Mit „Everything You Can See From Up Here“ hat Gabriel Vitel vergangenen Freitag sein Debütalbum veröffentlicht. Wir haben den Indie-Künstler zum Interview eingeladen.
Gabriel Vitel ist ein deutscher Musiker, Sänger und Songwriter, der sich mit seinem neuen Album Everything You Can See From Up Here als reflektierender und emotional vielschichtiger Künstler zeigt.
Musikalisch bewegt er sich in einem stilistisch offenen Feld zwischen Pop, Indie, akustischen Arrangements und elektronischen Fragmenten. Inhaltlich verhandelt er zentrale Themen wie Verlust, Liebe, persönliche Entwicklung und künstlerische Identität.
Wir haben ihn nach seinen wichtigsten Einflüssen befragt.
Was ist der erste Song, an den du dich erinnerst?
Da könnte ich jetzt wahrscheinlich 1000 Songs aufzählen, aber die most vivid Erinnerung an einen spezifischen Song, ist dann doch „Schrei nach Liebe“ von Die Ärzte. Ich weiß irgendwie noch genau, wie ich mit meinem Walkman in meinem Geheimversteck im Garten in einem Busch hing und den Song rauf und runter gehört habe. Mein Bruder hatte den aus dem Radio auf Kassette aufgenommen und ich dann immer wieder zurückgespult. Good old 90ies. Hatte die Erinnerung auch selbst lange gar nicht mehr auf dem Schirm, bis ich im Molotow bei einem Konzert Bela B getroffen habe
Was war die erste Platte, die du dir selbst gekauft hast
Also wenn es um CD geht, war es „Bullet in a Bible“ von Green Day, dieses Live-Album. Ich war super doll Green-Day-Fan. Wenn es um Vinyl geht ist das bissche tricky, weil ich ganz lange Platten immer nur geschenkt bekommen habe, aber die erste die für mich so richtig viel verändert hat, war von Schmyt „Universum regelt“. Ich hatte so lange keinen richtigen Zugang zu deutscher Musik abseits von Deutschrap. Aber die Platte hat irgendwie alles verändert und hat mir in der schwersten Zeit meines Lebens sehr viel Halt gegeben.
Was war dein erstes Konzert als Besucher
Ich weiß das gar nicht mehr so genau, aber wahrscheinlich war es Sting in Paris bei seiner „Brand New Date“-Tour, zu der mich meine Eltern als kleiner Stöpsel mitgenommen haben. Ich hab nur noch blasse Erinnerung, aber was hängengeblieben ist, war die unglaubliche Energie, die so eine Band in einer riesigen Crowd freisetzen kann.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Musik wurde mir schon in die Wiege gelegt. Durch meine Mutter habe ich die Liebe zu klassischer Musik entwickelt und durch meinen Vater die zu Indie-Rock. Meine Brüder haben dann französischen Hip-Hop und generell Rap und Skate-Punk reingebracht. Und durch das Privileg Musikinstrumente lernen zu dürfen, kam ich dem allen dann sehr viel näher. Und mit 16,17 hab ich dann angefangen eine befreundete Band live abzumischen, was mich dann sehr inspiriert hat, meinen Kindheitstraum selbst mal mit Musik auf der Bühne zu stehen, wahrwerden zu lassen.
Wie machst du Musik?
Super unterschiedlich, aber man kann schon zwei grobe Arbeitsweisen herauskristallisieren. Entweder steht eine Akkord-Folge oder Melodie-Folge für die ich dann im nächsten Schritt einen Beat suche, oder etwas rhytmisches, dass das ganze unterstützt. Oder es ist andersrum, dass ich einen Beat oder Sample kreiere bzw finde und dann im nächsten Schritt Akkorde suche. Und dann im nächsten Schritt: Was ziehe ich aus diesem Instrumental als Gefühl und was könnte thematisch dazu passen.
Warum machst du Musik?
Uh, sehr gute Frage. Ich glaube zum einen, weil ich es einfach unfassbar liebe und es kaum ein schöneres Gefühl gibt, als Musik zu machen, teilweise fühlt es sich überirdisch an. Und zum anderen, weil es für mich ein Weg geworden ist, Themen zu verarbeiten. Fast schon therapeutisch.
Welche Künstler haben dich am meisten geprägt? Mit wem würdest du gerne einmal zusammenarbeiten?
Sehr viele, dass ist echt schwer mit da festzulegen. Aber wenn ich mich jetzt auf eine Top 5, dann wären es: Jack Johnson, Gorillaz, Nirvana, Stromae und Cake.
Was möchtest du mit deiner Musik erreichen?
Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen egoistisch, aber eigentlich mache ich Musik hauptsächlich für mich, deswegen ist es irgendwie schwer zu sagen, was ich erreichen möchte. Aber am ehesten ist es so, dass ich Menschen mit meiner Musik comfort schenken möchte. Musik ist für mich der größte und stärkste Safespace den es gibt und es ist die größte Ehre diesen für andere kreieren zu dürfen. Eine Form von Halt zu geben.
Welches ist dein bester Song bisher?
Mein bester Song bisher absolut und ohne Frage: „Everything You Can See From Up Here“. Lyrisch ist es das ehrlichste und bedeutendste, was ich je geschrieben habe, musikalisch habe ich noch nie eine bessere Progression in einem Song erschaffen können und ich hab auch noch nie einen Song geschrieben, der mir mehr geholfen hat mit einer Thematik Frieden zu schließen
Woran arbeitest du gerade? Was kommt als nächstes?
Ich kanns kaum erwarten ganz befreit von Deadlines an neuer Musik zu arbeiten. Jetzt wo das Debütalbum draußen ist, kommt erstmal ein bisschen Selfcare, Durchatmen und für die Familie da sein und danach hoffentlich ganz bald ganz viel neue Musik.
Biografie Gabriel Vitel
Gabriel Vitel (Jahrgang 1994) stammt aus Schwäbisch Hall und begann dort Musik zu machen. Er trat bereits früh unter eigenem Namen oder in Kollaboration mit anderen Acts in Erscheinung, etwa durch Features mit Produzenten aus dem Elektronikbereich oder durch eigene Solo-Veröffentlichungen. Seine Musik hat sich dabei stetig gewandelt – von elektronisch geprägten Produktionen hin zu einem persönlicheren, bandorientierten Sound, der sich stark an klassischen Singer-Songwriter-Idealen orientiert, ohne dabei nostalgisch zu wirken.
Die neue Platte ist das Resultat einer längeren Schaffensphase, in der Vitel seinen eigenen Sound konsolidiert und emotional geschärft hat. Zentrale Inspirationsquellen sind offenbar nicht nur musikalischer Natur, sondern auch biografische Erlebnisse, insbesondere der Tod einer engen Freundin.
Sein Debütalbum ist eine dichte Sammlung persönlicher Momentaufnahmen, Erinnerungen und Reflexionen. Es beginnt mit einem Zitat, das bereits den Ton vorgibt: „If you don’t believe in God, I can understand you, but if you don’t believe in love, I feel sorry for you.“ Dieser Satz wirkt wie eine Prämisse für das gesamte Werk, in dem Liebe in all ihren Facetten verhandelt wird – romantisch, platonisch, vergangen, verloren oder unerfüllt.
Viele der Songs sind klar autobiografisch gefärbt. In „ACT LIKE FOOLS“ geht es um das Aufkochen vergangener Beziehungen, während „ALL I WANT“ Frust und Eskapismus thematisiert. „YOU’RE DIVINE“ ist ein hymnischer Lovesong, der die Euphorie des Verliebtseins einfängt – inspiriert von Vitels verstorbener Freundin, die oft das Wort „episch“ gebrauchte. In „LES MISÉRABLES“ fließen persönliche Erfahrungen mit literarischen Referenzen zusammen, um soziale Ungleichheit zu thematisieren, aber auch um emotionale Verbundenheit in einer Beziehung auszudrücken.
Das zentrale Stück des Albums ist jedoch der titelgebende Song „Everything You Can See From Up Here“, eine direkte Hommage an seine verstorbene Freundin. Dieser Song sowie das „OUTRO“ markieren die emotionalen Eckpfeiler des Albums – voller Trauer, aber auch Trost und Würde. Es geht um Abschiednehmen, aber auch um das Weiterleben mit der Erinnerung.
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