Ein Vierteljahrhundert ist es her, seit das neue Jahrtausend angebrochen ist. Seitdem hat sich vieles grundlegend verändert, auch die Filmwelt sowie der Publikumsgeschmack. Außerdem wurde Tonspion im Jahr 2000 gegründet. Deshalb konzentrieren wir uns bei unseren Liste der besten Filme auf die letzten 25 Jahre. Natürlich ist die Reihenfolge subjektiv und wie immer Geschmackssache. Trotzdem gibt es hier für jeden sehenswerte und besondere Filme zu entdecken.
Für die Liste haben wir die Bewertungen von diversen Filmportalen als Grundlage genommen, das Ranking beruht also nicht nur auf unseren eigenen Einschätzungen, sondern auf den Bewertungen der internationalen Filmkritik.
Wenn du wissen möchtest, wo du die Filme aktuell sehen kannst, empfehlen wir die Plattform werstreamt.es.
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1. Parasite (2019)
Ein Film, der Geschichte schrieb. Als erster nicht-englischsprachiger Beitrag gewann „Parasite“ den Oscar für den besten Film und wurde weltweit zum Phänomen. Bong Joon-ho verbindet Thriller, Komödie und Sozialdrama zu einem vielschichtigen Kommentar auf soziale Ungleichheit und Klassenverhältnisse. Die Geschichte einer armen Familie, die sich nach und nach in das Leben einer reichen Familie einschleicht, ist voller Wendungen, doppelter Böden und düsterem Witz. Der Film ist präzise inszeniert, visuell pointiert und thematisch universell. Selten war Gesellschaftskritik so unterhaltsam und bitter zugleich.
Regie: Bong Joon-ho
Hauptdarsteller: Song Kang-ho, Choi Woo-shik, Park So-dam, Lee Sun-kyun
2. There Will Be Blood (2007)
Paul Thomas Andersons Öl-Epos ist eine düstere Allegorie auf Gier, Kapitalismus und den amerikanischen Mythos. Im Zentrum steht Daniel Plainview, ein Unternehmer, der sich vom einsamen Prospektor zum mächtigen Ölbaron entwickelt und dabei alle menschlichen Beziehungen opfert. Die Erzählung ist nüchtern und intensiv, getragen von einem atemberaubend konzentrierten Daniel Day-Lewis, dessen Performance die Grenzen zwischen Figur und Wahnsinn verschwimmen lässt. Die Kamera von Robert Elswit fängt eine harsche, fast biblische Landschaft ein, während Jonny Greenwoods avantgardistische Musik den Film mit unheilvoller Spannung auflädt. Kein anderer Film des Jahrtausends hat die Verbindungen zwischen wirtschaftlicher Macht, religiösem Fanatismus und persönlichem Verfall so eindringlich erzählt.
Regie: Paul Thomas Anderson
Hauptdarsteller: Daniel Day-Lewis, Paul Dano, Dillon Freasier
3. In the Mood for Love (2000)
Kaum ein Film hat so viel Gefühl in so minimalistischer Form transportiert wie „In the Mood for Love“. Wong Kar-wai erzählt die Geschichte zweier Menschen, deren Ehepartner eine Affäre haben. Anstatt Rache zu üben, nähern sie sich behutsam einander an. Die Beziehung bleibt platonisch, aber emotional intensiv. Die betörende Kameraarbeit von Christopher Doyle, die präzise Ausstattung und die melancholische Musik schaffen eine Atmosphäre zeitloser Eleganz. Maggie Cheung und Tony Leung verkörpern Zurückhaltung, Würde und tiefe Verletztheit in jeder Szene. Ein leiser, bildgewaltiger Film über Sehnsucht und das Nicht-Erfüllte.
Regie: Wong Kar-wai
Hauptdarsteller: Maggie Cheung, Tony Leung Chiu-wai, Siu Ping Lam
4. Spirited Away (2001)
Hayao Miyazakis preisgekrönter Animationsfilm erzählt die Geschichte der zehnjährigen Chihiro, die in eine geheimnisvolle Geisterwelt gerät, in der ihre Eltern in Schweine verwandelt werden. Was wie ein Kinderfilm beginnt, entpuppt sich als vielschichtiges Werk über Identität, Arbeitsethik, Konsumkritik und das Erwachsenwerden. Die visuelle Gestaltung ist detailverliebt und surreal, die Charaktere sind so originell wie rätselhaft. „Spirited Away“ verbindet klassische Märchenelemente mit der Bildsprache japanischer Mythologie zu einem Werk, das in seiner Tiefe und künstlerischen Kraft kaum Vergleichbares kennt.
Regie: Hayao Miyazaki
Hauptdarsteller: Rumi Hiiragi, Miyu Irino, Mari Natsuki (Originalstimmen)
5. Mulholland Drive (2001)
David Lynch erschafft mit „Mulholland Drive“ einen Film, der sich allen herkömmlichen Erzählstrukturen entzieht. In Los Angeles, der Stadt der Träume und Illusionen, entspinnt sich eine Geschichte über zwei Frauen, deren Identitäten miteinander zu verschmelzen scheinen. Naomi Watts liefert eine atemberaubende Performance zwischen Naivität und Wahnsinn. Der Film pendelt zwischen Traum und Realität, zwischen Begehren und Verlust. Lynch nutzt die Mittel des Noir und des psychologischen Dramas, um eine erschütternde Meditation über Hollywood, Selbsttäuschung und den Preis des Erfolgs zu inszenieren. Rätselhaft, unvergesslich und offen für unzählige Interpretationen.
Regie: David Lynch
Hauptdarsteller: Naomi Watts, Laura Harring, Justin Theroux
6. Everything Everywhere All At Once (2022)
Ein Film wie kein anderer: Daniel Kwan und Daniel Scheinert erzählen von einer chinesisch-amerikanischen Waschsalonbesitzerin, die unvermittelt ins Multiversum gerissen wird. Was folgt, ist ein rauschhaftes, zutiefst emotionales Spektakel über Identität, Familie, Schuld, Queerness und alternative Lebensentwürfe. Formal radikal, zwischen Martial-Arts-Komödie, Science-Fiction, Philosophie und Slapstick, wechselt der Film permanent Tempo, Stil und Ton. Michelle Yeoh, Ke Huy Quan und Stephanie Hsu liefern überragende Performances. Der Film gewann sieben Oscars, darunter Bester Film, und wurde zur vielleicht prägendsten Kinoerfahrung der 2020er Jahre.
Regie: Daniel Kwan, Daniel Scheinert
Hauptdarsteller: Michelle Yeoh, Ke Huy Quan, Stephanie Hsu, Jamie Lee Curtis, James Hong
7. Boyhood (2014)
Richard Linklater begleitete denselben Schauspieler über zwölf Jahre hinweg, um die Entwicklung eines Jungen vom Kind zum jungen Erwachsenen authentisch einzufangen. Dieses Langzeitprojekt verleiht „Boyhood“ eine ungewohnte Intimität. Statt dramatischer Höhepunkte setzt der Film auf die alltäglichen Momente, die das Leben formen. Ellar Coltrane wächst buchstäblich vor den Augen des Publikums, begleitet von Ethan Hawke und Patricia Arquette in ebenso nuancierten Rollen. „Boyhood“ ist keine nostalgische Rückschau, sondern ein präziser Blick auf die unaufgeregten Realitäten des Aufwachsens.
Regie: Richard Linklater
Hauptdarsteller: Ellar Coltrane, Patricia Arquette, Ethan Hawke, Lorelei Linklater
8. The Social Network (2010)
Ein Film über Facebook, der nicht über Technik, sondern über Macht, Einsamkeit und Verrat erzählt. David Fincher und Drehbuchautor Aaron Sorkin zeichnen das Porträt von Mark Zuckerberg als kühlen, brillanten Außenseiter, der mit einer bahnbrechenden Idee die Welt verändert und dabei fast alle zwischenmenschlichen Beziehungen opfert. Der Film lebt vom schnellen, scharfen Dialog, dem düsteren Score von Trent Reznor und der präzisen Inszenierung. „The Social Network“ ist nicht nur ein Zeitdokument, sondern auch ein filmischer Spiegel für eine Ära der digitalen Entfremdung.
Regie: David Fincher
Hauptdarsteller: Jesse Eisenberg, Andrew Garfield, Justin Timberlake, Rooney Mara
9. Eternal Sunshine of the Spotless Mind (2004)
Die Idee, Erinnerungen an eine gescheiterte Beziehung löschen zu lassen, klingt zunächst nach Science-Fiction. Doch Michel Gondry und Drehbuchautor Charlie Kaufman machen daraus ein zutiefst menschliches Drama über Liebe, Erinnerung und Verlust. Jim Carrey spielt gegen sein komödiantisches Image einen verletzlichen, introvertierten Mann, der sich an seine große Liebe (Kate Winslet) nicht mehr erinnern will – und es trotzdem nicht kann. Die fragmentierte Erzählstruktur, die surrealen Bilder und die emotionale Wucht machen „Eternal Sunshine“ zu einem der originellsten Liebesfilme des Jahrhunderts.
Regie: Michel Gondry
Hauptdarsteller: Jim Carrey, Kate Winslet, Kirsten Dunst, Mark Ruffalo
10. Children of Men (2006)
In einer Welt, in der seit Jahren keine Kinder mehr geboren wurden, erzählt Alfonso Cuarón die Geschichte eines Mannes, der die letzte schwangere Frau der Menschheit beschützen soll. Der Film beeindruckt nicht nur durch seine düstere Vision einer nahen Zukunft, sondern auch durch seine visuelle Umsetzung. Mehrere Szenen wurden als lange Plansequenzen gedreht, darunter ein atemberaubender Straßenkampf, der filmhistorisch Maßstäbe setzte. Clive Owen spielt die Hauptrolle mit einer Mischung aus Müdigkeit und stiller Entschlossenheit. „Children of Men“ ist ein Werk von politischer Dringlichkeit und technischer Brillanz.
Regie: Alfonso Cuarón
Hauptdarsteller: Clive Owen, Julianne Moore, Clare-Hope Ashitey, Michael Caine
11. 12 Years a Slave (2013)
Steve McQueens Adaption der autobiografischen Erinnerungen von Solomon Northup ist ein unerschütterlicher Blick auf die Grausamkeit der amerikanischen Sklaverei. Der Film verzichtet auf melodramatische Erleichterungen und zeigt stattdessen mit schmerzhafter Klarheit das Leid und die Entmenschlichung eines freien Mannes, der entführt und versklavt wird. Chiwetel Ejiofor spielt die Hauptrolle mit stiller Würde, während Michael Fassbender als brutaler Plantagenbesitzer eine der erschreckendsten Antagonistenfiguren der letzten Jahre verkörpert. Die formale Strenge, der historische Realismus und die moralische Dringlichkeit machen „12 Years a Slave“ zu einem Meilenstein des politischen Kinos.
Regie: Steve McQueen
Hauptdarsteller: Chiwetel Ejiofor, Lupita Nyong’o, Michael Fassbender, Benedict Cumberbatch
12. Arrival (2016)
Science-Fiction ohne Bombast, dafür mit philosophischer Tiefe. Denis Villeneuve nimmt das erste Kontaktmotiv und transformiert es in eine Geschichte über Sprache, Zeit und Verlust. Amy Adams spielt eine Linguistin, die mit außerirdischen Besuchern kommuniziert und dabei grundlegende Fragen über Bewusstsein und Erinnerung erfährt. Der Film entwickelt seine Spannung nicht aus Konfrontation, sondern aus Erkenntnis. Die melancholische Musik von Jóhann Jóhannsson und das visuelle Konzept unterstützen die ruhige, konzentrierte Atmosphäre. „Arrival“ zeigt, wie emotional aufgeladen und intellektuell anspruchsvoll Genre-Kino sein kann.
Regie: Denis Villeneuve
Hauptdarsteller: Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker
13. Babel (2006)
Alejandro González Iñárritu erzählt in „Babel“ vier miteinander verknüpfte Geschichten auf vier Kontinenten, die von Sprachbarrieren, Missverständnissen und kulturellen Spannungen handeln. Der Film untersucht die Fragilität menschlicher Kommunikation und die globalen Verflechtungen persönlicher Schicksale. Stilistisch konsequent und narrativ ambitioniert verwebt Iñárritu die Handlungsstränge mit dokumentarischer Kameraarbeit und emotionaler Intensität. Cate Blanchett, Rinko Kikuchi und Adriana Barraza gehören zu den herausragenden Darstellerinnen dieses globalen Mosaiks. „Babel“ bleibt eine kraftvolle Reflexion über Schuld, Isolation und Mitgefühl.
Regie: Alejandro González Iñárritu
Hauptdarsteller: Brad Pitt, Cate Blanchett, Rinko Kikuchi, Gael García Bernal
14. Before Sunset (2004)
Neun Jahre nach „Before Sunrise“ treffen Jesse und Céline erneut aufeinander – dieses Mal in Paris. Richard Linklater setzt auf Echtzeit, fließende Dialoge und minimale Handlung, um die Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen zu erforschen. Ethan Hawke und Julie Delpy haben ihre Rollen mitentwickelt und bringen spürbare Reife, Verletzlichkeit und Ironie in ihre Figuren ein. „Before Sunset“ ist ein Gesprächsfilm, der von unausgesprochenen Gefühlen lebt, von verpassten Chancen und unauslöschlicher Nähe. Selten wurde eine Liebesgeschichte so beiläufig und gleichzeitig so intensiv erzählt.
Regie: Richard Linklater
Hauptdarsteller: Ethan Hawke, Julie Delpy
15. The Dark Knight (2008)
Christopher Nolan schuf mit dem zweiten Teil seiner Batman-Trilogie einen modernen Thriller, der weit über das Genre des Superheldenfilms hinausgeht. In düsteren Bildern entfaltet sich ein moralisch aufgeladener Kampf zwischen Ordnung und Chaos. Heath Ledger liefert als Joker eine ikonische, verstörende Darstellung, die den Film dominiert und posthum mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Nolan verknüpft Spannung, philosophische Fragen und komplexe Figurenzeichnung zu einem Blockbuster, der Anspruch und Unterhaltung vereint. „The Dark Knight“ veränderte die Wahrnehmung dessen, was Mainstreamkino leisten kann.
Regie: Christopher Nolan
Hauptdarsteller: Christian Bale, Heath Ledger, Aaron Eckhart, Maggie Gyllenhaal
16. Drive (2011)
Nicolas Winding Refn kombiniert in „Drive“ brutalistische Coolness mit melancholischer Romantik. Ryan Gosling spielt einen namenlosen Fahrer, der tagsüber als Stuntman arbeitet und nachts Fluchtwagen fährt. Seine stille Präsenz steht im Kontrast zur eruptiven Gewalt des Films, die in radikal stilisierten Bildern inszeniert ist. Der synthetische Soundtrack, die visuelle Klarheit und die Reduktion auf archetypische Rollen verleihen dem Film eine fast mythische Aura. „Drive“ ist Neo-Noir für das 21. Jahrhundert, ästhetisch durchkomponiert und emotional unterkühlt.
Regie: Nicolas Winding Refn
Hauptdarsteller: Ryan Gosling, Carey Mulligan, Bryan Cranston, Albert Brooks
17. Her (2013)
Spike Jonze erzählt in „Her“ die Geschichte eines Mannes, der sich in ein Betriebssystem verliebt. Was wie eine absurde Prämisse klingt, wird zu einem feinfühligen Porträt moderner Einsamkeit und emotionaler Abhängigkeit. Joaquin Phoenix spielt seine Rolle mit leiser Sensibilität, während Scarlett Johansson der KI ihre Stimme leiht und dabei mehr Menschlichkeit transportiert als viele reale Figuren. Die visuelle Gestaltung zwischen Retro und Zukunft, die warmen Farbtöne und der ruhige Tonfall machen „Her“ zu einem der eindrücklichsten Filme über Technologie und Intimität.
Regie: Spike Jonze
Hauptdarsteller: Joaquin Phoenix, Scarlett Johansson (Stimme), Amy Adams, Rooney Mara
18. Inside Llewyn Davis (2013)
Die Coen-Brüder begleiten in ihrem melancholischen Folkfilm einen erfolglosen Musiker durch das New York der frühen 60er Jahre. Oscar Isaac verkörpert Llewyn Davis als zynischen, aber verletzlichen Künstler, der am Rand der Szene lebt und an seinem eigenen Anspruch scheitert. Der Film ist durchzogen von elegischen Songs, ironischer Distanz und einer resignierten Grundstimmung. Jeder Moment wirkt bewusst gesetzt, jedes Detail erzählt von kultureller Atmosphäre. „Inside Llewyn Davis“ ist ein Film über das Verlorensein und die Schönheit der Zwecklosigkeit.
Regie: Ethan und Joel Coen
Hauptdarsteller: Oscar Isaac, Carey Mulligan, Justin Timberlake, John Goodman
19. Manchester by the Sea (2016)
Kenneth Lonergans Film über einen Mann, der nach dem Tod seines Bruders die Vormundschaft für seinen Neffen übernimmt, ist ein stilles Drama über Trauer, Schuld und Unversöhnlichkeit. Casey Affleck spielt mit großer Zurückhaltung und emotionaler Tiefe einen Mann, der innerlich zerbrochen ist. Der Film verzichtet auf dramatische Überhöhung und vertraut auf präzise Dialoge und echte Gefühle. Die kühle Küstenlandschaft von Massachusetts spiegelt den inneren Zustand der Figuren. „Manchester by the Sea“ ist ein Film, der leise erzählt und lange nachwirkt.
Regie: Kenneth Lonergan
Hauptdarsteller: Casey Affleck, Michelle Williams, Lucas Hedges, Kyle Chandler
20. The Master (2012)
Paul Thomas Andersons Film über einen Weltkriegsveteranen, der sich einer charismatischen spirituellen Bewegung anschließt, ist eine Studie über Macht, Abhängigkeit und innere Leere. Joaquin Phoenix spielt mit roher Körperlichkeit einen Mann, der nach Halt sucht, während Philip Seymour Hoffman als manipulativer Sektenführer eine ebenso faszinierende wie beängstigende Figur darstellt. Formal streng, mit präziser Kameraarbeit und herausragender Musik von Jonny Greenwood, ist „The Master“ ein fordernder, vielschichtiger Film über Glaube, Kontrolle und die Unmöglichkeit der Erlösung.
Regie: Paul Thomas Anderson
Hauptdarsteller: Joaquin Phoenix, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams
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21. Lost in Translation (2003)
Sofia Coppola erzählt in „Lost in Translation“ von zwei Fremden in einer fremden Stadt, deren vorsichtige Annäherung zu einer der poetischsten Begegnungen des modernen Kinos wird. In der Anonymität Tokios entwickelt sich zwischen dem abgehalfterten Schauspieler Bob und der jungen Charlotte eine stille Verbindung. Bill Murray und Scarlett Johansson spielen mit feinster Nuancierung, getragen von Einsamkeit, Intuition und Humor. Der Film ist atmosphärisch dicht, zurückhaltend erzählt und voll leiser Melancholie. Ein stilles Meisterwerk über das Gefühl, sich selbst in einem anderen Menschen zu erkennen.
Regie: Sofia Coppola
Hauptdarsteller: Bill Murray, Scarlett Johansson, Giovanni Ribisi, Anna Faris
22. Moonlight (2016)
Barry Jenkins verfilmt in drei Kapiteln das Leben eines jungen, schwarzen Mannes in Miami, der mit Armut, Gewalt und seiner sexuellen Identität ringt. „Moonlight“ ist radikal in seiner Intimität und stilistisch außergewöhnlich sensibel. Die Geschichte wird nicht über äußere Handlung, sondern über Blicke, Berührungen und Stille erzählt. Die Lichtsetzung, die Musik und der Rhythmus der Montage erzeugen eine fast meditative Wirkung. Der Film gewann völlig zu Recht den Oscar als bester Film und steht exemplarisch für ein neues, mutigeres amerikanisches Autorenkino.
Regie: Barry Jenkins
Hauptdarsteller: Alex R. Hibbert, Ashton Sanders, Trevante Rhodes, Mahershala Ali, Naomie Harris
23. Requiem for a Dream (2000)
Darren Aronofsky verfilmt Hubert Selby Jr.s gleichnamigen Roman als visuelles und psychologisches Experiment über Abhängigkeit und Wahnsinn. Der Film zeigt vier Figuren, die durch Drogenkonsum immer weiter in Isolation, Halluzination und Verfall rutschen. Die hyperaktive Kamera, die Montage in Split-Screens und die wummernde Musik von Clint Mansell machen „Requiem for a Dream“ zu einem intensiven, oft schwer erträglichen Erlebnis. Jared Leto, Jennifer Connelly und Ellen Burstyn liefern herausragende Leistungen. Der Film bleibt einer der eindrucksvollsten Anti-Drogenfilme der Kinogeschichte.
Regie: Darren Aronofsky
Hauptdarsteller: Ellen Burstyn, Jared Leto, Jennifer Connelly, Marlon Wayans
24. Pan’s Labyrinth (2006)
Guillermo del Toro verbindet in „Pan’s Labyrinth“ Fantasy mit historischem Realismus. Im Spanien der Franco-Zeit flieht ein junges Mädchen in eine düstere Traumwelt, die ebenso gefährlich ist wie die Realität. Der Film konfrontiert das Publikum mit den Grausamkeiten des Faschismus, ohne in Didaktik zu verfallen. Die visuelle Gestaltung ist voller Symbolik und bildlicher Kraft, die Kreaturen sind bizarr und furchteinflößend zugleich. Del Toro zeigt, wie Genre-Kino emotionale Tiefe und politische Relevanz miteinander verbinden kann.
Regie: Guillermo del Toro
Hauptdarsteller: Ivana Baquero, Sergi López, Maribel Verdú, Doug Jones
25. Amores Perros (2000)
Alejandro González Iñárritu debütiert mit einem rohen, episodischen Film über das Leben dreier Menschen in Mexiko-Stadt, deren Schicksale durch einen Autounfall miteinander verknüpft sind. „Amores Perros“ ist wild, emotional, strukturell ambitioniert und mitreißend erzählt. Die Kameraarbeit ist nervös und nah an den Figuren, die Montage verdichtet das Geschehen zu einem intensiven Panorama urbaner Gewalt und Sehnsucht. Gael García Bernal wurde mit diesem Film international bekannt. Der Einfluss von „Amores Perros“ auf das Erzählkino der 2000er Jahre ist nicht zu überschätzen.
Regie: Alejandro González Iñárritu
Hauptdarsteller: Gael García Bernal, Emilio Echevarría, Goya Toledo, Vanessa Bauche
26. The Tree of Life (2011)
Terrence Malick entfaltet in „The Tree of Life“ eine lose erzählte Kindheitsgeschichte, die sich mit Fragen nach Glaube, Tod und Ursprung des Lebens verbindet. Die Kamera von Emmanuel Lubezki schwebt durch Erinnerungsfragmente, Naturbilder und kosmische Visionen. Brad Pitt spielt einen strengen Vater in einem texanischen Vorort, Jessica Chastain eine fast überirdisch stille Mutterfigur. Der Film polarisiert durch seine Assoziativität, aber gerade in seiner Offenheit liegt seine Kraft. Malick wagt hier nichts weniger als eine filmische Meditation über die Existenz selbst.
Regie: Terrence Malick
Hauptdarsteller: Brad Pitt, Jessica Chastain, Sean Penn, Hunter McCracken
27. Dogville (2003)
Lars von Trier inszeniert sein Drama um Schuld, Ausgrenzung und Gewalt in einem völlig stilisierten Bühnenraum ohne reale Kulissen. Nicole Kidman spielt eine Frau auf der Flucht, die in einem kleinen amerikanischen Dorf Zuflucht findet und zunehmend zur Projektionsfläche für Gier und Grausamkeit wird. Die formale Reduktion verstärkt die moralische Radikalität des Films. „Dogville“ ist verstörend, provokant und kompromisslos. Lars von Trier zeigt hier den amerikanischen Mythos als Konstruktion, die jederzeit in Gewalt umschlagen kann.
Regie: Lars von Trier
Hauptdarsteller: Nicole Kidman, Paul Bettany, Lauren Bacall, Stellan Skarsgård
28. Burning (2018)
Der südkoreanische Regisseur Lee Chang-dong verfilmt eine Kurzgeschichte von Haruki Murakami und macht daraus ein rätselhaftes Psychodrama. In „Burning“ trifft ein junger Mann auf eine ehemalige Schulfreundin und deren charismatischen Begleiter. Aus dieser Konstellation entwickelt sich ein Film über Klassenunterschiede, unerfüllte Sehnsucht und verschwundene Gewissheiten. Die Spannung entsteht aus Andeutungen, Leerstellen und der langsamen Auflösung klarer Identitäten. Steven Yeun liefert eine verstörende Performance als möglicher Mörder. „Burning“ ist präzises Kino voller Zwischentöne.
Regie: Lee Chang-dong
Hauptdarsteller: Yoo Ah-in, Steven Yeun, Jeon Jong-seo
29. Slumdog Millionaire (2008)
Danny Boyles Überraschungserfolg erzählt die Geschichte eines Jungen aus den Slums von Mumbai, der in der indischen Version von „Wer wird Millionär?“ bis zur letzten Frage kommt. Durch Rückblenden wird deutlich, wie sein Leben ihn auf jede Antwort vorbereitet hat. Der Film ist temporeich, emotional aufgeladen und voller Kontraste zwischen Elend und Hoffnung. Die Musik von A. R. Rahman verstärkt den Rhythmus der Erzählung. „Slumdog Millionaire“ wurde mit acht Oscars ausgezeichnet und avancierte zum globalen Publikumserfolg mit sozialem Unterton.
Regie: Danny Boyle
Hauptdarsteller: Dev Patel, Freida Pinto, Anil Kapoor, Irrfan Khan
30. A Separation (2011)
Asghar Farhadis Meisterwerk beginnt mit einer scheinbar simplen Scheidung und entfaltet sich zu einem komplexen Drama über Wahrheit, Schuld und gesellschaftliche Zwänge im heutigen Iran. Mit präziser Beobachtung und subtiler Dramaturgie verwebt der Film moralische Dilemmata und soziale Realitäten. Die Darsteller agieren mit großer Glaubwürdigkeit, die Inszenierung ist zurückhaltend und dicht. „A Separation“ wurde mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet und gilt als Höhepunkt des modernen iranischen Kinos.
Regie: Asghar Farhadi
Hauptdarsteller: Leila Hatami, Peyman Moaadi, Sareh Bayat, Shahab Hosseini
31. Under the Skin (2013)
Jonathan Glazer inszeniert ein fremdes Wesen in einer menschlichen Hülle, gespielt von Scarlett Johansson, das in Schottland durch nächtliche Städte streift und Männer verführt, um sie verschwinden zu lassen. Der Film bricht mit allen Erzählkonventionen und wird zum verstörenden, fast experimentellen Erlebnis. Die reduzierte Bildsprache, der unheimliche Soundtrack von Mica Levi und die Mischung aus dokumentarischer Realität und kühler Science-Fiction schaffen ein Kinoerlebnis, das sich rational kaum fassen lässt. „Under the Skin“ ist radikal in Form und Inhalt und gehört zu den eigenwilligsten Filmen seiner Zeit.
Regie: Jonathan Glazer
Hauptdarsteller: Scarlett Johansson, Adam Pearson, Jeremy McWilliams
32. The Lives of Others (2006)
Florian Henckel von Donnersmarcks Debütfilm beleuchtet das Leben eines Stasi-Offiziers, der in den 1980er Jahren einen Schriftsteller bespitzelt und dabei in eine moralische Krise gerät. Ulrich Mühe spielt diese langsame Wandlung mit eindrucksvoller Zurückhaltung. Der Film zeigt das perfide System staatlicher Überwachung in der DDR, ohne die Figuren auf einfache Täter-Opfer-Schemata zu reduzieren. Präzise inszeniert und dramaturgisch klug verdichtet, gewann „Das Leben der Anderen“ den Oscar für den besten fremdsprachigen Film und wurde international als starkes Stück Erinnerungskultur gewürdigt.
Regie: Florian Henckel von Donnersmarck
Hauptdarsteller: Ulrich Mühe, Martina Gedeck, Sebastian Koch
33. Toni Erdmann (2016)
Maren Ades Vater-Tochter-Drama mit komischem Unterton erzählt vom Scheitern zwischenmenschlicher Kommunikation und der Absurdität des modernen Arbeitslebens. Peter Simonischek spielt einen Alt-68er, der sich als alberne Kunstfigur in das Leben seiner karrierefixierten Tochter (Sandra Hüller) drängt. Der Film entfaltet über fast drei Stunden hinweg eine irritierende Mischung aus Klamauk und Tiefgang, durchzogen von Fremdscham und existenzieller Leere. „Toni Erdmann“ wurde weltweit gefeiert, als möglicher Wendepunkt des europäischen Autorenkinos, in dem Witz und Ernst eine unerwartete Allianz eingehen.
Regie: Maren Ade
Hauptdarsteller: Peter Simonischek, Sandra Hüller, Michael Wittenborn
34. Blue is the Warmest Colour (2013)
Die Liebesgeschichte zweier junger Frauen wird in Abdellatif Kechiches Film mit fast dokumentarischer Intensität erzählt. Léa Seydoux und Adèle Exarchopoulos verkörpern ihre Rollen mit schonungsloser Offenheit, körperlich wie emotional. Der Film verfolgt das Erwachen, Aufblühen und Zerbrechen einer Liebe in epischer Länge, ohne auf dramaturgische Zuspitzungen zu setzen. Er bleibt bei Blicken, Gesprächen, Berührungen – immer nah an den Figuren. „Blue is the Warmest Colour“ gewann die Goldene Palme in Cannes, inklusive einer seltenen Auszeichnung für die beiden Hauptdarstellerinnen.
Regie: Abdellatif Kechiche
Hauptdarsteller: Adèle Exarchopoulos, Léa Seydoux, Salim Kechiouche
35. Son of Saul (2015)
László Nemes erzählt das Grauen des Holocausts aus radikal subjektiver Perspektive. Die Kamera bleibt durchgehend nah am Gesicht des Häftlings Saul, der im Vernichtungslager Auschwitz einem Jungen ein jüdisches Begräbnis ermöglichen will. Die Gewalt geschieht am Rand, im Unsichtbaren, hörbar, aber nie explizit gezeigt. Der Film verzichtet auf Pathos und distanzierende Bilder und zwingt das Publikum in eine beklemmend unmittelbare Erfahrung. „Son of Saul“ erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Grand Prix in Cannes und den Oscar für den besten fremdsprachigen Film.
Regie: László Nemes
Hauptdarsteller: Géza Röhrig, Levente Molnár, Urs Rechn
36. No Country for Old Men (2007)
Die Coen-Brüder adaptieren Cormac McCarthys düsteren Roman und machen daraus einen kargen, spannungsreichen Neo-Western. Javier Bardem als Auftragskiller Anton Chigurh ist eine der furchteinflößendsten Figuren des modernen Kinos. Der Film verzichtet auf Musik und arbeitet mit langen Einstellungen, lakonischem Humor und philosophischem Subtext über Ordnung, Chaos und moralischen Verfall. Tommy Lee Jones und Josh Brolin runden das Ensemble ab. „No Country for Old Men“ gewann vier Oscars und wird heute als eines der stärksten Werke der Coens betrachtet.
Regie: Joel und Ethan Coen
Hauptdarsteller: Josh Brolin, Javier Bardem, Tommy Lee Jones, Kelly Macdonald
37. Brokeback Mountain (2005)
Ang Lees Drama über zwei Cowboys, die sich in den 1960er Jahren verlieben und über Jahrzehnte hinweg in einer heimlichen Beziehung verbunden bleiben, war ein Meilenstein queerer Repräsentation im Mainstreamkino. Heath Ledger und Jake Gyllenhaal spielen mit großer Zurückhaltung und innerer Spannung. Die Landschaftsaufnahmen stehen in Kontrast zur emotionalen Enge, die die Figuren umgibt. Der Film erzählt nicht von Skandal oder Tabubruch, sondern von Liebe, Angst und gesellschaftlichem Druck. „Brokeback Mountain“ wurde vielfach ausgezeichnet und bleibt ein zentraler Film der LGBTQ+-Filmgeschichte.
Regie: Ang Lee
Hauptdarsteller: Heath Ledger, Jake Gyllenhaal, Michelle Williams, Anne Hathaway
38. The Grand Budapest Hotel (2014)
Wes Anderson entwirft eine farbenfrohe, detailverliebte Welt, die zugleich nostalgisch, komisch und melancholisch ist. In einem fiktiven osteuropäischen Hotel entwickelt sich eine abenteuerliche Geschichte rund um einen legendären Concierge und einen jungen Pagen. Ralph Fiennes liefert eine brillante Mischung aus Exzentrik und Eleganz. Die typischen Symmetrien und Farbpaletten Andersons sind hier besonders ausgeprägt, aber nie Selbstzweck. Der Film ist zugleich Hommage an das europäische Kino, Märchen und Reflexion über den Verlust einer vergangenen Welt. Einer der zugänglichsten und zugleich komplexesten Filme des Regisseurs.
Regie: Wes Anderson
Hauptdarsteller: Ralph Fiennes, Tony Revolori, Saoirse Ronan, Adrien Brody, Willem Dafoe
39. Inside Out (2015)
Pixar gelang mit „Inside Out“ ein Kunststück: ein Kinderfilm über Gefühle, der zugleich als psychologisches Drama und als Metapher für das Erwachsenwerden funktioniert. Die Emotionen im Kopf eines jungen Mädchens – Freude, Wut, Angst, Ekel und Traurigkeit – werden zu Hauptfiguren, die um die Kontrolle ringen. Der Film erklärt komplexe emotionale Prozesse mit spielerischer Leichtigkeit und berührt dabei Kinder wie Erwachsene. Die kreative Weltgestaltung und der dramaturgisch mutige Umgang mit Traurigkeit als zentrale Kraft machen „Inside Out“ zu einem der klügsten Animationsfilme des Jahrhunderts.
Regie: Pete Docter
Hauptdarsteller: Amy Poehler, Phyllis Smith, Richard Kind, Bill Hader (Originalstimmen)
40. Synecdoche, New York (2008)
Charlie Kaufmans Regiedebüt ist eine düstere, hochkomplexe Meditation über Kunst, Erinnerung und Sterblichkeit. Philip Seymour Hoffman spielt einen Theaterregisseur, der eine überdimensionale Nachbildung seines eigenen Lebens als Kunstprojekt inszeniert – und sich darin verliert. Realität, Fiktion, Innenwelt und Außenwelt verschwimmen zusehends. Der Film ist anspruchsvoll, sperrig und existenziell. Kaufman entfaltet eine Art filmisches Labyrinth, das ebenso frustrierend wie faszinierend ist. „Synecdoche, New York“ wurde zunächst nur von wenigen wahrgenommen, gilt aber heute als Kultfilm unter Cinephilen.
Regie: Charlie Kaufman
Hauptdarsteller: Philip Seymour Hoffman, Samantha Morton, Michelle Williams, Catherine Keener
41. Gravity (2013)
Alfonso Cuarón inszeniert mit „Gravity“ ein visuelles Erlebnis, das den Begriff der Raumfahrt im Kino neu denkt. Sandra Bullock spielt eine Astronautin, die nach einem Unglück im Orbit ums Überleben kämpft. Die Inszenierung nutzt lange Plansequenzen, realistische Geräuschlosigkeit im All und immersive 3D-Technik auf bisher unerreichtem Niveau. Der Film ist technisch brillant, aber nie nur Spektakel – er bleibt auf seine Hauptfigur fokussiert, deren Überlebenskampf auch ein innerer Neuanfang ist. „Gravity“ gewann sieben Oscars und setzte Maßstäbe für visuelles Erzählen im Blockbuster-Kino.
Regie: Alfonso Cuarón
Hauptdarsteller: Sandra Bullock, George Clooney, Ed Harris (Stimme)
42. Das weiße Band (2009)
Michael Hanekes Schwarzweißfilm spielt in einem norddeutschen Dorf kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Eine Serie unerklärlicher Gewalttaten erschüttert die Gemeinschaft, deren vermeintliche Ordnung sich als repressives Machtgefüge entpuppt. In präziser, unterkühlter Bildsprache seziert Haneke die Mechanismen von Autorität, Schuld und kollektiver Verdrängung. „Das weiße Band“ ist ein Film über die Vorboten des Faschismus, der keine eindeutigen Antworten gibt, sondern verstörende Fragen aufwirft. Er wurde mit der Goldenen Palme in Cannes ausgezeichnet und gilt als Schlüsselwerk des europäischen Autorenkinos.
Regie: Michael Haneke
Hauptdarsteller: Christian Friedel, Leonie Benesch, Ulrich Tukur, Burghart Klaußner
43. Zodiac (2007)
David Finchers Chronik der Suche nach dem berüchtigten Zodiac-Killer in den 1970er Jahren ist weniger Thriller als eine obsessive Meditation über Wahrheit, Beweislast und die Grenzen der Erkenntnis. Jake Gyllenhaal, Mark Ruffalo und Robert Downey Jr. spielen Journalisten und Ermittler, die sich in den Spuren eines unsichtbaren Mörders verlieren. Der Film verzichtet auf typische Genrespannung und setzt stattdessen auf Detailtreue, Atmosphäre und ein Gefühl permanenter Unsicherheit. „Zodiac“ ist einer der raffiniertesten Filme über Obsession und das Bedürfnis, ein ungelöstes Rätsel zu verstehen.
Regie: David Fincher
Hauptdarsteller: Jake Gyllenhaal, Mark Ruffalo, Robert Downey Jr., Brian Cox
44. Kill Bill: Vol. 1 & 2 (2003/2004)
Quentin Tarantino zitiert, sampelt und stilisiert wie kein Zweiter. Mit „Kill Bill“ verneigt er sich vor Kung-Fu-Filmen, Spaghetti-Western, Yakuza-Kino und Popkultur gleichermaßen. Uma Thurman spielt die „Braut“, die sich nach einem Massaker an ihrer Hochzeitsgesellschaft auf einen blutigen Rachefeldzug begibt. Der erste Teil ist visuell überdreht und actiongeladen, der zweite ruhiger und stärker dialogorientiert. Zusammen ergeben sie ein filmisches Mosaik aus Gewalt, Pathos, Humor und Stilbewusstsein. Tarantino beweist hier, dass postmoderne Referenzkunst auch emotional funktionieren kann.
Regie: Quentin Tarantino
Hauptdarsteller: Uma Thurman, David Carradine, Lucy Liu, Daryl Hannah, Michael Madsen
45. Marriage Story (2019)
Noah Baumbach inszeniert das Ende einer Ehe nicht als Eklat, sondern als schmerzhafte Transformation. Adam Driver und Scarlett Johansson spielen ein Künstlerpaar, das sich trennt, ohne einander loslassen zu können. Die Dialoge sind präzise, die Konflikte nachvollziehbar, die Inszenierung reduziert, aber eindringlich. Baumbach gelingt es, beide Seiten der Geschichte mit Empathie zu beleuchten. „Marriage Story“ gehört zu den präzisesten Beziehungsfilmen des modernen US-Kinos, getragen von zwei Hauptdarsteller:innen in Höchstform und einer stillen Beobachtungsgabe.
Regie: Noah Baumbach
Hauptdarsteller: Adam Driver, Scarlett Johansson, Laura Dern, Ray Liotta
46. Capernaum (2018)
Nadine Labakis libanesisches Sozialdrama erzählt von einem Jungen, der seine Eltern verklagt, weil sie ihm das Leben geschenkt haben. Was konstruiert klingt, wird in „Capernaum“ zu einem zutiefst bewegenden Porträt von Kinderarmut, Migration und familiärer Vernachlässigung. Der Film arbeitet mit Laiendarsteller:innen und einem dokumentarischen Blick, ohne in Elendsvoyeurismus zu verfallen. Die visuelle Sprache ist direkt und empathisch, die Geschichte erschütternd ehrlich. „Capernaum“ wurde international gefeiert und erhielt eine Oscar-Nominierung als bester fremdsprachiger Film.
Regie: Nadine Labaki
Hauptdarsteller: Zain Al Rafeea, Yordanos Shiferaw, Boluwatife Treasure Bankole
47. Incendies (2010)
Denis Villeneuve erzählt in „Incendies“ die Geschichte zweier Geschwister, die nach dem Tod ihrer Mutter deren Vergangenheit im Bürgerkrieg des Nahen Ostens rekonstruieren. Die Handlung entwickelt sich als spannungsgeladenes Puzzle, das sich schrittweise zu einer erschütternden Enthüllung verdichtet. Der Film ist klug konstruiert, bildlich eindringlich und thematisch komplex – es geht um Identität, Trauma, Herkunft und Vergebung. Villeneuve zeigt hier bereits das erzählerische Gespür, das später auch seine Science-Fiction-Arbeiten prägen sollte.
Regie: Denis Villeneuve
Hauptdarsteller: Lubna Azabal, Mélissa Désormeaux-Poulin, Maxim Gaudette, Rémy Girard
48. The Act of Killing (2012)
Joshua Oppenheimers Dokumentarfilm lässt ehemalige indonesische Todesschwadronen ihre Morde nachinszenieren – in der Ästhetik von Western, Gangsterfilmen und Musicals. Das Ergebnis ist ein erschütterndes Experiment zwischen Wahrheit und Wahnsinn, das nicht erklärt, sondern sichtbar macht. Der Film zeigt die Mechanismen von Verdrängung, Machtfantasien und historischer Amnesie auf radikal neue Weise. „The Act of Killing“ veränderte nachhaltig, was dokumentarisches Kino leisten kann. Werner Herzog und Errol Morris unterstützten den Film als Produzenten.
Regie: Joshua Oppenheimer
Hauptdarsteller: Anwar Congo, Herman Koto, Adi Zulkadry (sich selbst spielend)
49. Shoplifters (2018)
Hirokazu Kore-edas Familiendrama erzählt von einer Gruppe von Menschen, die in prekären Verhältnissen zusammenleben und ihren Alltag durch kleine Diebstähle überstehen. Der Film beobachtet mit großer Wärme, wie zwischen ihnen echte Fürsorge entsteht – bis ein Ereignis alles infrage stellt. „Shoplifters“ stellt die Begriffe von Familie, Moral und Zugehörigkeit radikal infrage. Die subtile Kamera und das leise Spiel der Darsteller:innen lassen viel Raum für Zwischentöne. Der Film gewann die Goldene Palme in Cannes und wurde weltweit gefeiert.
Regie: Hirokazu Kore-eda
Hauptdarsteller: Lily Franky, Sakura Ando, Mayu Matsuoka, Kairi Jō
50. The Revenant (2015)
Alejandro G. Iñárritu erzählt mit „The Revenant“ eine archaische Geschichte über Rache, Überleben und Naturgewalt. Leonardo DiCaprio spielt einen Trapper, der von seinen Gefährten schwer verletzt zurückgelassen wird und sich durch die Wildnis kämpft. Gedreht wurde ausschließlich mit natürlichem Licht, unter extremen Bedingungen. Die Kamera von Emmanuel Lubezki gleitet durch gefrorene Landschaften und schafft eine fast spirituelle Nähe zur Natur. Der Film ist rau, körperlich und bildgewaltig. DiCaprio erhielt für seine wortkarge, physische Performance den lange erwarteten Oscar.
Regie: Alejandro G. Iñárritu
Hauptdarsteller: Leonardo DiCaprio, Tom Hardy, Domhnall Gleeson, Will Poulter
51. The Handmaiden (2016)
Park Chan-wook adaptiert den viktorianischen Roman Fingersmith von Sarah Waters und verlegt die Handlung ins koloniale Korea der 1930er Jahre. „The Handmaiden“ ist ein vielschichtiger Thriller über Betrug, Begehren und weibliche Selbstermächtigung. Die Erzählung entfaltet sich in verschachtelten Perspektiven und unerwarteten Wendungen, visuell opulent und bis ins kleinste Detail durchkomponiert. Erotik, Gewalt und Ästhetik greifen dabei ebenso selbstverständlich ineinander wie Genre und Subversion. Ein Film, der historische Kulisse und zeitgenössisches Kino virtuos verbindet.
Regie: Park Chan-wook
Hauptdarsteller: Kim Min-hee, Kim Tae-ri, Ha Jung-woo, Cho Jin-woong
52. 4 Months, 3 Weeks and 2 Days (2007)
Cristian Mungius Drama aus Rumänien erzählt von zwei Studentinnen, die in den 1980er Jahren eine illegale Abtreibung organisieren. Der Film bleibt nahe an den Figuren, nutzt lange Einstellungen und verzichtet fast vollständig auf Musik. Dadurch entsteht eine drückende, realistische Atmosphäre, die die Brutalität des Alltags in einer autoritären Gesellschaft spürbar macht. „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ ist kein agitatorisches Werk, sondern ein stilles, konsequent beobachtetes Stück Kino über Entscheidungsfreiheit, Verantwortung und Ohnmacht.
Regie: Cristian Mungiu
Hauptdarsteller: Anamaria Marinca, Laura Vasiliu, Vlad Ivanov
53. Dancer in the Dark (2000)
Lars von Triers Musical-Melodram mit der isländischen Sängerin Björk in der Hauptrolle ist ein emotionales Extrem: formal experimentell, inhaltlich gnadenlos. Björk spielt eine tschechische Einwanderin in den USA, die erblindet und für das Augenlicht ihres Sohnes alles opfert. Die harten Dogma-ähnlichen Realismuspassagen kontrastieren mit kunstvoll stilisierten Musiknummern. Der Film wurde kontrovers diskutiert, insbesondere wegen seiner emotionalen Grausamkeit, aber auch für seine Radikalität und formale Einzigartigkeit vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit der Goldenen Palme in Cannes.
Regie: Lars von Trier
Hauptdarsteller: Björk, Catherine Deneuve, David Morse, Peter Stormare
54. The Favourite (2018)
Yorgos Lanthimos inszeniert das britische Königshaus des frühen 18. Jahrhunderts als Intrigenspiel voller schwarzem Humor und emotionaler Grausamkeit. Olivia Colman spielt die fragile Königin Anne, die von zwei rivalisierenden Frauen um Macht und Nähe umworben wird. Rachel Weisz und Emma Stone liefern sich ein psychologisch präzises Duell, das mit trockenem Witz und bitterer Konsequenz eskaliert. Visuell opulent und erzählerisch provokant, ist „The Favourite“ eine brillante Dekonstruktion höfischer Machtmechanismen, erzählt mit einem Gespür für Absurdität und Abgründe.
Regie: Yorgos Lanthimos
Hauptdarsteller: Olivia Colman, Rachel Weisz, Emma Stone, Nicholas Hoult
55. The Hunt (2012)
Thomas Vinterberg erzählt in „Die Jagd“ von einem Kindergärtner, dem fälschlicherweise sexueller Missbrauch unterstellt wird. Der Film zeigt, wie schnell ein Mensch durch Gerüchte und Projektionen aus der Gesellschaft ausgestoßen werden kann. Mads Mikkelsen spielt die Hauptrolle mit stiller Intensität, sein Blick trägt den ganzen Film. Die Inszenierung bleibt nüchtern, doch die emotionale Wucht ist enorm. „The Hunt“ ist eine messerscharfe Analyse von Hysterie, Misstrauen und Gruppendynamik – und eine eindrückliche Studie über moralische Vorverurteilung.
Regie: Thomas Vinterberg
Hauptdarsteller: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Annika Wedderkopp, Susse Wold
56. Memories of Murder (2003)
Bevor Bong Joon-ho mit Parasite weltberühmt wurde, drehte er diesen atmosphärisch dichten Kriminalfilm über Südkoreas ersten dokumentierten Serienmordfall. Die Geschichte basiert auf wahren Ereignissen und folgt zwei grundverschiedenen Ermittlern, die an ihrer eigenen Hilflosigkeit zerbrechen. Der Film mischt Krimi, Gesellschaftskritik und schwarzen Humor auf unnachahmliche Weise. Die düstere Kameraarbeit, das bedrückende Provinzmilieu und der bittere Schluss machen Memories of Murder zu einem der einflussreichsten südkoreanischen Filme der letzten Jahrzehnte.
Regie: Bong Joon-ho
Hauptdarsteller: Song Kang-ho, Kim Sang-kyung, Kim Roe-ha
57. A Prophet (2009)
Jacques Audiards Gefängnisdrama erzählt vom Aufstieg eines jungen Arabers im französischen Strafvollzug. Der Protagonist beginnt als schüchterner Außenseiter und wird durch Anpassung, Gewalt und Intelligenz zum Strippenzieher hinter den Mauern. Der Film zeigt den Knast nicht als Ort der Läuterung, sondern als Schule der Macht. „Ein Prophet“ verbindet Genrespannung mit Gesellschaftsanalyse und war ein Meilenstein des französischen Gegenwartskinos. Er gewann unter anderem den Großen Preis der Jury in Cannes und war für den Oscar nominiert.
Regie: Jacques Audiard
Hauptdarsteller: Tahar Rahim, Niels Arestrup, Adel Bencherif
58. Anomalisa (2015)
Charlie Kaufman und Co-Regisseur Duke Johnson setzen in diesem Stop-Motion-Film auf eine Form, die kindlich wirken könnte, erzählen aber eine der erwachsensten Geschichten über Einsamkeit, Entfremdung und Beziehungsroutine. Die Hauptfigur, ein gelangweilter Motivationstrainer, begegnet einer Frau, die anders zu sein scheint als alle anderen. Der Trickfilm nutzt puppenhafte Figuren, um existenzielle Leere sichtbar zu machen. „Anomalisa“ ist lakonisch, traurig, feinfühlig – und ein außergewöhnliches Beispiel dafür, wie emotional Animation sein kann.
Regie: Charlie Kaufman, Duke Johnson
Hauptdarsteller: David Thewlis, Jennifer Jason Leigh, Tom Noonan (Stimmen)
59. City of God (2002)
Fernando Meirelles und Kátia Lund erzählen vom Aufstieg eines Drogenbosses in den Favelas von Rio de Janeiro. Basierend auf wahren Begebenheiten, entwickelt sich „City of God“ zu einem energiegeladenen, brutalen und formal innovativen Porträt einer Gesellschaft ohne staatliche Kontrolle. Der Stil ist atemlos, die Kamera immer in Bewegung, die Montage fragmentarisch. Trotz seiner Härte verzichtet der Film auf moralischen Zeigefinger und lässt die Realität für sich sprechen. Ein Schlüsselfilm des brasilianischen Kinos mit internationaler Wirkung.
Regie: Fernando Meirelles, Kátia Lund
Hauptdarsteller: Alexandre Rodrigues, Leandro Firmino, Phellipe Haagensen, Douglas Silva
60. Drive My Car (2021)
Ryusuke Hamaguchis Adaption einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami ist ein stilles, poetisches Drama über Verlust, Sprache und Nähe. Ein Theaterregisseur verarbeitet den Tod seiner Frau, während er in Hiroshima Tschechow inszeniert und sich allmählich einer jungen Chauffeurin öffnet. Der Film ist über drei Stunden lang, dabei nie langatmig. Er entwickelt eine subtile emotionale Dynamik, getragen von Blicken, Worten und Schweigen. Die Inszenierung ist zurückgenommen, aber präzise. „Drive My Car“ wurde 2022 mit dem Oscar für den besten internationalen Film ausgezeichnet.
Regie: Ryusuke Hamaguchi
Hauptdarsteller: Hidetoshi Nishijima, Tōko Miura, Reika Kirishima, Masaki Okada
61. Ida (2013)
Paweł Pawlikowskis in Schwarzweiß gedrehter Film erzählt von einer jungen Novizin, die kurz vor ihrem Eintritt ins Kloster erfährt, dass sie jüdische Wurzeln hat. Gemeinsam mit ihrer Tante begibt sie sich auf eine Reise durch das Nachkriegspolen der 1960er Jahre. Die Bildsprache ist streng komponiert, oft mit ungewöhnlichen Bildausschnitten und stillen Einstellungen. „Ida“ behandelt Schuld, Identität und Spiritualität in einer konzentrierten, fast meditativen Form. Der Film wurde mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet und machte Pawlikowski international bekannt.
Regie: Paweł Pawlikowski
Hauptdarsteller: Agata Trzebuchowska, Agata Kulesza, Dawid Ogrodnik
62. Oldboy (2003)
Park Chan-wooks Rachethriller aus Südkorea wurde nach seinem Erscheinen zu einem Kultfilm und prägte das internationale Verständnis von asiatischem Genre-Kino nachhaltig. Ein Mann wird fünfzehn Jahre ohne Erklärung eingesperrt und ebenso plötzlich freigelassen – nun beginnt seine Suche nach Antworten. Der Film ist exzessiv in Gewalt und Emotion, erzählt mit visuellem Erfindungsreichtum und komplexer Struktur. Besonders berühmt wurde eine Plansequenz in einem engen Flur, in der sich der Protagonist mit einem Hammer gegen eine Übermacht zur Wehr setzt. Brutal, philosophisch und formal virtuos.
Regie: Park Chan-wook
Hauptdarsteller: Choi Min-sik, Yoo Ji-tae, Kang Hye-jung
63. Persepolis (2007)
Marjane Satrapis autobiografischer Animationsfilm erzählt von ihrer Kindheit und Jugend im Iran zur Zeit der Islamischen Revolution. In schlichtem Schwarzweißstil gehalten, kombiniert „Persepolis“ persönliche Erinnerungen mit politischer Geschichte, Humor mit Melancholie. Der Film wechselt mühelos zwischen Alltagsbeobachtung, kultureller Kritik und feministischem Statement. Als Coming-of-Age-Geschichte einer jungen Frau in einer repressiven Gesellschaft bleibt „Persepolis“ eindrucksvoll aktuell – und zeigt, wie vielschichtig Animation sein kann.
Regie: Marjane Satrapi, Vincent Paronnaud
Hauptdarsteller: Chiara Mastroianni, Catherine Deneuve, Danielle Darrieux (Originalstimmen)
64. Yi Yi (2000)
Edward Yangs dreistündiges Familienporträt aus Taiwan ist ein ruhiger, beobachtender Film über drei Generationen in Taipeh. „Yi Yi“ zeigt keine dramatischen Brüche, sondern die kleinen Bewegungen des Lebens: eine Ehe in der Krise, eine Teenagerin zwischen erster Liebe und Desillusionierung, ein kleiner Junge mit philosophischen Beobachtungen. Der Film ist detailgenau und von großer Empathie getragen. In seiner stillen, epischen Breite entfaltet „Yi Yi“ eine Form von Kino, das durch Zurückhaltung wirkt und lange nachhallt.
Regie: Edward Yang
Hauptdarsteller: Wu Nien-jen, Elaine Jin, Kelly Lee, Jonathan Chang
65. Leviathan (2014)
Andrej Swjaginzews düsteres Porträt über einen Mann, der im Kampf gegen Korruption, Kirche und Staatsgewalt zermürbt wird, ist ein direkter Kommentar auf das heutige Russland. Visuell eindrucksvoll, mit weiten Landschaftsaufnahmen und symbolischer Schwere, entwickelt sich „Leviathan“ zu einer modernen Hiob-Parabel. Der Film zeigt das Individuum als Spielball eines zynischen Systems. Swjaginzew verknüpft Melodram, Gesellschaftskritik und Mythos zu einem der eindrücklichsten politischen Filme der 2010er Jahre.
Regie: Andrei Swjaginzew
Hauptdarsteller: Aleksei Serebryakov, Elena Lyadova, Roman Madyanov
66. Waltz with Bashir (2008)
Ari Folmans autobiografischer Animationsfilm ist eine visuelle Reise in die verdrängten Erinnerungen des Regisseurs an den Libanonkrieg. Der Film verknüpft dokumentarische Gesprächsszenen mit surreal animierten Kriegserinnerungen. Die stilisierte Ästhetik kontrastiert mit der Grausamkeit des Erlebten und stellt die Zuverlässigkeit des Erinnerns infrage. Die letzte Szene – reale Archivbilder aus Sabra und Schatila – bricht die Animation schockartig auf. „Waltz with Bashir“ ist ein ungewöhnlich kraftvoller Antikriegsfilm und ein Meilenstein im Animationsgenre für Erwachsene.
Regie: Ari Folman
Hauptdarsteller: Ari Folman, Ron Ben-Yishai, Miki Leon (Stimmen)
67. Little Miss Sunshine (2006)
Diese Independent-Komödie über eine chaotische Familie auf dem Weg zu einem Kinderschönheitswettbewerb war ein Überraschungserfolg – warmherzig, schräg und dennoch zutiefst menschlich. Zwischen tragischen Biografien und absurden Situationen gelingt den Filmemachern eine perfekte Balance aus Humor und Ernst. Die Ensembleleistung ist beeindruckend, besonders Alan Arkin und Abigail Breslin überzeugen in ihren Rollen. „Little Miss Sunshine“ ist ein Plädoyer für das Scheitern – und dafür, es trotzdem zu versuchen.
Regie: Jonathan Dayton, Valerie Faris
Hauptdarsteller: Steve Carell, Toni Collette, Greg Kinnear, Alan Arkin, Abigail Breslin
68. Wall-E (2008)
Pixar wagt sich mit Wall-E an eine nahezu dialogfreie Erzählung über einen einsamen Aufräumroboter auf einer verwüsteten Erde. Die erste halbe Stunde ist ein visuell poetisches Meisterstück über Isolation, Sehnsucht und Routine. Als Wall-E schließlich auf die hyperkonsumierende Menschheit im All trifft, wird der Film zur scharfen Satire auf Umweltzerstörung, digitale Entfremdung und Zukunftsverdrängung. Trotz seiner Ausrichtung auf ein Familienpublikum gelingt Pixar ein komplexes Werk, das Philosophie, Romantik und Gesellschaftskritik mühelos verbindet. Formal mutig, emotional zugänglich und thematisch relevant – ein moderner Klassiker.
Regie: Andrew Stanton
Hauptdarsteller: Ben Burtt (Stimme Wall-E), Elissa Knight (Stimme Eve), Jeff Garlin (Stimme Captain), Sigourney Weaver (Stimme Computer)
69. The Wrestler (2008)
Darren Aronofskys melancholisches Charakterdrama über einen gealterten Wrestling-Star brachte Mickey Rourke ein spätes Comeback. Der Film zeigt mit dokumentarischer Direktheit den körperlichen und seelischen Verfall eines Mannes, der nur im Ring Applaus erhält, im Alltag jedoch scheitert. Die Handkamera bleibt dicht an der Figur, die Musik ist sparsam eingesetzt, das Schauspiel enorm körperlich. „The Wrestler“ ist eine Geschichte über Einsamkeit, Würde und das verzweifelte Festhalten an einer Identität.
Regie: Darren Aronofsky
Hauptdarsteller: Mickey Rourke, Marisa Tomei, Evan Rachel Wood
70. The Wind Rises (2013)
Hayao Miyazakis letzter großer Spielfilm vor seinem angekündigten (und später revidierten) Rückzug ist eine biografisch inspirierte Geschichte über den Konstrukteur der japanischen Kampfflugzeuge im Zweiten Weltkrieg. Der Film verbindet künstlerische Leidenschaft mit moralischen Ambivalenzen und zeigt, wie Träume und Realität oft im Konflikt stehen. Trotz seines historischen Kontexts bleibt „The Wind Rises“ zutiefst persönlich, poetisch und visuell beeindruckend. Ein reifer, melancholischer Abschluss eines einzigartigen Werks – auch wenn Miyazaki später doch zurückkehrte.
Regie: Hayao Miyazaki
Hauptdarsteller: Hideaki Anno, Miori Takimoto, Hidetoshi Nishijima, Masahiko Nishimura (Originalstimmen)
71. The Florida Project (2017)
Sean Baker erzählt aus der Perspektive eines sechsjährigen Mädchens, das mit seiner jungen Mutter in einem billigen Motel nahe Disney World lebt. Die Erwachsenen kämpfen mit Armut und Perspektivlosigkeit, doch der Film zeigt das Leben der Kinder voller Energie, Neugier und Farbe. Visuell leuchtet das Bild in grellen Tönen, musikalisch bleibt alles reduziert. Willem Dafoe als Motelmanager spielt eine stille, warmherzige Figur inmitten einer prekären Welt. „The Florida Project“ ist ein einfühlsames Sozialdrama, das ohne Sozialkitsch auskommt.
Regie: Sean Baker
Hauptdarsteller: Brooklynn Prince, Bria Vinaite, Willem Dafoe
72. The Banshees of Inisherin (2022)
Martin McDonaghs schwarze Komödie über eine zerbrechende Männerfreundschaft auf einer irischen Insel entfaltet sich zu einer lakonischen Allegorie über Stolz, Einsamkeit und Unversöhnlichkeit. Colin Farrell und Brendan Gleeson spielen mit großer Präzision, zwischen tiefer Verzweiflung und lakonischem Humor. Die karge Landschaft, der reduzierte Score und die absurde Konsequenz der Handlung geben dem Film eine eigentümliche Schwere. „The Banshees of Inisherin“ ist eine bittere Komödie über emotionale Sturheit – und eine der prägnantesten Tragikomödien der letzten Jahre.
Regie: Martin McDonagh
Hauptdarsteller: Colin Farrell, Brendan Gleeson, Kerry Condon, Barry Keoghan
73. The Turin Horse (2011)
Béla Tarrs letzter Film ist eine düstere Meditation über Stillstand, Verfall und Weltuntergang. In langen, fast unbeweglichen Einstellungen begleitet die Kamera einen alten Bauern, seine Tochter und ein Pferd in einem grauen, sturmumtosten Niemandsland. Der Film basiert lose auf der Anekdote, nach der Friedrich Nietzsche in Turin zusammenbrach, als er ein geschlagenes Pferd umarmte. Es gibt kaum Handlung, kaum Dialoge – nur Wiederholung und Entleerung. „The Turin Horse“ ist radikal in seiner Langsamkeit und konsequent in seiner Weltabgewandtheit. Für Geduldige: ein monumentales Anti-Kino.
Regie: Béla Tarr, Ágnes Hranitzky
Hauptdarsteller: János Derzsi, Erika Bók, Mihály Kormos
74. Aftersun (2022)
Charlotte Wells’ Debütfilm zeigt einen Urlaub zwischen einem jungen Vater und seiner Tochter in einem türkischen Ferienort – in Rückblenden, Erinnerungsfragmenten und emotionalen Zwischentönen. Paul Mescal spielt den Vater mit stiller Melancholie, Frankie Corio überzeugt in einer der stärksten Kinderdarstellungen der letzten Jahre. Der Film erzählt mehr durch Andeutungen als durch Plot und bleibt lange rätselhaft. „Aftersun“ ist ein elegisches Porträt über Nähe, Schweigen und spätes Verstehen – und ein starker Vertreter des emotional verdichteten Indiekinos der 2020er Jahre.
Regie: Charlotte Wells
Hauptdarsteller: Paul Mescal, Frankie Corio, Celia Rowlson-Hall
75. Once (2007)
Ein irischer Straßenmusiker trifft auf eine tschechische Pianistin – sie schreiben gemeinsam Songs, verlieben sich vorsichtig und gehen am Ende getrennte Wege. John Carneys Liebesfilm lebt vom musikalischen Dialog seiner Protagonist:innen. „Once“ wurde mit kleinstem Budget gedreht und lebt von der Authentizität seiner Darsteller Glen Hansard und Markéta Irglová, die auch im echten Leben ein Paar wurden. Der Song „Falling Slowly“ gewann den Oscar. Ein stiller Film über Kunst, Begegnung und das Flüchtige – und einer der großen Überraschungserfolge des 2000er-Indiekinos.
Regie: John Carney
Hauptdarsteller: Glen Hansard, Markéta Irglová
76. The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford (2007)
Andrew Dominik dekonstruiert den Western als kontemplatives, elegisches Drama. Brad Pitt spielt den legendären Outlaw Jesse James als paranoiden Mythos, Casey Affleck den jungen Bewunderer Robert Ford, dessen Faszination langsam in Hass und Entfremdung kippt. Roger Deakins’ Kameraarbeit ist herausragend: jedes Bild wirkt wie ein Gemälde. Der Score von Nick Cave und Warren Ellis unterstreicht die melancholische Grundstimmung. Der Film war an den Kinokassen erfolglos, gilt heute jedoch als moderner Klassiker und einer der visuell eindrucksvollsten Filme seiner Zeit.
Regie: Andrew Dominik
Hauptdarsteller: Brad Pitt, Casey Affleck, Sam Rockwell, Mary-Louise Parker
77. Climax (2018)
Gaspar Noés Film beginnt als elektrisierender Tanzfilm und endet in einem psychedelischen Horrortrip. Eine Gruppe junger Tänzer:innen feiert in einem abgelegenen Gebäude, doch bald wird klar, dass jemand LSD in den Sangria gemischt hat. Die Kamera wirbelt durch den Raum, Perspektiven kippen, Körper entgrenzen sich. „Climax“ ist ein fiebriges, körperlich intensives Kinoerlebnis zwischen Ekstase und Hölle, getragen von elektronischer Musik und radikalem Stilbewusstsein. Kein klassisches Narrativ, sondern ein Rausch aus Bewegung, Sound und Kontrollverlust.
Regie: Gaspar Noé
Hauptdarsteller: Sofia Boutella, Romain Guillermic, Kiddy Smile
78. House of Flying Daggers (2004)
Zhang Yimous visuell opulenter Martial-Arts-Film verbindet Romantik, Tragödie und Action auf höchstem stilistischen Niveau. Die Handlung um eine blinde Tänzerin und zwei Soldaten, die sich in sie verlieben, ist in einem poetisch überhöhten historischen China angesiedelt. Farbkomposition, Kostüme und Kampfchoreografien wirken wie aus einer anderen Welt. Trotz seiner konventionellen Grundgeschichte gelingt Zhang eine elegante Mischung aus Gefühl und Spektakel. „House of Flying Daggers“ ist ästhetisches Kino in Reinform – ein Höhepunkt des „Wuxia“-Genres.
Regie: Zhang Yimou
Hauptdarsteller: Zhang Ziyi, Takeshi Kaneshiro, Andy Lau
79. The Host (2006)
Bevor Bong Joon-ho mit Parasite Weltruhm erlangte, drehte er diesen ungewöhnlichen Monsterfilm, der Horror, Familienfilm, Satire und Sozialdrama verbindet. Ein mutiertes Wasserwesen taucht aus dem Han-Fluss auf und entführt ein Kind. Was folgt, ist keine Heldengeschichte, sondern die chaotische, tragikomische Suche einer Familie, die gegen Behördenversagen und Schuld kämpft. Der Film ist durchzogen von schwarzen Humor und Gesellschaftskritik, visuell überraschend und erzählerisch originell. „The Host“ war ein früher Beweis für Bong Joon-hos außergewöhnliche Genrebeherrschung.
Regie: Bong Joon-ho
Hauptdarsteller: Song Kang-ho, Byun Hee-bong, Park Hae-il, Bae Doona
80. Blue Valentine (2010)
Derek Cianfrances Beziehungsdrama zeigt eine Liebe in zwei Zeitphasen: das euphorische Kennenlernen und das ernüchterte Ende. Ryan Gosling und Michelle Williams spielen ein Paar, das zwischen Erinnerungen und Gegenwart navigiert – mit großer Intensität und emotionaler Direktheit. Die Handkamera bleibt nah an den Figuren, der Film verzichtet auf künstliche Dramatisierung. „Blue Valentine“ ist eine schonungslose Studie über das Verblassen von Nähe, ohne Schuldzuweisungen. Kein Film für zynische Romantiker, aber ein ehrliches, bewegendes Porträt moderner Beziehungen.
Regie: Derek Cianfrance
Hauptdarsteller: Ryan Gosling, Michelle Williams, Faith Wladyka
81. Portrait of a Lady on Fire (2019)
Céline Sciammas Liebesfilm erzählt von einer Malerin und ihrem weiblichen Modell auf einer abgeschiedenen Insel in der Bretagne des 18. Jahrhunderts. Zwischen Beobachtung, Stille und Blicken entwickelt sich eine intensive, unterdrückte Leidenschaft. Der Film ist vollständig aus weiblicher Perspektive erzählt, ohne männliche Figuren, ohne klassischen Score – nur mit Geräuschen, Licht und sorgfältiger Komposition. „Portrait of a Lady on Fire“ ist formal präzise, emotional aufgeladen und bleibt in jeder Einstellung ein Statement über weibliche Autonomie, Begehren und Erinnerung.
Regie: Céline Sciamma
Hauptdarsteller: Noémie Merlant, Adèle Haenel, Luàna Bajrami, Valeria Golino
82. Cache (2005)
Michael Hanekes Paranoia-Drama zeigt ein wohlhabendes Pariser Ehepaar, das anonyme Überwachungsvideos von seinem Haus erhält. Was folgt, ist keine Thrillerhandlung, sondern eine Erkundung von Schuld, Verdrängung und kolonialer Vergangenheit. Die Kamera bleibt oft statisch, das Grauen entsteht im Off. Daniel Auteuil und Juliette Binoche liefern nuancierte Performances, während Haneke gezielt Ambivalenzen offenlässt. „Caché“ ist ein Film über das Wegschauen – gesellschaftlich, politisch, privat. Ein verstörendes, vieldeutiges Werk, das sich einer klaren Auflösung bewusst verweigert.
Regie: Michael Haneke
Hauptdarsteller: Daniel Auteuil, Juliette Binoche, Maurice Bénichou, Annie Girardot
83. Shame (2011)
Steve McQueens zweiter Spielfilm ist ein klaustrophobisches Porträt eines sexsüchtigen New Yorkers, der seine emotionale Leere durch Kontrolle und ritualisierte Körperlichkeit kompensiert. Michael Fassbender liefert eine kompromisslose Darstellung, die fast wortlos, aber körperlich intensiv erzählt ist. Die Begegnung mit seiner verletzlichen Schwester, gespielt von Carey Mulligan, bringt seine Fassade ins Wanken. Die Inszenierung ist reduziert, fast steril – lange Einstellungen, klare Räume, wenig Musik. „Shame“ ist ein Film über Einsamkeit, Sucht und emotionale Erstarrung.
Regie: Steve McQueen
Hauptdarsteller: Michael Fassbender, Carey Mulligan, James Badge Dale, Nicole Beharie
84. Fantastic Mr. Fox (2009)
Wes Andersons erster Animationsfilm basiert auf einer Erzählung von Roald Dahl und bringt dessen anarchischen Ton mit Andersons Hang zu Symmetrie, Ironie und Familiendynamik in Einklang. Die Stop-Motion-Animation ist detailverliebt, der Humor trocken, die Charaktere komplex trotz Tiergestalt. Mr. Fox ist kein klassischer Held, sondern ein impulsiver Vater mit fragwürdigen Entscheidungen. Die Dialoge, die Farbgestaltung und der Soundtrack ergeben ein einzigartiges, eigenwilliges Erlebnis. „Fantastic Mr. Fox“ zeigt, dass Animationsfilme auch als Autorenkino funktionieren können.
Regie: Wes Anderson
Hauptdarsteller: George Clooney, Meryl Streep, Jason Schwartzman, Bill Murray (Originalstimmen)
85. The Square (2017)
Ruben Östlunds bissige Satire auf die Kunstwelt seziert nicht nur den Kulturbetrieb, sondern auch moralische Selbstbilder einer bürgerlichen Klasse. Ein Museumsdirektor verliert zunächst sein Handy, dann die Kontrolle über seine Haltung zur Welt. Der Film changiert zwischen absurdem Witz, peinlichen Momenten und gesellschaftskritischer Reflexion. Besonders berühmt ist eine Szene, in der ein Performancekünstler ein Galadinner sprengt. „The Square“ ist unbequem, überzeichnet, aber messerscharf – und gewann 2017 die Goldene Palme in Cannes.
Regie: Ruben Östlund
Hauptdarsteller: Claes Bang, Elisabeth Moss, Dominic West, Terry Notary
86. Melancholia (2011)
Lars von Trier verbindet persönliche Depressionserfahrung mit einer apokalyptischen Erzählung über das Ende der Welt. In zwei Kapiteln werden zwei Schwestern porträtiert, deren Verhältnis sich spiegelt in der Annäherung eines zerstörerischen Planeten. Kirsten Dunst liefert eine tiefgründige Darstellung einer Frau im Zusammenbruch, Charlotte Gainsbourg den rationalen Gegenpol. Die Musik von Wagner und die beeindruckenden Bilder erzeugen eine intensive, entrückte Atmosphäre. „Melancholia“ ist düster, poetisch und erschütternd schön – ein radikales Endzeitdrama aus der Innenwelt heraus gedacht.
Regie: Lars von Trier
Hauptdarsteller: Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Alexander Skarsgård, Kiefer Sutherland
87. The Lobster (2015)
Yorgos Lanthimos entwirft eine absurde Dystopie, in der Singles innerhalb von 45 Tagen einen Partner finden müssen – andernfalls werden sie in ein Tier ihrer Wahl verwandelt. Colin Farrell spielt einen schüchternen Mann, der sich dieser Logik widersetzt. Der Film kombiniert Gesellschaftskritik mit schwarzem Humor, steifer Sprache und seltsam entrückter Inszenierung. „The Lobster“ ist radikal unromantisch und trotzdem ein Film über Liebe – oder über deren systematische Vernichtung. Selten war ein so düsterer Blick auf Beziehungen so komisch.
Regie: Yorgos Lanthimos
Hauptdarsteller: Colin Farrell, Rachel Weisz, Olivia Colman, Léa Seydoux, John C. Reilly
88. Mad Max: Fury Road (2015)
George Miller übertraf mit seinem späten Reboot alle Erwartungen. „Mad Max: Fury Road“ ist ein visuelles Inferno, das klassische Actionkonventionen sprengt und neu definiert. Statt auf Handlung setzt der Film auf Bewegung, statt Dialoge auf kinetische Choreografie. Tom Hardy gibt den wortkargen Titelhelden, doch im Zentrum steht Charlize Theron als Furiosa – eine Figur, die ebenso komplex wie kompromisslos ist. Die Kamera bleibt immer in Bewegung, die Farben sind überdreht, der Schnitt ist messerscharf. „Fury Road“ ist ein Triumph des physischen Kinos in einer Zeit digitaler Effekte.
Regie: George Miller
Hauptdarsteller: Tom Hardy, Charlize Theron, Nicholas Hoult
89. Hunger (2008)
Steve McQueens Debütfilm über den IRA-Hungerstreik 1981 in Nordirland ist ein kompromissloser, visuell durchkomponierter Film, der politische Gewalt, Körperlichkeit und spirituelle Erfahrung miteinander verknüpft. Michael Fassbender spielt den Anführer Bobby Sands, dessen physische Transformation erschütternd dokumentiert wird. Eine 17-minütige Plansequenz mit feststehender Kamera zeigt ein Gespräch über Gewalt und Glauben – einer der eindrucksvollsten Dialoge der 2000er Jahre. „Hunger“ ist kein typisches Biopic, sondern ein Werk über politische Entschlossenheit, menschliche Würde und die Grausamkeit des Staates.
Regie: Steve McQueen
Hauptdarsteller: Michael Fassbender, Liam Cunningham, Stuart Graham
90. Beasts of the Southern Wild (2012)
Benh Zeitlins Debütfilm erzählt von der kleinen Hushpuppy, die mit ihrem Vater in einem abgelegenen, von der Flut bedrohten Sumpfgebiet lebt. Die Welt wird durch ihre kindliche Perspektive wahrgenommen, voller Magie, Fabelwesen und archetypischer Bilder. Der Film ist roh, emotional und stilistisch eigenwillig – eine Mischung aus Südstaaten-Realismus, poetischem Surrealismus und existenziellem Drama. Quvenzhané Wallis beeindruckte als Sechsjährige mit einer Oscar-nominierten Darstellung. „Beasts of the Southern Wild“ war eine Sensation beim Sundance Festival und avancierte zum Indie-Liebling.
Regie: Benh Zeitlin
Hauptdarsteller: Quvenzhané Wallis, Dwight Henry, Levy Easterly, Lowell Landes
91. Carol (2015)
Todd Haynes inszeniert eine zurückhaltende, fast klassisch anmutende Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen im repressiven Amerika der 1950er Jahre. Cate Blanchett und Rooney Mara spielen mit minimalistischem Ausdruck, voller Spannung zwischen Blicken und Schweigen. Die Ausstattung, die Kameraführung und Carter Burwells elegischer Score erschaffen eine fast greifbare Atmosphäre aus Melancholie, Verlangen und gesellschaftlicher Enge. „Carol“ ist kein plakativer Film, sondern ein leises, präzises Werk über unterdrückte Sehnsucht – und eines der zentralen LGBTQ+-Filme der 2010er Jahre.
Regie: Todd Haynes
Hauptdarsteller: Cate Blanchett, Rooney Mara, Kyle Chandler, Sarah Paulson
92. The Killing of a Sacred Deer (2017)
Yorgos Lanthimos’ düstere Allegorie erzählt von einem erfolgreichen Chirurgen, dessen Leben durch einen seltsamen Jungen aus den Fugen gerät. Die Dialoge sind künstlich distanziert, die Bilder geometrisch kalt, die Atmosphäre zunehmend beunruhigend. Der Film bewegt sich zwischen Tragödie, Horror und absurdem Theater – lose inspiriert von der Iphigenie-Mythologie. Colin Farrell und Nicole Kidman verkörpern emotionale Starre in einer Welt, in der Schuld unausweichlich wird. „The Killing of a Sacred Deer“ ist verstörend, brillant und konsequent sperrig.
Regie: Yorgos Lanthimos
Hauptdarsteller: Colin Farrell, Nicole Kidman, Barry Keoghan, Raffey Cassidy
93. Never Rarely Sometimes Always (2020)
Eliza Hittmans zurückhaltendes Drama begleitet zwei junge Frauen aus Pennsylvania, die für eine Abtreibung nach New York reisen. Der Film verzichtet auf dramatische Zuspitzung und zeigt stattdessen nüchtern und empathisch, wie bürokratische Hürden, emotionale Überforderung und männliche Übergriffe den Alltag prägen. Besonders eindrucksvoll ist die titelgebende Szene: ein stilles Interview, das mehr über emotionale Traumata erzählt als ganze Drehbücher. „Never Rarely Sometimes Always“ ist ein leiser, aber politisch dringlicher Film über Autonomie und Solidarität.
Regie: Eliza Hittman
Hauptdarsteller: Sidney Flanigan, Talia Ryder, Théodore Pellerin, Ryan Eggold
94. Ten (2002)
Abbas Kiarostami reduziert das Kino auf das Wesentliche: zehn Gespräche im Auto zwischen einer Frau und verschiedenen Mitfahrenden – ihrem Sohn, einer Prostituierten, einer Freundin. Gedreht mit Digitalkameras, fast dokumentarisch, ohne Schnörkel. Der Film wird zur Reflexion über Rollenbilder, Unterdrückung und Alltagswiderstand im Iran. Was wie ein minimalistisches Experiment erscheint, entwickelt große emotionale und politische Kraft. „Ten“ ist ein exemplarisches Werk des iranischen Kinos der 2000er Jahre – und ein radikales Statement über das Potenzial des einfachen Blicks.
Regie: Abbas Kiarostami
Hauptdarsteller: Mania Akbari, Amin Maher
95. Still Walking (2008)
Hirokazu Kore-eda erzählt mit großer Zärtlichkeit vom Besuch erwachsener Kinder im Haus ihrer alternden Eltern – ein Setting, in dem kaum etwas passiert, und doch alles gesagt wird. Der verstorbene Sohn hängt über allem, Familienrituale kippen ins Schweigen, kleine Bemerkungen entfalten tiefe Bedeutung. Der Film lebt von Alltagsbeobachtung, psychologischer Genauigkeit und einer fast literarischen Ruhe. „Still Walking“ ist ein poetischer Film über familiäre Entfremdung, unausgesprochene Schuld und das Verstreichen der Zeit.
Regie: Hirokazu Kore-eda
Hauptdarsteller: Hiroshi Abe, Yui Natsukawa, Kirin Kiki, Yoshio Harada
96. Inception (2010)
Christopher Nolans komplex konstruierter Heist-Film spielt nicht in der physischen Welt, sondern in der Traumlogik seiner Figuren. Leonardo DiCaprio führt ein Team von „Traumarchitekten“, die Ideen in das Unterbewusstsein anderer einpflanzen. Der Film ist strukturell verschachtelt, visuell spektakulär und musikalisch (Hans Zimmer) maximal aufgeladen. Nolans Faible für Zeit, Erinnerung und Bewusstsein kulminiert hier in einem Mainstreamfilm, der Denk- und Actionkino miteinander verbindet. „Inception“ ist Popcornkino mit intellektuellem Überbau – selten war Blockbusterkino so anspruchsvoll inszeniert.
Regie: Christopher Nolan
Hauptdarsteller: Leonardo DiCaprio, Joseph Gordon-Levitt, Ellen Page, Marion Cotillard, Tom Hardy
97. Elephant (2003)
Gus Van Sant zeigt einen gewöhnlichen Tag an einer amerikanischen High School – bis er abrupt in ein Massaker mündet. Inspiriert vom Columbine-Attentat, inszeniert er keine Erklärung, keine Dramaturgie im klassischen Sinne, sondern eine distanzierte, fast meditative Erzählung. Die Kamera folgt den Schüler:innen in langen Einstellungen durch Gänge, Klassenräume, Pausen. „Elephant“ ist ein Versuch, das Unsagbare nicht zu erklären, sondern auszuhalten. Der Film gewann die Goldene Palme in Cannes – nicht wegen seiner Explizitheit, sondern wegen seiner Haltung.
Regie: Gus Van Sant
Hauptdarsteller: Alex Frost, Eric Deulen, John Robinson, Elias McConnell
98. Wendy and Lucy (2008)
Kelly Reichardts minimalistisches Drama begleitet eine junge Frau, die mit ihrem Hund durch Oregon reist und durch eine Autopanne aus ihrer prekären Balance fällt. Michelle Williams spielt mit fast dokumentarischer Zurückhaltung. Die Kamera bleibt nah, die Musik ist sparsam, das Drama entsteht durch Verzicht, nicht durch Eskalation. „Wendy and Lucy“ ist ein stilles Porträt über Armut, Einsamkeit und Resilienz im Amerika der unteren Schichten – und ein Schlüsselwerk des US-Indiekinos der 2000er Jahre.
Regie: Kelly Reichardt
Hauptdarsteller: Michelle Williams, Will Patton, Wally Dalton, John Robinson
99. Paddington 2 (2017)
Was als Kinderfilm vermarktet wurde, entpuppte sich als einer der charmantesten und wärmsten Filme der 2010er Jahre – voller Witz, visueller Eleganz und feinsinniger Sozialbeobachtung. Paddington, der bärige Migrant aus Peru, wird zu Unrecht beschuldigt und landet im Gefängnis – und bringt selbst dort die Herzen zum Schmelzen. Der Film vermeidet jeden Zynismus und erzählt mit Fantasie, Tempo und Herz über Mitgefühl, Toleranz und Gemeinschaft. Sogar Paul Thomas Anderson nannte ihn einen seiner Lieblingsfilme. Nicht ironisch gemeint.
Regie: Paul King
Hauptdarsteller: Ben Whishaw (Stimme), Hugh Grant, Sally Hawkins, Brendan Gleeson, Hugh Bonneville
100. Holy Motors (2012)
Leos Carax’ surrealistischer Film folgt einem Mann, der in einer Stretchlimousine von Rolle zu Rolle fährt – als Vater, Bettlerin, Monster, Mörder, Sterbender. Der Film ist ein labyrinthisches Spiel mit Identität, Performance und dem Tod des klassischen Kinos. Denis Lavant liefert eine tour de force, Kylie Minogue singt in einem leeren Kaufhaus, Eva Mendes steht wortlos in einer Kathedrale. „Holy Motors“ ist exzentrisch, bizarr, poetisch – eine cineastische Geisterbahnfahrt, die das Kino selbst feiert und verabschiedet zugleich.
Regie: Leos Carax
Hauptdarsteller: Denis Lavant, Édith Scob, Eva Mendes, Kylie Minogue