Auf ihrer dritten LP verbeugen sich die charmant-schratigen Franzosen vor der Laurel Canyon Folk-Rock Szene der 70er Jahre.
Die Tradition verlangt, dass das Indie-Folk-Rock-Album in einer Hütte im Wald entsteht, leise und kontemplativ, abgeschieden und geheimnisvoll. Die Pariser Vagabunden Papooz haben sich diesen Plan zu eigen gemacht und ihre eigene Scheune mit Rotwein und engen Freunden gefüllt. Nachdem sie Monate schreibend in ihrer jeweiligen häuslichen Abgeschiedenheit verbrachten, waren Ulysse Cottin und Armand Penicaut fest entschlossen, die daraus resultierenden folkigen Melodien mit der berauschenden Energie ihrer krawalligen Liveshows und ihres groovigen Pops zu würzen. Um diese Fusion zu erreichen, verschanzten sich Papooz in La Ferme Records, einem Studio komplett aus Holz in Südfrankreich, gebaut von Pierre-Marie Dornon, dem Schlagzeuger der Band. „Ein paar Wochen lang haben wir die Songs tagsüber geprobt und dann nachts, gepaart mit Rotwein aufgenommen“, sagt Cottin. Diese positive Energie der Franzosen ist auf ihrem neuesten Album „None of This Matters Now“, das am 18. März 2022 über das Pariser Label Half Awake Records erscheint, deutlich spürbar.
Unerwartet Freude zu finden, liegt in der DNA von Papooz, angetrieben von der kinetischen Freundschaft, die den Kern der Band ausmacht. Die beiden trafen sich zum ersten Mal, als Penicaut sich bei einer Patti Smith Show 2008 in Saint-Germain-des-Prés in der Schlange vordrängelte. Anstatt sich ärgern zu lassen, ließ sich Cottin davon nicht beirren, sondern war von der Energie des Gegenübers angezogen, sodass sich schnell eine Freundschaft zwischen den beiden entwickelte. „Wir waren einfach Kinder, rauchten Joints, redeten Quatsch, spielten Gitarre und dachten uns Songs aus“ erzählt Penicaut. Direkt auf dem Laptop aufgenommen, fanden diese Songs ihren Weg auf Soundcloud und gewannen schnell eine Fangemeinde. Diese kollaborative Energie resultierte zuletzt in dem 2019 erschienenen Album „Night Sketches“, eine von der Kritik gefeierte LP, die von Funk, Disco, und späten Nächten auf der Tanzfläche geprägt ist. Cottin und Penicaut lieferten paillettenbesetzte Hooks in epischem Ausmaß. Aber nach dem Ringen um Schicht um Schicht von Overdubs und präzisen Details, sollte sich „None of This Matters Now“ roher und natürlicher anfühlen und so entschieden sich Papooz bei den Aufnahmen in der Regel für die Live-Takes.
„Als Musiker mussten wir viel anspruchsvoller sein viel mehr von uns selbst verlangen. Wir konnten uns nicht einfach darauf verlassen Fehler später auszubessern. Keiner durfte sich von seinem Telefon ablenken lassen oder eine Zigarette rauchen. Es ging um Konzentration“, erklärt Cottin. „Außerdem ist es viel einfacher, sich im Raum zu konzentrieren, wenn nur deine besten Freunde vor Ort sind, die spät abends zu Besuch kommen.“
Diese entspannte Wärme schwappt von der Küste des Titeltracks herüber, wo ein poliertes Klavier und eine alte Slide-Gitarre die elegischen Harmonien perfekt einrahmen. Textlich gibt „None of This Matters Now“ den Ton des Albums vor und entfernt sich eher vom charakterbezogenen Storytelling des Vorgängers, sondern wendet sich mehr persönlichen Erzählungen zu. Aber selbst beim Thematisieren von Scheidungsschmerz wie in „Twilight of Your Mind“ oder der Angst vor der globalen Erwärmung und dem internationalen Zusammenbruch, behält das Duo die poetische Benommenheit und die Vorliebe bei, die Vorsicht in den Wind zu schlagen. „Armand studierte Literatur und ich habe Poesie schon immer geliebt. Ich denke, die besten Lieder im Leben sind die intimeren“, stimmt Cottin zu.
Die George Harrison-eske Slide-Gitarre, die sich durch das Album zieht, beweist, dass Papooz Liebe zu den Beatles, Ry Cooder und klassischem psychedelischen Pop immer noch stark ist. Allerdings zeigt sich in der warmen Produktion und den geschmeidigen Rhythmen auch das neue Interesse des Duos an brasilianischer Musik. „Morning Sonata“ ist ein Beispiel für diesen neu entdeckten pulsierenden Pop, bei dem die Slingshot-Gitarre hinter Cottins Gesang wie ein schlüpfriges Grinsen hinterherzieht. Nach Abschluss der Sessions in La Ferme zog sich das Duo in Cottins Pariser Wohnung zurück, um dem Album den letzten Schliff zu geben. Immer darauf bedacht, es mit Harmonien und anderen Schnörkeln nicht zu übertreiben und unnötige Ausschmückungen zu vermeiden. „Wir fügten hier ein wenig Gesang hinzu, da vielleicht ein wenig Synthesizer, aber wir wollten sicherstellen, dass wir um den Leadgesang herum arbeiten, damit er sich lebendig anfühlt“, sagt Penicaut.
Wenn sich „None of This Matters Now“ mit der klaviergetriebenen, an Randy Newman angelehnten Neon-Ballade „Reminiscence“ dem Ende nähert, bleiben Papooz trotz all dem Chaos des modernen Lebens auf der Jagd nach dem halbvollen Glas Rotwein. “Give me a reason to live / With those far off melodies / I’ve got a reminiscence of all the good times I tend to forget day by day,” singt Cottin, geisterhafte wortlose Harmonien folgen in der Nähe. In den zehn Songs des Albums schafft das Pariser Duo das Unmögliche und behält ihren unendlichen Charme und ihre Coolness, während sie die Abgründe der Welt in üppigen Kompositionen ausmalen. Dabei wirft „None of This Matters Now“ alles über Bord und bewahrt nur das, was jetzt wirklich zählt: einander.