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Eminem: Songs, Alben und Biografie des Rap God

Eminem ist einer der erfolgreichsten Rapper und Musiker der 2000er. Höchste Zeit die besten Songs des Mannes zu küren, der den Rap in neue Höhen geführt hat.

Eminem ist bekannt für seine schnelle und lyrisch anspruchsvolle Rap-Technik sowie für seine oft persönlichen und kontroversen Texte.

Seine Musikkarriere begann in den späten 1990er Jahren, als er anfing, in der Underground-Rap-Szene in Detroit, Michigan, aufzutreten. Er erlangte jedoch erst 1999 mit seinem Album „The Slim Shady LP“ in Zusammenarbeit mit Produzent Dr. Dre größere Aufmerksamkeit und Erfolg.

Kindheit, Armut und Gewalt

Marshall Mathers wird am 17. Oktober 1972 im US-Bundesstaat Missouri geboren. Seine Eltern, Marshall Mathers Jr. und Deborah Nelson, heiraten jung, doch die Beziehung zerbricht kurz nach der Geburt. Der Vater verlässt die Familie, als Marshall gerade drei Monate alt ist. Die Mutter zieht mit dem Baby quer durchs Land, schließlich landet sie in Detroit, wo Mutter und Sohn in ärmlichen Verhältnissen aufwachsen.

Debbie Mathers leidet unter psychischen Problemen, darunter vermutlich das sogenannte Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, wie es später in medizinischen Gutachten nahegelegt wird. Eminem beschreibt in zahlreichen Songs ein Kindheitsszenario aus emotionaler Vernachlässigung, Instabilität und Gewalt – Erzählungen, die die Mutter öffentlich bestritt und juristisch bekämpfte. 1999 reichte sie Klage gegen ihren Sohn ein, verlangte zehn Millionen US-Dollar Schmerzensgeld. Der Streit endete außergerichtlich mit einem Vergleich über 25.000 Dollar, von denen nur ein Bruchteil ausgezahlt wurde. Erst Jahre später kam es zu einer öffentlichen Versöhnung, unter anderem mit dem Song „Headlights“ (2013), in dem Eminem seiner 2024 verstorbenen Mutter Vergebung signalisiert.

Die Familie lebt häufig am Existenzminimum. Eminem beschreibt eine Jugend zwischen heruntergekommenen Wohnblocks, Mobbing und Perspektivlosigkeit. In der Schule gilt er als Außenseiter und wird wiederholt Ziel körperlicher Gewalt. Nach einem besonders schweren Angriff liegt er mehrere Tage im Koma, was bleibende psychische Spuren hinterlässt. Den Schulabschluss schafft er nicht, stattdessen hält er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser – etwa als Koch oder Lagerarbeiter.

Einstieg in den Battle-Rap

Schon als Teenager entdeckt Marshall Mathers den Rap als Ausdrucksform. Inspiriert von Künstlern wie LL Cool J, Beastie Boys, Run-DMC und N.W.A. beginnt er mit 14 Jahren, unter dem Namen „M&M“ erste Reime zu schreiben. Er tritt bei lokalen Open-Mic-Veranstaltungen in Detroit auf, häufig als einziger weißer Teilnehmer. Seine Technik, Reimstruktur und sein Wortwitz bringen ihm schnell Respekt in der lokalen Underground-Szene ein.

Anfang der 1990er Jahre schließt sich Eminem verschiedenen Crews an, darunter Soul Intent und später D12, ein Rapkollektiv aus Detroit, das er mitbegründet. In dieser Zeit entsteht auch seine erste offizielle Veröffentlichung: „Infinite“ erscheint 1996, bleibt aber kommerziell ohne Erfolg. Kritiker bemängeln die zu starke Orientierung an Nas und AZ. Die Verkaufszahlen sind gering, die Enttäuschung groß.

Doch im selben Jahr entwickelt sich parallel eine andere, entscheidende Figur: „Slim Shady“. Unter diesem Alter Ego verarbeitet Eminem seine dunklen Gedanken und findet so zu einer eigenen Stimme. Im Slim Shady-Charakter tritt er überzeichnet, zynisch und tabubrechend auf, ein Stilmittel, das zu seinem Markenzeichen wird.

Die Slim Shady-Ära und der große Durchbruch

1997 veröffentlicht Eminem die „Slim Shady EP“ in Eigenregie. Der verstörende, aber technisch brillante Tonfall macht schnell die Runde. Im selben Jahr gewinnt er den zweiten Platz bei der Rap Olympics in Los Angeles. Eine Kopie der EP landet auf dem Schreibtisch von Jimmy Iovine, CEO von Interscope Records. Dieser spielt sie dem erfolgreichen Rap-Produzenten Dr. Dre vor, ein legendäres Aufeinandertreffen der Rap-Geschichte.

Dr. Dre erkennt das Potenzial, nimmt Eminem sofort unter Vertrag und produziert gemeinsam mit ihm das erste Major-Release: „The Slim Shady LP“ (1999). Das Album schlägt ein. Tracks wie „My Name Is“, „Role Model“ und „Guilty Conscience“ balancieren zwischen Komik, Gewaltfantasien und Gesellschaftskritik. Eminem gelingt der kommerzielle Durchbruch. Das Album wird mehrfach mit Platin ausgezeichnet und bringt ihm seinen ersten Grammy Award.

Ein Jahr später erscheint „The Marshall Mathers LP“ (2000) – ein düsteres, aggressives Werk, das ihn endgültig zum Superstar macht. Die Single „Stan“ wird ein weltweiter Hit, getragen von der Stimme der britischen Sängerin Dido, von der auch der Originalsong stammt zu dem Eminem rappt. Die fiktive Geschichte eines fanatischen Fans trifft den Nerv der Zeit, der Begriff „Stan“ wird zum Synonym für übertriebene Verehrung und schafft es sogar in Wörterbücher.

Gleichzeitig steht Eminem unter massivem öffentlichen Beschuss. Seine Texte sind gewaltverherrlichend, frauenfeindlich, homophob, so die Kritiker. Eminem verweist auf künstlerische Freiheit, satirische Überzeichnung und das Konzept des Slim Shady-Charakters. Die Kontroversen begleiten ihn durch seine gesamte Karriere.

Eminem, D12 und 8 Mile

Mit dem Erfolg im Rücken nutzt Eminem die Bühne, um auch seine Weggefährten ins Rampenlicht zu rücken. Über sein eigenes Label Shady Records fördert er unter anderem Obie Trice, 50 Cent und vor allem D12. Die Crew veröffentlicht zwei Alben, „Devil’s Night“ (2001) und „D12 World“ (2004), beide mit kommerziellem Erfolg. Eminem fungiert als kreativer Kopf, auch wenn er sich nie vollständig von der Gruppe vereinnahmen lässt.

2002 folgt der nächste Karriereschritt: der Kinofilm „8 Mile“, eine fiktionalisierte Version seiner eigenen Biografie. Eminem spielt die Hauptrolle, liefert mit „Lose Yourself“ den Soundtrack und gewinnt den Oscar für den besten Filmsong, als erster Rapper überhaupt. Die Zeile „You only get one shot, do not miss your chance to blow“ wird zur Selbstbeschreibung eines Künstlers, der jede Chance nutzt, weil er sich keine zweite leisten kann. Eminem ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens angelangt. Von hier ab, kann es nur noch bergab gehen.

Absturz und Sucht

Ab Mitte der 2000er Jahre beginnt eine Phase der Selbstzerstörung. Der Tod seines engen Freundes Proof (D12), der 2006 in Detroit erschossen wird, trifft ihn tief. Dazu kommen eine Reihe persönlicher Probleme: Sorgerechtsstreit um seine Tochter Hailie, Depressionen, zunehmender Missbrauch von Medikamenten. Eminem wird süchtig nach verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln wie Vicodin, Valium und Ambien. In Interviews beschreibt er später, dass er 2007 fast gestorben wäre.

2009 gelingt der Wiedereinstieg: Mit „Relapse“ erscheint ein verstörendes, dunkles Album, das sich wieder stark auf das Slim Shady-Alter Ego konzentriert. Ein Jahr später folgt „Recovery“, ein versöhnlicheres, offeneres Werk, das sich mit Sucht, Abstinenz und Neuanfang beschäftigt. Der Song „Not Afraid“ wird zur Selbstermächtigung, „Love the Way You Lie“ mit Rihanna ein weltweiter Nummer-1-Hit. Eminem ist zurück, aber er bleibt umstritten. Die einen finden ihn zu Pop, die anderen zu gefährlich.

Späte Karriere, Politik und Selbstreflexion

Die 2010er Jahre zeigen einen gereiften, aber nicht angepassten Eminem. „The Marshall Mathers LP 2“ (2013) bringt Retro-Zitate und technische Brillanz, „Rap God“ wird zum Guinness-Weltrekord für die meisten Wörter in einem Hit. 2017 erscheint „Revival“, ein Album mit gesellschaftskritischem Unterton. Die Produktionen wirken teilweise überladen, die Features, darunter Beyoncé, kommen nicht bei allen gut an, das Album wird von der Kritik verrissen.

Nur ein Jahr später veröffentlicht Eminem „Kamikaze“, überraschend, ohne Vorankündigung. Eine Reaktion auf die Kritiken, die er mit scharfen Worten kontert. Das Album wirkt rauer, provokanter, erinnert an frühere Tage, bleibt jedoch nicht ohne Widerspruch. Eminem rappt über seine Isolation in der Szene, seine Außenseiterrolle und das Gefühl, gegen Windmühlen zu kämpfen.

Im Januar 2020 erscheint „Music to Be Murdered By“, eine Hommage an Alfred Hitchcock. Später im Jahr folgt mit „Side B“ eine erweiterte Edition mit 16 zusätzlichen Songs. Die Tracks bewegen sich zwischen Selbstbeobachtung, Gesellschaftskritik und technischer Raffinesse. Der Song „Darkness“ etwa erzählt aus der Perspektive eines Amokläufers und kritisiert die amerikanische Waffenpolitik – ein selten so klar politischer Moment in Eminems Werk.

Comeback im Schatten von Slim Shady

Im Frühjahr 2024 meldet sich Eminem überraschend mit der Single „Houdini“ zurück. Der Song zitiert musikalisch und textlich aus seiner eigenen Frühphase, u. a. „Without Me“. Kritiker sehen darin ein bewusste Rückbesinnung auf das Slim Shady-Image, mit all seinen Provokationen, aber auch der kreativen Freiheit, die es Eminem ermöglichte, seine inneren Konflikte zu externalisieren.

Im Juli 2024 veröffentlichte Eminem sein dreizehntes Studioalbum The Death of Slim Shady (Coup de Grâce), ein Konzeptalbum, das sich als symbolische Abrechnung mit seinem berüchtigten Alter Ego Slim Shady versteht. Bereits im Vorfeld hatte eine fiktive Todesanzeige die Trennung vom Kunstcharakter angekündigt.

Musikalisch bewegt sich das Album zwischen Rückblick und Selbstreflexion, kombiniert klassische Eminem-Produktionen mit neuen Erzählperspektiven. Die Reaktionen fielen überwiegend positiv aus: Kritiker lobten die thematische Geschlossenheit und den erzählerischen Mut, Fans diskutierten den Bruch mit der eigenen Vergangenheit. Mit Tracks wie „Houdini“ greift Eminem alte Motive auf, ohne sich in Nostalgie zu verlieren – ein spätes Werk zwischen Epitaph und Neuanfang.

Nebenprojekte und Einfluss

Eminem hat über die Jahre nicht nur als Musiker Spuren hinterlassen. Mit Shady Records baute er eines der einflussreichsten Hip-Hop-Labels der 2000er auf. Er war federführend bei der Entdeckung von 50 Cent, unterstützte Künstler wie Royce da 5’9″, Obie Trice oder Yelawolf und brachte mit Dr. Dre und Paul Rosenberg mehrere Karrieren ins Rollen.

Mit Royce da 5’9″ veröffentlichte er 2011 auch das gemeinsame Album „Hell: The Sequel“ unter dem Namen Bad Meets Evil, eine Rückbesinnung auf ihre Ursprünge und ein dokumentierter Beweis für Eminems technisches Können.

Kritiken, Kontroversen und Vermächtnis

Eminem war und ist einer der umstrittensten Künstler seiner Zeit. Seine Texte wurden immer wieder als homophob, frauenfeindlich, gewaltverherrlichend kritisiert, oft zu Recht, manchmal aus dem Zusammenhang gerissen. Gerade in Zeiten von #MeToo, Black Lives Matter und einem sensibleren Umgang mit Sprache stellt sich die Frage nach der Relevanz seines Werkes neu.

Gleichzeitig bleibt Eminem einer der prägendsten Figuren des Hip-Hop. Seine Reimtechnik, sein Flow, sein Spiel mit Sprache und Identität sind unbestrittene Meilensteine. Er hat Rap für ein breiteres Publikum geöffnet, ohne sich jemals vollständig anzupassen. Eminem hat unzählige Nachwuchskünstler beeinflusst, sei es durch seine Themensetzung, seine Offenheit oder seine Form der Performance.

Diskografie (Studioalben)

1996: Infinite
1999: The Slim Shady LP
2000: The Marshall Mathers LP
2002: The Eminem Show
2004: Encore
2009: Relapse
2010: Recovery
2013: The Marshall Mathers LP 2
2017: Revival
2018: Kamikaze
2020: Music to Be Murdered By
2020: Music to Be Murdered By – Side B
2024: The Death of Slim Shady (Coup de Grâce)

Auszeichnungen und Einfluss

Eminem hat im Laufe seiner Karriere mehr als 15 Grammy Awards gewonnen, wurde mehrfach als Künstler des Jahrzehnts ausgezeichnet und weltweit über 220 Millionen Tonträger verkauft. Er war Headliner bei allen großen Festivals, trat bei der Super Bowl Halftime Show 2022 auf und wurde in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.

Er bleibt ein Unikum: ein weißer Rapper aus der Arbeiterklasse, der sich eine Stimme erkämpfte, die in der US-amerikanischen Poplandschaft bis heute nachhallt. Ein Künstler, der sich selbst nie geschont hat – und dadurch auch seine Hörer zwang, sich mit unbequemen Wahrheiten auseinanderzusetzen.


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