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Talk Talk – Spirit Of Eden (Album)

Im September 1988 erschien ein Album, das die schrillbunten 80er Jahre kurzerhand beendete und mit seiner bis auf die Knochen reduzierten Musik bis heute als eines der einflussreichsten Alben aller Zeiten gilt. 

Die britische Band Talk Talk veröffentlichte zwischen 1981 und 1986 mehrere Synthiepop-Alben, die perfekt in die 80er Jahre passten und den Vergleich mit Depeche Mode, The Human League oder Tears for Fears nicht zu scheuen brauchten. Mit der Single „Such A Shame“ (1984) feierten sie vor allem in Deutschland große Erfolge. 

Auf dem nachfolgenden Album „The Colour of Spring“ wandte sich die Band um Frontmann Mark Hollis zunehmend von elektronischen Instrumenten ab und doch waren gleich mehrere unglaublich eingängige Songs darauf zu hören. 

Als ich „Spirit of Eden“ das erste Mal kurz nach Erscheinen hörte – und dieser Moment ist für jeden unvergesslich – war ich entsetzt. Darauf verschmolz die Band Jazz, Klassik und Ambient und verzichtete komplett auf klassische Songstrukturen. Wer sich weitere Songs vom Kaliber „Living In Another World“ oder „Life’s What You Make It“ erhoffte, wurde maßlos enttäuscht. 

Ein Album mit sechs langen, ineinander verwobenen Songs, ohne offensichtliche Single, ohne jegliches Potenzial auf Radio-Airplay, mit ausschließlich traurig-melancholischen Songs, mehr Kunst als Pop, so ein Album ließ sich im Pop-Jahrzehnt nicht vermarkten. „Kommerzieller Selbstmord“ wurde der Band von ihrer Plattenfirma EMI vorgeworfen, die Änderungen und eine radiokompatible Hitsingle verlangte. 

Stattdessen nahm Hollis Songs über die Heroinsucht seines Bruders auf, dem er sein ganzes musikalisches Wissen verdankte und übte sich im konsequenten Verzicht auf alles, was irgendwie kommerziell sein könnte. Es war das erste E-Album der Popmusik.

“Before you play two notes, learn how to play one note, y’know. And that, it’s as simple as that really.  And don’t play one note unless you’ve got a reason to play it.” (Mark Hollis)

Auch ich wandte mich zunächst verwirrt ab, es brauchte mehrere Anläufe um zu erkennen, was für ein einzigartiges Meisterwerk Talk Talk mit diesem Werk geschaffen hatten.

„Spirit of Eden“ hatte die Grenzen dessen, was heute als Popmusik gilt, maßgeblich und für immer verschoben. Das Album hat die Naivität der 80er Jahre beendet und eine neue Ernsthaftigkeit in der Musikszene eingeläutet. Keine Band zuvor – einschließlich der Beatles – hatte so eine konsequente Entwicklung in so einer kurzen Zeitspanne hingelegt und nach dem Album vollendeten Talk Talk diese Wandlung mit dem letzten Album „Laughing Stock“. 

” “Spirit of Eden”, I kind of think that was very much like, in a way where all those earlier albums were trying to get to.  And then having got there, I then think the important thing is that, y’know, you either, you either just stop making records at that point because you’ve kind of reached what you were trying to get, or from that point, you seriously redress, y’know, these other areas that you, that you go for.” (Mark Hollis)

Heute gilt „Spirit of Eden“ als erstes Album des Post-Rock-Genres. Unzählige Musiker beschreiben, dass sie ihr musikalisches Erweckungserlebnis mit diesem Album von Talk Talk hatten und danach nie wieder konventionelle Musik machen wollten.

Erst viele Jahre später feierten Bands wie Radiohead, Sigur Ros, Radiohead, Mogwai, Elbow, The National oder Godspeed! You Black Emperor mit epischen, emotional berührenden Songs jenseits der 3-Minuten-Marke große Erfolge.

„Spirit of Eden“ blieb kommerziell zunächst ein Flop, die Band tourte nie wieder live und löste sich schließlich 1991 nach anhaltenden Rechts-Streitigkeiten mit ihrer Plattenfirma auf, die anschließend noch mehrere „Best Of“-Alben auf den Markt warf und den späten Ruhm der beiden letzten Alben ausschlachtete. Musikbusiness as usual. 

Talk Talk haben in ihrer Karriere nur insgesamt fünf Alben veröffentlicht. Sie erzählen exemplarisch die musikalische Entwicklung von den frühen 80er bis zu den frühen 90er Jahren und sollten in keiner Musiksammlung fehlen.

Mark Hollis veröffentlichte 1998 nochmals ein von der Kritik hoch gelobtes Soloalbum, bevor er sich endgültig vom Musikgeschäft verabschiedete und ins Privatleben zurück zog.

„Mark Hollis started from punk and by his own admission he had no musical ability. To go from only having the urge, to writing some of the most timeless, intricate and original music ever is as impressive as the moon landings for me.“  (Guy Garvey/Elbow)

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