Von der ersten Feministin aus dem Dorf noch so viel lernen“, doch es gibt sie nicht mehr, die Bank. Stattdessen: Kids, die auf dem Parkplatz den Remix von „Big Yellow Taxi“ hören. „Noch paar Jahre, dann sitzen wir selbst mit der Schrotflinte auf der Veranda“, schätzt Danger Dan, der damit ein ähnlich unrosamundepilcherhaftes Bild seines Lebensabends zeichnet wie Vincent.

Trotzdem, betonen Provinz, überwiegt für sie in „Unsere Bank“ der positive Ausblick auf die Zukunft: „Der Text des Songs ist tatsächlich autobiographisch, das heißt, die Bank, welche für ein Altersheim abgerissen wurde, die gab es wirklich. Dadurch kam auch die Inspiration des Songs und das Bild von Melancholie und Vergänglichkeit. Tatsächlich soll der Song aber eine versöhnliche Botschaft transportieren. Was vielleicht im ersten Moment ‚jugendliches Rumjammern‘ zu sein scheint, bietet andererseits eine sehr schöne Aussicht für die Zukunft.“

Über das Zustandekommen der Kollaboration gibt die Band zu Protokoll: „Nachdem Vincent die Songskizze geschrieben hatte, waren alle in die Idee verliebt, dass Danger Dan darauf ein Feature-Gast sein könnte. Allein schon, weil die Klaviermelodie auch eine Danger-Dan-Nummer sein könnte. Und da wir Daniel ein paar Monate vorher auf einem Festival kennengelernt hatten und wir uns auf Anhieb gut verstanden, schrieb Vincent ihm einfach schnell auf Instagram und schickte ihm den Song. Es hat ungelogen keine Stunde gedauert, da war Daniels Strophe fertig. Dann haben wir erstmal Nancy Wake gegoogelt und waren sehr happy mit der Strophe.“

Danger Dan kommentiert: „Ich habe mich sehr über die Einladung gefreut, bei dem Song mitzumachen. Tatsächlich verfolge ich die Band schon länger, aber spätestens seitdem wir in diesem Festival-Backstage gemeinsam zu tief ins Glas schauten, bin ich richtig Provinz-Fan geworden. Das Thema des Liedes passt aktuell auch wie die Faust aufs Auge. Da verabschiedet sich gerade ganz langsam eine spannende Generation in ihren Lebensabend, der ich noch so viele Fragen stellen möchte. Was würde ich nicht geben, um nur eine Zigarette lang Nancy Wake auf der Bank ihrer Geschichte zu lauschen. Und wenn jetzt eine meiner Lieblingsbands ihren Namen googeln musste und vielleicht ein paar mehr Leute nachziehen, umso besser.”

Kommenden Dienstag (06.09.) feiert „Unsere Bank“ TV-Premiere bei der ersten Sendung von „Late Night Berlin“ nach der Sommerpause (ProSieben, 23:30 Uhr). Die gemeinsame Performance von Provinz und Danger Dan wird zugleich das offizielle Musikvideo zum Song und ist am Folgetag (07.09.) im YouTube-Kanal der Band verfügbar. „Unsere Bank“ ist nach „Zorn & Liebe“, „Verrate deine Freunde“ „Spring“, „17 für immer“ und „Zwei Menschen“ die sechste Single des zweiten Albums „Zorn & Liebe“ von Provinz, das am 16. September 2022 erscheint. Nach dem Festivalsommer folgt im Herbst die bereits jetzt weitestgehend ausverkaufte „Zorn & Liebe“-Tour, alle Termine gibt es hier in der Übersicht.

Über Provinz

2020 veröffentlichten Provinz ihr Top-5-Debütalbum „Wir bauten uns Amerika“, wurden in der Folge erst zum „Besten Newcomer“ (2020) und im Jahr darauf gleich zur „Besten Band“ bei der 1LIVE Krone gewählt, sammelten über 200 Millionen Streams und begeisterten die deutsche Musiklandschaft durch die Bank weg. Nun freut sich die Ravensburger Band, die Veröffentlichung ihres zweiten Albums bekannt geben zu dürfen. Es heißt wie die jüngst veröffentlichte erste Single, „Zorn & Liebe“ und erscheint am 16. September 2022.

Provinz und Danger Dan (Foto: WMG)

Nicht nur der Titel der ersten Single, auch ihr Sound gab bereits einen guten Hinweis auf das nächste Album: Provinz erweitern ihre angestammten Klänge – handgemachte Instrumentierungen, Coming-of-Age-Thematiken, die unpolierte Direktheit der Texte und der fieberhaft dahingeschmetterte Gesang von Frontmann Vincent – um stärker durchproduzierte Elemente, schwebende Synthie-Klangflächen etwa, tanzbare Beats oder Sequencer-Effekte, wie man sie erstmals in ihrem Song „Großstadt“ (2021, von der EP „Zu spät um umzudrehen“) hören konnte. Daneben gibt die Band weiterhin ihrer Lust an der Kollaboration Raum, die im vergangenen Sommer mit „Liebe zu dritt“ an der Seite von JEREMIAS und MAJAN ihren Anfang nahm, zuletzt mit Nina Chuba in „Zorn & Liebe“ ihre Fortsetzung fand und auf dem kommenden Album weitere hochkarätige Feature-Gäste bereithält.

Insgesamt enthält das neue Album 15 Songs, darunter neben „Zorn & Liebe“ die neue Single Verrate deine Freunde. Frenetisch geschlagene Pianotasten, unaufhaltsam vorwärts peitschende Drum-Sounds und der mitreißende Stegreif-Mitsing-Vibe einer spätabendlichen Kneipen-Jamsession bilden das Gerüst dieses Tracks, mit dem Provinz einen flammenden Appell an das Ausbrechen aus starren Mustern abliefern: „Kühlschrank leer, nein, denn das von gestern schmeckt mir heut nicht mehr / Spotify läuft auf Repeat, die Zeit zehrt und zieht / Sie sagen, es geht vorbei, doch wann zur Hölle soll das sein“, skandiert Frontmann Vincent, und formuliert im Refrain die jetzt schon legendäre Zeile: „Eines Tages werden wir sterben, doch an allen anderen nicht.“

Das Album entstand Anfang des Jahres in Hamburg, wo die Band sich drei Wochen mit ihren Produzenten Tim Tautorat (u.a. Jeremias, AMK, Faber) und Fayzen (u.a. Bosse, Elif) im Studio einschloss und „alles, was sich die letzten zwei Jahre angesammelt hat, nochmal neu gedacht, überworfen und reproduziert“ hat, wie Vincent berichtet. „Die Lockdown-Zeit und damit einhergehender Stillstand und die steigende Sehnsucht sind Thema. Mentale Gesundheit sowie jugendliche Ekstase, ganz wie gewohnt quasi“. Der Titel „Zorn & Liebe“ sei dabei „der gemeinsame Nenner, beschreibt aber auch uns vier. Nichts verbindet uns mehr als diese beiden Begriffe. Die Gegensätze und Unterschiede, Altbekanntes sowie noch nie Gehörtes – kein Titel könnte dafür besser passen.“