Einst war Katy Perry die unangefochtene Königin des quietschbunten Pop-Universums: Ihr Debütalbum hielt sich unzählige Wochen in den Charts. Doch seit ihrem Weltraumausflug in Jeff Bezos Riesenpenis, wird sie mit Hohn und Spott überschüttet. Völlig zurecht.
Zu Beginn ihrer Karriere wusste Katy Perry, dass Pop vor allem Unterhaltung ist. Ihre Shows waren schrill und überdreht, ihre Outfits ein Angriff auf jede Farbharmonie – und sie selbst das perfekte Sinnbild für ein leichtes Augenzwinkern in einer oft so ernsten Branche.
Ihre Debütsingle „I Kissed A Girl“ wurde zum Hit, selbst in Schwulenclubs wurde das unnötigste aller Outings rauf und runter gedudelt, obwohl die Botschaft, dass als Mädchen ein Mädchen zu küssen gar nicht so schlimm ist, im Jahr 2008 keine bahnbrechende Neuigkeit mehr war. Tatsächlich waren die Lyrics des Songs furchtbar spießig und heteronormativ.
„I kissed a girl and I liked it
The taste of her cherry ChapStick
I kissed a girl just to try it
I hope my boyfriend don’t mind it
It felt so wrong, it felt so right
Don’t mean I’m in love tonight
I kissed a girl and I liked it“
Schnell wurde Katy Perry der Inbegriff für unbeschwerten Pop: Kitschig, ironisch, immer mit einem Augenzwinkern und eine Nummer zu laut. Doch irgendwann wollte sie aus all dem mehr machen – aus ihrer eigenen Ästhetik eine Botschaft formen.
Der Wandel begann mit „Witness“, einem Album, das sie selbst als „purposeful pop“ bezeichnete – Popmusik mit Bedeutung. Songs wie „Chained to the Rhythm“ prangerten plötzlich die eigene Wohlfühlkultur an, als sei Perry nicht selbst lange deren Galionsfigur gewesen. Der Versuch, Eskapismus-Pop mit politischer Botschaft zu verknüpfen, wirkte wie ihre gesamte Karriere wie am Reißbrett kalkuliert, bemüht und unglaubwürdig. Damit hatte Perry nicht nur ihre Ironie verloren, sondern auch das Publikum vor den Kopf gestoßen, das sie immer für ihren Pop-Trash geliebt hatte.
Musikalisch wurde es immer beliebiger, ihre Songs zu pathetischen Phrasenhülsen. „Roar“ war kein Kampfschrei mehr, sondern eine Floskel, wenn auch musikalisch immer noch ein Hit. Die Bühne wurde zum Zirkus – aber nicht im guten Sinne. Spätestens als sie sich von riesigen Toilettenpapierrollen umtanzen ließ, konnte man nicht mehr genau sagen, ob das noch Selbstironie war oder schon Ratlosigkeit.
Der peinliche Schulterschluss mit den Mächtigen
Perry wollte sich immer als progressive Künstlerin inszenieren, als Stimme für Frauen und Minderheiten. Doch ihr Hang zur großen Pose zerbröckelte, als sie für ihr aktuelles Album „143“ wieder mit Dr. Luke arbeitete – dem Produzenten, der seit Jahren in Missbrauchsvorwürfe und Klagen seines ehemaligen Schützlings Kesha verwickelt ist. Doch das scheint die Christin Katy Perry nicht weiter zu stören, so lange die Karriere flutscht. Musikalisch wurde das Album selbst von Fans zerrissen.
Dazu gesellen sich ihre PR-reifen Auftritte mit Superreichen, die sie selbst zum Symbol jener Welt machen, gegen die sie doch angeblich ansingen wollte. Wer sich von Jeff Bezos als PR-Maskottchen für einen sinnfreien Kurztrip ins All einkaufen lässt und das Ganze als Akt der Liebe verkauft, hat den Anschluss ans echte Leben längst verloren. Im Popbusiness ist das keine Todsünde, aber es wirkt spätestens dann hohl, wenn man sich gleichzeitig als „Stimme der Schwachen“ verkauft.
Von Elon Musk ließ sie sich einen Tesla vor die Tür stellen und dankte artig via Instagram (200 Mio Follower), während dieser schon sozial schwachen Menschen die Rente strich und alle Hilfsprogramme für Afrika stoppte – und damit vermutlich für unzählige Tote verantwortlich ist.
Zwar sprach sich Perry im Wahlkampf nicht für Trump, sondern für Harris aus, doch ihr peinlicher Auftritt bei einer Wahlkampfveranstaltung für die Demokraten war für die Wahl und die Glaubwürdigkeit der Kandidatin als Verfechterin der Interessen des ärmeren Teils der Bevölkerung sicherlich wenig hilfreich.
Ein Popstar ohne Gegenwart
Es gibt Popstars, die mit dem Älterwerden elegant umgehen. Und es gibt Katy Perry, die immer noch so wirkt, als sei sie in einer Dauerschleife von 2010 gefangen. Ihre jüngsten Shows bieten buntes ein Spektakel für die Augen, doch die Songs selbst bleiben ohne Nachhall. Wo früher ein ironisches Augenzwinkern durch ihre Performances flimmerte, ist heute nur noch ein müdes Lächeln geblieben. Perry steht damit sinnbildlich für eine Ära des Pop, die längst vergangen ist.
Dabei ist es nicht einmal die schwache Stimme, die live kaum zu hören ist oder das mangelnde Tanztalent, die das Problem sind – beides war schon immer eher Beiwerk als Essenz. Entscheidend ist, dass Perry ihre Selbstironie verloren hat, der sie einst so besonders machte. Früher konnte sie über sich selbst lachen, heute wirkt sie eher wie jemand, der sich sehr wichtig nimmt – und dadurch selbst zur Pointe wird.
Ein Denkmal für eine unterhaltsame Vergangenheit
Katy Perry hat der Popwelt ein paar unvergessliche Momente geschenkt: eingängige Refrains, aber auch eine Figur, die sich nie zu schade war, sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Dass sie jetzt als Witzfigur dasteht hat mit fehlender Substanz zu tun. Sie ist die wandelnde Litfaßsäule des Pop, ohne echtes Talent und ohne echte Persönlichkeit, die durch viel Glück ein paar Hits von anderen Leuten singen durfte. Jeder mit viel Geld kann sie mieten.
Sie ist das lebende Gegenstück zu Lady Gaga, die ihre Karriere komplett in eigener Hand hat und sich in den letzten 20 Jahren als ernsthafte Künstlerin etabliert hat, ganz gleich ob man ihre Musik und ihr Auftreten mag oder nicht – niemand würde ihr Talent oder Haltung absprechen. Auch Madonna hat sich Zeit ihrer Karriere für queere Menschen stark gemacht, auch als es eher schädlich für die Karriere war.
Perry steht für eine Ära, in der Popstars zu Influencern werden – und Ruhm nicht mehr durch kulturelle Bedeutung, sondern nur noch durch Followerzahlen gemessen wird.
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