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Florence + The Machine – „Everybody Scream“ (Album 2025)

ALBUM DER WOCHE – „Everybody Scream“ erscheint zwei Jahre nach einer schweren gesundheitlichen Krise mit einem kathartischen Aufschrei in Titel, Musik und Lyrics.

★★★★☆

Gezielt am Halloween-Tag veröffentlicht, spielen Florence + The Machine mit Folk-Horror-Motiven und hexen ein ekstatisches Sound-Gebräu aus Pathos- und Gothic-Pop zusammen.

Das sechste Album von Florence + The Machine schlägt ein neues Kapitel in der künstlerischen Entwicklung der britischen Musikerin auf. Schon der Titeltrack deutet an, dass es hier nicht um gefällige Party-Popmusik geht, sondern um ein existenzielles Ringen mit den Themen Heilung, Körper, Vergänglichkeit und spirituelle Transformation.

Der großartige Clip „Everybody Scream“, unter der Regie von Autumn De Wilde, entführt uns in eine ländliche Szenerie, in der Welch mit ihrem Hexenzirkel ein Dorf in ihren Bann zieht – das ist Folk Horror und Mystik gepaart mit einem starken Song voller schreienden Chören und treibendem Rhythmus.

Die Songwriting-Credits haben es auch in sich, die japanisch-US-amerikanische Solokünstlerin Mitski und der Idles-Gitarrist Mark Bowen haben hier mitgemischt. Im Outro raunt der Background-Chor über ambivalente Leben als Bühnenpersona: “The magic and the misery, madness and the mystery, oh, what has it done to me?”

Und das hat das Tour-Leben Florence Welch angetan: Während der “Dance Fever”-Tour 2022 musste sie ihre laufenden Konzerte abrupt abbrechen. Der Grund: eine medizinische Notlage, deren Einzelheiten sie lange nicht öffentlich machte, später jedoch als „lebensrettende Operation“ bezeichnete. Aus dieser körperlichen Grenzerfahrung entwickelte sich offenbar die kreative Grundlage für das aktuelle Album.

Ihre Auseinandersetzung mit dem eigenen vergänglichen Körper führte sie ins Hexenreich und zu einem Songwriting, das ein spirituelles Verständnis von Gesundheit, Ritual und Erneuerung atmet. Die Arbeit am Album sei für sie ein Prozess gewesen, sich wieder mit dem eigenen Körper zu versöhnen und ihn als Ort von Schmerz, Erinnerung und Magie anzunehmen.

Und die Magie der Musik ist überall auf dem vielseitigen Album versprüht – sei es in der beschwörenden Geisterhaftigkeit im Song “Witch Dance”, in der bluesigen Gospel-Klage “One Of The Greats”, bei dem sakralen wie hymnischen “The Old Religion” oder dem enigmatisch hyptnotischen “Sympathy Magic”

Schon in der Vergangenheit war Florence Welch bekannt für ihre bildreiche, symbolgeladene Sprache, die sich aus britischer Folklore, religiösen Ritualen und moderner Poesie speist. Auf dem “Everybody Scream” ist all dies omnipräsent, inspiriert vom Genre des Folk-Horrors – einer spezifischen Spielart des britischen Films, die ländliche Idylle mit okkulten Bedrohungen konfrontiert und deren Kult-Film “Wicker Man” ist – spielen auch die aktuellen Songs mit dem Dunklen im Vertrauten.

Die Tracks entfalten sich dabei als eine Art Ritual, bei dem sich das Innere nach außen kehrt. Das Leben als Superstar vergleicht Florence dabei mit dem einer Sektenführerin, wenn sie singt: “Look at me run myself ragged / Blood on the stage / But how can I leave you when you screaming my name?”

Das Blut im Text ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen, schon mehrmals hat sie sich bei ihren exzessiven und leidenschaftlichen Performances auf der Bühne einen Fuß gebrochen – zuletzt 2022 in London. Sie hat dieses eine Konzert dennoch durchgezogen und während sie kurz verarztet wurde, hat man Blutspuren von der Bühne gewischt.

Aufbruch und weibliche Autonomie, das sind die großen Themen auf “Everybody Scream”: musikalisch getragen von einer dichten Atmosphäre, die sich eher an cineastischen Klangwelten als an klassisch gestrickten Songs orientiert. Das Album verbindet Gothic-Drama mit Pop-Pathos entdeckt dabei die schlummernde Schönheit im Chaos.

Florence + The Machine auf Tour

  • 26.02.2026 KÖLN, LANXESS arena Tickets
  • 02.03.2026 WIEN, Wiener Stadthalle Halle D Tickets
  • 09.03.2026 BERLIN, Uber Arena Tickets

Florence + the Machine Biografie

Florence + the Machine gehören seit über 15 Jahren zu den markantesten Projekten der britischen Musiklandschaft. Im Zentrum steht Florence Welch, deren Stimme und Bühnenpräsenz längst ikonischen Status erreicht haben. Mit einer Mischung aus Indie-Rock, Art-Pop, Folk und sakralen Anklängen hat die Band seit ihrem Debüt eine unverwechselbare Nische geschaffen, die zwischen Mainstream und künstlerischem Experiment angesiedelt ist.

Gründung und frühe Jahre

Florence Welch wurde 1986 in London geboren. Ihre Mutter, Evelyn Welch, ist eine renommierte Professorin für Kunst- und Kulturgeschichte, ihr Vater Nick Welch arbeitete in der Werbebranche. Aufgewachsen in einem intellektuellen Umfeld voller Bücher, Kunst und Musik, begann Florence früh Gedichte zu schreiben und eigene Songs zu komponieren. Schon als Teenager zog es sie auf die Bühne, zunächst mit kleineren Punk- und Indieprojekten.

2006 lernte sie Isabella „Machine“ Summers kennen, eine Produzentin, Keyboarderin und DJ, die bald zu ihrer wichtigsten musikalischen Partnerin wurde. Der Name Florence + the Machine entstand ursprünglich als spontaner Witz: Welch trat zunächst als „Florence Robot“ auf, Summers als „Issa Machine“. Aus der Kombination wurde der Bandname, der fortan das Projekt bezeichnete – ein Duo im Kern, aber offen für wechselnde Musiker.

Zu den frühen Weggefährten gehörten Robert Ackroyd (Gitarre), Christopher Lloyd Hayden (Schlagzeug), Tom Monger (Harfe) sowie später Mark Saunders (Bass) und Rusty Bradshaw (Keyboard). Gerade die Harfe, gespielt von Monger, verlieh den frühen Songs einen einzigartigen Klang, der sich stark von der Indie-Szene der Nullerjahre abhob.

2007 traten Florence + the Machine erstmals bei kleineren Londoner Clubshows auf, darunter im legendären Nachtclub „The Lock Tavern“. Mit ihrer Mischung aus rohem Punk-Energielevel und ätherischer Theatralik fielen sie schnell auf. Erste Singles wie „Kiss With a Fist“ erschienen über Indie-Labels und machten die britische Presse aufmerksam.

Der große Durchbruch gelang jedoch, als sie von Mairead Nash, Managerin und Mitglied des DJ-Duos Queens of Noize, entdeckt wurden. Nash wurde ihre erste Managerin und brachte die Band 2008 zu Island Records. Von da an begann die Reise in Richtung ihres Debüts, das 2009 veröffentlicht werden sollte.

Lungs (2009)

Das Debütalbum Lungs machte Florence + the Machine schlagartig bekannt. Schon die Single „Dog Days Are Over“ wurde zu einem internationalen Hit und katapultierte Welch an die Spitze der britischen Musikszene. Das Album erschien 2009 und verband Indie-Pop mit Einflüssen aus Soul, Rock und barocker Opulenz.

Die Presse lobte die charismatische Präsenz der Sängerin, die Songs voller literarischer Anspielungen und die Wucht ihrer Stimme. „Rabbit Heart (Raise It Up)“ oder „Kiss With A Fist“ zeigten eine rohe, punkige Seite, während Balladen wie „Cosmic Love“ und „Between Two Lungs“ eine märchenhafte und fast sakrale Stimmung erzeugten.

Mit über drei Millionen verkauften Exemplaren weltweit und einem Brit Award als „Best British Album“ etablierte sich Lungs als eines der wichtigsten britischen Debütalben der 2000er-Jahre.

Ceremonials (2011)

Zwei Jahre später erschien das zweite Album Ceremonials, das die ästhetische Handschrift der Band konsequent weiterführte. Aufgenommen in den legendären Abbey Road Studios in London, war es opulenter, orchestraler und stärker von Gospel- und Soul-Einflüssen geprägt.

Songs wie „Shake It Out“ oder „Spectrum“ wurden zu Hymnen, die live eine fast sakrale Intensität entfalteten. Florence Welch thematisierte hier stärker spirituelle Fragen: Schuld, Erlösung und Transformation bilden das Grundgerüst des Albums. Musikalisch wurden die Songs noch monumentaler inszeniert, mit Chören, Streichern und druckvollen Percussion-Arrangements.

Ceremonials stieg direkt auf Platz 1 der britischen Charts ein und brachte der Band internationale Anerkennung. In den USA erreichte es Platz 6 der Billboard 200.

How Big, How Blue, How Beautiful (2015)

Mit dem dritten Album veränderte Florence Welch ihre künstlerische Richtung. How Big, How Blue, How Beautiful erschien 2015 und zeigte eine deutlich rockigere, weniger barocke Klangsprache. Produziert von Markus Dravs (Arcade Fire, Björk), standen hier Gitarre und Bläser im Vordergrund, während die überladenen Arrangements der Vorgänger einem reduzierteren, aber nicht weniger intensiven Sound wichen.

Inhaltlich drehte sich das Album um persönliche Krisen. Welch sprach offen über eine Trennung, Alkoholprobleme und ihre Suche nach Stabilität. Songs wie „What Kind of Man“ oder „Ship to Wreck“ waren direkter und verletzlicher, während der Titeltrack „How Big, How Blue, How Beautiful“ fast sinfonische Qualitäten entwickelte.

Das Album wurde zu einem internationalen Erfolg, erreichte Platz 1 in Großbritannien und den USA und brachte der Band fünf Grammy-Nominierungen ein.

High As Hope (2018)

2018 erschien High As Hope, das bis heute als das intimste und persönlichste Werk von Florence + the Machine gilt. Produziert von Florence Welch selbst zusammen mit Emile Haynie (Lana Del Rey), fiel das Album reduzierter und introspektiver aus.

Die Songs handeln von Kindheitserinnerungen, Essstörungen, Liebesverlust und der Suche nach Spiritualität im Alltag. „Hunger“ wurde zur zentralen Single und thematisierte den Umgang mit Leere und Selbstzweifeln, während „Big God“ sich mit toxischen Beziehungen auseinandersetzte.

Kritiker betonten die neue Ehrlichkeit in Welch’ Songwriting, die weniger von metaphorischen Bildern, sondern von direkten Geständnissen geprägt war. Trotz des minimalistischeren Sounds blieb die Intensität der Musik erhalten, getragen von ihrer unverwechselbaren Stimme.

Dance Fever (2022)

Mit Dance Fever kehrte Florence 2022 zu einer energetischeren und zugleich cineastischen Klangsprache zurück. Entstanden während der Pandemie in London, verarbeitet das Album die Sehnsucht nach Tanz, Körperlichkeit und Gemeinschaft in Zeiten von Isolation.

Produziert wurde es von Jack Antonoff (Taylor Swift, Lorde) und Dave Bayley (Glass Animals). Songs wie „King“ oder „Free“ behandelten Themen wie weibliche Rollenbilder, Kreativität und mentale Gesundheit. Musikalisch bewegte sich das Album zwischen barockem Pop, Indie-Rock und elektronischen Elementen.

Die Tour zu Dance Fever wurde von einem einschneidenden Moment überschattet: Florence Welch musste aufgrund einer lebensrettenden Operation mehrere Konzerte absagen. Diese Erfahrung sollte später die Grundlage für das nächste Kapitel bilden.

Everybody Scream (2025)

Am 31. Oktober 2025 erscheint mit Everybody Scream das sechste Studioalbum von Florence + the Machine. Die gleichnamige Single gibt einen ersten Einblick in eine neue Ästhetik, die von Mystizismus, Folk-Horror und spirituellen Ritualen geprägt ist.


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