Kraftwerk spielen zwei Konzerte im Rahmen ihrer Multimedia-Tour in Berlin und machen Sehnsucht nach einer Zeit, in der die Zukunft viel besser war als heute.
Knapp zwei Stunden standen Kraftwerk-Chef Ralf Hütter und seine (neue) Crew wie angewurzelt an ihren Pulten auf der Bühne der Berliner Music Hall und boten eine Werkschau durch 50 Jahre Musikgeschichte.

Dass Kraftwerk eine der innovativsten Bands aller Zeiten ist, ist weithin unbestritten. Heute verzichten sie dagegen konsequent darauf, neue Technologien in ihre Shows einzubauen. Die Visuals sind im besten Sinne retrofuturistisch und manchmal auch selbstironisch, wenn etwa zum Klassiker “Autobahn” eine Animation in C64-Optik mit Autos der 70er Jahre gezeigt wird. Auch wenn es kaum zu glauben ist angesichts ihres elektronischen Sounds: Kraftwerk sind tief im Krautrock der 70er Jahre verwurzelt.

Ihre Songs haben durch ihren Minimalismus nichts an Aktualität verloren und klingen sogar frischer als viele jüngere Rockbands heute. Allerdings zeigt sich beim Konzert eben auch, dass Kraftwerk zwar ästhetisch die entscheidenden Impulsgeber für Techno waren, der Beat aber in Detroit erfunden wurde. Getanzt wurde beim Konzert so gut wie gar nicht und das soll auch so sein, denn die Kunst von Kraftwerk ist längst zum Museumsstück geworden, an dem man nicht einfach herummalt. Kraftwerk selbst sind eben nicht Techno oder Club-Musik, sondern Pop-Art.
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Der gewohnt unterkühlte Auftritt der Band wurde nur einmal unterbrochen durch eine Hommage an den 2023 verstorbenen japanischen Komponisten Ryūichi Sakamoto, einem engen Freund Hütters, der im Sakamotos Klavierstück “Merry Christmas, Mr Lawrence” widmete – ganz ohne Visuals und elektronische Spielereien. Es war auch der einzige Moment, den der 79-jährige nutzte, um ein paar Worte ans Publikum zu richten und sich als Mensch zu zeigen.
Ansonsten standen die vier Kraftwerker regungslos als Mensch-Maschinen hinter ihren Pulten und drückten Knöpfe. Einzig Ralf Hütter spielt die meisten Melodien am Synthesizer live und sprechsingt die Songs, während sich die anderen drei vermutlich um das Abspielen der Backingtracks, einzelne instrumentale Akzente und Videosteuerung kümmern. Dass bei Kraftwerk das meiste vom Band kommt, dürfte keine Überraschung sein. Das ist bei den meisten anderen Elektronik-Bands wie Deichkind auch nicht anders.
Die Themen der Kraftwerk-Songs scheinen immer noch zeitlos aktuell zu sein: Computerliebe, Radioaktivität, Autos, Weltraum. Und doch beschleicht einen beim Konzert ein seltsames Gefühl: die Sehnsucht nach einer Zeit, in der die Zukunft noch so aufregend und vielversprechend war, wie Kraftwerk sie uns gezeichnet haben. Damals, vor über 40 Jahren.

Setlist Kraftwerk 9.12.2025
- Nummern / Computerwelt / Computerwelt 2
- Heimcomputer / It’s More Fun to Compute
- Spacelab
- Ätherwellen
- Tango
- The Man-Machine
- Electric Café
- Autobahn
- Computer Liebe
- Das Model
- Neonlicht
- Metropolis
- Merry Christmas Mr. Lawrence
(Ryūichi Sakamoto cover) - Geigerzähler
- Radioaktivität
- Vitamin
- Tour de France / Tour de France Étape 3 / Chrono / Tour de France Étape 2
- La Forme
- Trans-Europa Express / Metall auf Metall / Abzug
- Planet der Visionen
- Boing Boom Tschak / Techno Pop / Musique Non Stop
- Zugabe: Die Roboter