Schöner leuchtete Orange noch nie. Frank Oceans Debütalbum „Channel Orange“ ist eines der Alben des Jahres 2019 und für R&B ein Meilenstein. Denn hier verdichtet sich, was in den letzten Jahren mit den EPs von The Weeknd und den ersten Songs Frank Ocean Songs den Anfang nahm: eine neue Lässigkeit.
Wieso ist es eigentlich immer am schwersten die Alben in Worte zu fassen, die einen am meisten berühren? Im Fall von Frank Ocean könnte man natürlich den Trick anwenden und über das referieren, was in den letzten zwei Jahren passiert ist:
Der Erfolg der OFWGKTA-Crew, zu der auch Frank Ocean gehört, die Hip-Hop neues Leben eingehaucht haben. Sein gefeiertes Mixtape „Nostalgia Ultra“, das 2011 für viele eines der Alben des Jahres war, und bis heute kostenlos im Netz zu haben ist.
„Pyramids“, der erste Freetracks aus seinem offiziellen Debüt, der nicht nur was seine Länge angeht, die Koventionen des R&B völlig auf den Kopf stellte. Und schließlich sein Coming Out, das in der vom Machismo geprägten amerikanischen Hip Hop-Welt einer Revolution gleichkommt und Frank Ocean Support aus allen Richtungen einbrachte, auch von seinem Kumpel Tyler.The Creator, dem zuvor immer wieder Homophobie vorgeworfen wurde. Vor dem Hintergrund, dass Odd Future zu den Beats einer lesbischen DJane rappen, während ein schwuler Sänger die Hooks liefert, lohnt es sich erneut mit den Texten der Truppe zu befassen und sie nicht nur auf political correctness hin abzuklopfen.
Frank Ocean – Channel Orange (Stream)
Nun folgt also ein Soloalbum eines hochbegabten Sängers, das mit „Pyramids“ einen der vielleicht außergewöhnlichsten R&B-Songs der Popmusik enthält. Ein neun Minuten langes Epos, das Herzschmerz mit einer Lässigkeit kombiniert, die auch den Rest von „Channel Orange“ so außergewöhnlich macht. Frank Ocean ist nicht der typische R&B-Boy, nicht nur was seine sexuelle Orientierung betrifft. Die Theatralik eines R. Kelly geht ihm ebenso ab wie die Hochglanzwelt, in denen die „Super Rich Kids“ zuhause sind, denen er im gleichnamigen Song einen mitgibt. Es ist eine Art digitale Patina, die Instagram-Fotografie so populär macht und sich in jedem Coverartwork der Odd Future-Crew wiederfinden lässt, die Oceans Songs von anderen unterschiedet. Doch das hier ist nicht nur copy&paste. Ocean gräbt sich tief in die Wurzeln seiner Musik und pflanzt sie vorsichtig um, holt sie zu uns ins Hier und Jetzt, damit sie wachsen und blühen kann. Im Gegensatz zur digitalen Simulation wird Frank Oceans Musik uns noch lange begleiten: in unserem Herz und nicht in unserem in die Cloud hinein verlängerten Gehirn.
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