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„The Great“ jetzt auf Netflix: Geschichtssatire über Katharina die Große wird zum Hit

Mit der Veröffentlichung auf Netflix hat die Dramedy-Serie „The Great“ aus dem Jahr 2020 nun auch ein breites deutsches Publikum erreicht.

Die ursprünglich für den US-Streamingdienst Hulu produzierte Historienkomödie erzählt vom Aufstieg Katharinas der Großen allerdings nicht als klassisches Kostümdrama, sondern als schwarzhumorige Farce.

Im Mittelpunkt: eine junge, idealistische Frau in einem korrupten System, das von Gewalt, Aberglauben und patriarchaler Willkür geprägt ist.

Zwischen Sex, Macht und Aufklärung

„The Great“ bezeichnet sich selbst als occasionally true story, ein ironischer Hinweis darauf, dass die Serie Geschichte mehr als Material denn als Vorlage nutzt. Sie erinnert damit an den Film “The Favourite”, dessen Autoren auch hinter “The Great” stehen.

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Die junge, naive Katharina, gespielt von Elle Fanning, kommt aus einem kleinen preussischen Fürstenhaus an den russischen Hof, um Peter III. zu heiraten. Doch statt ihren Traumprinzen findet sie ein System vor, das von absurden Ritualen und männlicher Hybris geprägt ist.

Peter (Nicholas Hoult) wird als narzisstischer, sexsüchtiger Kindskopf inszeniert, der gleichermaßen brutal wie unberechenbar ist. Die Ehe der beiden wird zum Zentrum einer politischen Auseinandersetzung: Auf der einen Seite Katharinas wachsender Wille zur Reform, auf der anderen ein System, das alle Versuche zur Veränderung erstickt.

Die Serie arbeitet mit starken Kontrasten: aufgeklärtes Denken trifft auf brutale Willkür, Idealismus auf Desillusionierung, Fortschritt auf Stillstand. Dabei geht es nicht um historische Detailtreue, sondern um ein Spiel mit Erzählmustern. Geschichte wird zur Bühne für heutige Fragen über Macht, Gewalt und Sexismus.

Figuren als Träger von Ideen und Abgründen

Elle Fanning spielt Katharina als intelligente, ehrgeizige, aber auch verletzliche junge Frau, die schnell erkennt, dass moralischer Anspruch und politische Realität oft nicht zusammenpassen. Ihre Gegner sitzen nicht nur im Thronsaal, sondern auch im eigenen Umfeld: loyale Berater, die zu Zauderern werden, Freunde, die sich abwenden, und ein Hofstaat, der jeden Wandel fürchtet.

Nicholas Hoult gelingt es, die Figur des Peter nicht nur als Karikatur, sondern als tragikomischen Charakter zu zeigen. Sein Peter schwankt zwischen kindlichem Trotz, destruktivem Impulsverhalten und dem diffusen Gefühl, nicht zu genügen, was er mit Gewalt und Exzessen kompensiert. Seine brutale Unberechenbarkeit sichert ihm trotz seiner offensichtlichen Dummheit die Macht: niemand wagt den Aufstand, weil die Konsequenzen tödlich sein könnten. Obwohl die Serie bereits 2020 gedreht wurde, ist sie damit heute aktueller denn je.

Trotz aller Überzeichnung gelingt der Serie immer wieder ein Blick auf tieferliegende Konflikte: den Gegensatz zwischen Rationalität und Emotion, Struktur und Chaos, Utopie und Realität. Die satirische Form erlaubt dabei eine Freiheit im Umgang mit diesen Themen, die klassische Historiendramen oft vermeiden.

Visuelle Gestaltung und Erzählweise

„The Great“ verzichtet weitgehend auf museale Ausstattung oder pseudohistorische Exaktheit. Das Zarenreich des 18. Jahrhunderts als visuell überhöhter, oft grotesker Ort inszeniert: überladene Kostüme, prunkvolle Räume, bizarre Zeremonien. Diese stilisierte Darstellung betont den Kunstcharakter der Serie und unterstreicht ihren satirischen Ton.

Die Sprache ist modern, dialoglastig und pointiert. Viele Szenen wirken wie Theater, getragen von schnellen Schlagabtauschen und unerwarteten Wendungen. Gewalt, Sex und politische Intrige werden dabei nicht schockierend, sondern oft absichtlich übertrieben dargestellt als Teil eines Systems, das außer Kontrolle geraten ist.

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Auf Netflix sind seit dem 1. November 2025 alle drei Staffeln von The Great verfügbar. Insgesamt umfasst die Serie 30 Episoden, verteilt auf jeweils zehn Folgen pro Staffel. Jede Folge hat eine Laufzeit von etwa 45 bis 55 Minuten.

Der reale Hintergrund: Katharina II. von Russland

Die Serie basiert locker auf dem Leben der historischen Katharina der Großen (1729–1796), die als Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst in Stettin geboren wurde. Ihre Familie gehörte zum niederen deutschen Adel. Durch dynastische Verbindungen wurde sie 1744 nach Russland eingeladen, konvertierte zum orthodoxen Glauben und heiratete den Thronfolger Peter, den Neffen der Zarin Elisabeth.

Die Ehe war unglücklich. Peter galt, wie in der Serie dargestellt, als unreif, unpolitisch und emotional instabil. Nach Elisabeths Tod 1762 bestieg er den Thron, wurde aber nur wenige Monate später durch einen von Katharina initiierten Staatsstreich entmachtet. Mit Unterstützung der Garde und ihres Vertrauten Grigori Orlow ließ sie sich zur Kaiserin krönen. Kurz darauf starb Peter unter ungeklärten Umständen in Gefangenschaft.

Katharina regierte fast 35 Jahre lang und prägte Russland nachhaltig. Sie sah sich selbst als Vertreterin des aufgeklärten Absolutismus, förderte Bildung, Wissenschaft und Kultur und korrespondierte mit Denkern wie Voltaire und Diderot. Gleichzeitig baute sie den autokratischen Staatsapparat jedoch immer weiter aus und stärkte damit die Macht des Adels, vor allem auf Kosten der Bauern.

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Die Reformversuche in der Innenpolitik blieben begrenzt. Ein großer Bauernaufstand unter Jemeljan Pugatschow (1773–75) führte zu einer Verschärfung der Repression. Außenpolitisch war Katharinas Herrschaft dagegen von Siegen geprägt: Russland expandierte nach Süden und Westen, insbesondere durch Kriege gegen das Osmanische Reich und die Teilungen Polens. Die Annexion der Krim 1783 gilt bis heute als symbolischer Höhepunkt ihrer Machtpolitik.

Nachleben und Rezeption

Katharina starb 1796 an einem Schlaganfall. Ihr Sohn Paul I. folgte ihr auf den Thron, wurde aber nur wenige Jahre später ermordet. In der russischen Geschichtsschreibung wird Katharina bis heute als eine der bedeutendsten Herrscherinnen des Landes verehrt. In westlichen Darstellungen hingegen wurde sie lange Zeit auf ihr Privatleben reduziert, insbesondere auf ihre zahlreichen Liebesbeziehungen, die zur Grundlage vieler Klischees und Legenden wurden.

„The Great“ greift diese Perspektiven auf und dreht sie um: Die Serie macht aus der historischen Figur eine Projektionsfläche für Fragen nach weiblicher Macht, politischer Emanzipation und individueller Verantwortung in autoritären Strukturen und ist damit fünf Jahre nach der Erstaustrahlung erstaunlich aktuell.

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