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“10 Fragen an…” Deaf Havana!

Anlässlich der Veröffentlichung ihres siebten Albums „We’re Never Getting Out“ (VÖ: 3.10.) haben wir Gitarrist Matt Veck-Gilodi von Deaf Havana zum Gespräch getroffen. Die Platte markiert für die Band einen Neuanfang, geprägt von persönlicher Selbstreflexion, Brüchen und der Suche nach Klarheit. Während Sänger und Songschreiber James Veck-Gilodi in den letzten Jahren mit Selbstzweifeln, privaten Krisen und kreativen Sackgassen rang, fand er mit Produzent George Glew und seinem Bruder Matt zu einer neuen künstlerischen Offenheit. Entstanden ist ein Album, das die DNA britischer Rockmusik mit moderner Pop-Sensibilität und experimentellen Strukturen verbindet – schonungslos ehrlich, aber zugleich voller Energie. In unserem Interviewformat „10 Fragen an…“ spricht Matt über musikalische Anfänge, Inspirationsquellen und darüber, warum das Schaffen von Musik für Deaf Havana immer auch eine Form von Selbsttherapie geblieben ist.

01. Was ist das erste Lied, an das du dich erinnerst? Was erinnerst du davon?

Ich glaube, es war „It’s Oh So Quiet“ von Björk. Ich erinnere mich daran, wie winzig ich war und wie überwältigend sich diese Übergänge anfühlten: von absoluter Ruhe zu plötzlicher Lautstärke und Wildheit.

02. Welche Platte hast du dir als erstes selbst gekauft? Wie hat sich das angefühlt?

Meine Antwort ist fast schon klischeehaft hipster, ich wünschte fast, es wären die Backstreet Boys oder so gewesen. Aber tatsächlich war es From The Muddy Banks of the Wishkah von Nirvana, ein Livealbum. Ich habe es ständig in Dauerschleife gehört und war fasziniert von der Energie und der Rohheit der Aufnahmen. Vor allem aber empfand ich diese fast reine Freude darüber, dass es mein Album war! Dass ich die CD in meinen Sony-Walkman legen und immer wieder hören konnte.

03. Welches war dein erstes Konzert als Besucher? Wie war das Erlebnis?

Das waren die Red Hot Chili Peppers vor dem BBC Television Centre. Es war absolut unglaublich. Californication war eines der prägenden Alben meiner Kindheit – und dann dort zu stehen und diese Musiker live zu sehen, die ich zuvor unzählige Male allein in meinem Zimmer gehört hatte, war einfach unfassbar.

04. Wie bist du zur Musik gekommen?

Eigentlich durch die Isolation, in der wir als Kinder aufgewachsen sind. Wir lebten mitten im Nirgendwo in Ostengland, und man musste sich selbst beschäftigen. James fing irgendwann an, Gitarre zu spielen, und wurde richtig gut. Es lag also ständig eine Gitarre herum, was ich als das Coolste überhaupt empfand. Also habe ich immer wieder darauf gespielt. Wir hatten ein paar Instrumente im Haus – auch ein Keyboard – und ich habe mich mit zehn Jahren mal sechs Wochen lang darin verrannt, ein reiner Finger-Bassist sein zu wollen. So haben wir viel zusammen Musik gemacht.

05. Warum macht ihr Musik?

Es klingt klischeehaft, aber: weil wir es lieben. Natürlich kann man nach so vielen Jahren auch mal müde werden oder mit dem Ganzen hadern. Doch was uns immer wieder zurückbringt, ist dieses zwingende Bedürfnis, aus unseren Erfahrungen etwas zu schaffen. Am Ende läuft es auf die Freude am Erschaffen hinaus.

06. Wie macht ihr Musik? Wie läuft das normalerweise ab?

Das hängt stark von den Songs ab. Früher hat James oft Stücke auf der Akustikgitarre entwickelt, die wir dann weiter ausgebaut haben. Diesmal war es anders: Viele Songs für We’re Never Getting Out sind gemeinsam mit unserem Produzenten George Glew von Grund auf im Studio entstanden. Wir haben Ideen ausprobiert, mit ihnen gelebt, sie weiterentwickelt – und gemerkt, ob sie uns wirklich packen oder nicht. Der Prozess war flüssig und sehr kreativ.

07. Welche Künstler haben euch am meisten geprägt? Mit wem würdet ihr gerne arbeiten – und warum?

Für mich sind es ganz klar Nine Inch Nails. Trent Reznors Fähigkeit, sich ständig neu zu erfinden und nicht stehenzubleiben, ist eine große Inspiration. Aber auch Bruce Springsteen! Sein Storytelling, dieses Gefühl von Weite und zugleich Melancholie, das prägt uns. Und sollte es je passieren, dass Trent Reznor und Atticus Ross Lust hätten, an einer durchschnittlichen britischen Pop-Rock-Platte mitzuwirken, wäre das für mich das Größte.

08. Was wollt ihr mit eurer Musik erreichen?

Wir wollen einfach weiterhin unsere Erfahrungen in Musik verwandeln. Für uns ist das eine Art, die Welt zu verarbeiten und zu verstehen, die schwierigen und dunklen Zeiten, die Höhen und alles dazwischen. Diese Ehrlichkeit kann Resonanz erzeugen. Ich erinnere mich an Phasen, in denen ich psychisch sehr gelitten habe. Musik war für mich immer die Erinnerung daran, dass ich nicht allein bin – und dass alles im Leben vorbeigeht.

09. Was ist euer bisher bester Song?

Vielleicht spricht die Gegenwart aus mir, aber ich würde „Tracing Lines“ von We’re Never Getting Out sagen. Für mich vereint er alles, was Deaf Havana ausmacht: Euphorie, eine unglaubliche Energie, die wir einfangen konnten, aber zugleich diese traurige Realität in den Texten. Diese Spannung prägt viele unserer besten Momente.

10. Woran arbeitet ihr gerade? Was kommt als Nächstes?

Wir bereiten uns gerade darauf vor, unsere UK-Tour zu spielen und die Veröffentlichung von We’re Never Getting Out zu feiern. Das bedeutet: Parts proben, Setups anpassen oder neu denken. Es ist wahnsinnig aufregend – es fühlt sich an, als hätten wir ewig nicht mehr live gespielt. Wir können es kaum erwarten.

Hier das Lyric-Video zur aktuellen Single “Tracing Lines”: https://www.youtube.com/watch?v=m5j1az8ykpY

Im Januar sind Deaf Havana auf Deutschlandtour:

23.01. Köln – Luxor

24.01. Hamburg – Headcrash

25.01. Berlin – Lido

27.01. München – Strom

28.01. Wiesbaden – Schlachthof


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