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Talking Heads feiern 50 Jahre Bandgeschichte mit neuem „Psycho Killer“-Video

Am 5. Juni 1975 standen die Talking Heads zum ersten Mal gemeinsam auf einer Bühne. 50 Jahre später zelebriert die Band dieses Jubiläum mit einer überraschenden Premiere: einem offiziellen Musikvideo zu ihrem ikonischen Song „Psycho Killer“. Die Hauptrolle übernimmt Schauspielerin Saoirse Ronan.

„Psycho Killer“ erschien erstmals 1977 als Teil des Debütalbums „Talking Heads: 77“ und wurde schnell zu einem ihrer bekanntesten Songs. Trotz seiner düsteren Thematik gab es bisher kein offizielles Musikvideo. Mills‘ Inszenierung mit Ronan rückt nun den Song in ein neues Licht: Sie spielt eine junge Frau, die sich in ihrem Alltag immer wieder verwandelt – zwischen Schlafzimmer, Küche, Büro und Auto entstehen unterschiedliche Versionen ihrer selbst, mal wütend, mal apathisch, mal ekstatisch.

„Dieses Video macht den Song besser“, ließ die Band in einem knappen Statement verlauten. „Wir lieben daran, was es nicht ist – es ist nicht wörtlich, nicht gruselig, nicht blutig oder körperlich gewalttätig. Es ist nicht offensichtlich.“

Für Regisseur Mike Mills, bekannt für seine Arbeit an „20th Century Women“ und Musikvideos für Air und Moby, war das Projekt eine Herzensangelegenheit: „Dieses Album hat für mich verändert, was im Leben möglich ist“, sagt er. „Mit der subversiven, nicht kategorisierbaren Schönheit der Talking Heads zu arbeiten, war ein Geschenk. Saoirse hat so viel Überraschung, Kraft, Verletzlichkeit und Schalk eingebracht – ich kann immer noch nicht glauben, dass das wirklich passiert ist.“

Saoirse Ronan teilt diese Begeisterung: „Schon allein in einem Atemzug mit den Talking Heads genannt zu werden, ist eines der coolsten Dinge, die mir je passiert sind“, so die Schauspielerin. „Ich bin mit dieser Musik aufgewachsen. Dieses Video mit Mike Mills zu drehen, war ein Kindheits-, Teenager- und Lebenstraum zugleich. Wir hatten so viel Spaß beim Dreh, ich kann es kaum erwarten, dass die Fans es sehen.“

Die Gerüchteküche rund um ein mögliches Comeback der Band hatte zuletzt wieder Fahrt aufgenommen, nachdem die Talking Heads im Jahr 2023 erstmals seit 20 Jahren alle vier Gründungsmitglieder – David Byrne, Tina Weymouth, Jerry Harrison und Chris Frantz – zu gemeinsamen Auftritten und Interviews zusammenkamen. Anlass war das 40. Jubiläum des legendären Konzertfilms „Stop Making Sense“, begleitet von einer umfangreichen Neuveröffentlichung.

Einen echten Bühnen-Comebackplan gibt es allerdings weiterhin nicht: „Ich habe es ein paarmal versucht, zuletzt vor etwa 20 Jahren“, sagte Drummer Chris Frantz jüngst dem NME. „Aber David meinte danach: ‘Frag mich das nie wieder, ich will mich nicht damit beschäftigen.’ Das ist schade, aber so ist es eben.“

Stattdessen pflegen die Talking Heads ihr Erbe mit zahlreichen Re-Releases. Letzten Herbst erschien eine „Super Deluxe“-Edition ihres Debüts „Talking Heads: 77“, zu Record Store Day 2025 kam ein Livealbum aus dem Jahr 1978 heraus. Im Dezember trat die Band sogar bei der US-Quizshow „Jeopardy!“ auf, wo sie Trivia-Fragen zu ihrer Karriere stellten – ein weiteres Indiz dafür, dass ihr Vermächtnis lebendig bleibt, auch ohne Reunion.

David Byrne bleibt derweil als Solokünstler aktiv. Anfang des Jahres überraschte er mit einer Performance von Robyns „Dancing On My Own“ bei einem Jubiläumskonzert von „Saturday Night Live“. Außerdem verriet Hamilton Leithauser von The Walkmen, dass Byrne an einem neuen Soloalbum arbeitet, auf dem Leithauser ebenfalls zu hören sein wird.

Gitarrist Jerry Harrison wiederum geht 2025 mit Adrian Belew, bekannt durch seine Arbeit mit King Crimson, auf „Remain In Light“-Tournee durch Großbritannien und Europa. Damit bleibt der Einfluss der Talking Heads auch ein halbes Jahrhundert nach ihrem ersten Auftritt spürbar – wenn auch nicht als Band, so doch durch die kreativen Köpfe, die sie einst prägten.

„Psycho Killer“ ist seit 1977 ein Fixpunkt im Sound der Talking Heads. Das neue Video zeigt eindrucksvoll, wie sich selbst ein so ikonischer Song immer wieder neu deuten lässt. Mit Saoirse Ronan als charismatischer Protagonistin und Mike Mills als sensibler Regisseur entsteht ein visuelles Update, das den Nerv der Zeit trifft – ohne sich anbiedernd in Blut oder Horror zu flüchten. Ein würdiger Geburtstagsgruß an eine der einflussreichsten Bands der Rockgeschichte.

By Distributed by Sire Records. Photographer uncredited. - eBay listing one, Archive 1, eBay listing two, Archive 2, WorthPoint, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=154853997
Foto Distributed by Sire Records. Photographer uncredited. – eBay listing one, Archive 1, eBay listing two, Archive 2, WorthPoint, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=154853997

Talking Heads Biografie

Talking Heads zählen zu den prägendsten Bands der späten 1970er- und frühen 1980er-Jahre. Gegründet wurde die Band 1975 in New York von David Byrne (Gesang, Gitarre), Tina Weymouth (Bass), Chris Frantz (Schlagzeug) und Jerry Harrison (Keyboards, Gitarre). Der Kern der Band formte sich jedoch schon zuvor: Byrne, Weymouth und Frantz kannten sich von der Rhode Island School of Design, wo sie Teil einer künstlerischen Subkultur waren, die visuelle Kunst, Musik und Performance miteinander verband.

Von Beginn an verband die Talking Heads eine Mischung aus künstlerischem Anspruch und unkonventionellem Songwriting. Sie traten erstmals im legendären CBGB-Club auf, der zum Epizentrum des New Yorker Punk- und New-Wave-Booms wurde, und spielten sich dort als Vorband der Ramones in die Szene.

Erste Erfolge: „Talking Heads: 77“ und „Psycho Killer“

1977 erschien das Debütalbum „Talking Heads: 77“. Mit Songs wie „Psycho Killer“ oder „Uh-Oh, Love Comes to Town“ präsentierten sie einen Sound, der zwischen minimalistischen Gitarrenriffs, nervösem Funk und lakonischem Gesang pendelte. „Psycho Killer“ wurde ihr erster kleiner Hit, ein Song, der mit seiner eingängigen Basslinie und der unheimlichen Stimmung sofort auffiel.

Zusammenarbeit mit Brian Eno: Klangexperimente und Innovation

Mit dem zweiten Album „More Songs About Buildings and Food“ (1978) begann die Zusammenarbeit mit Produzent Brian Eno, der später auch für U2 und David Bowie tätig wurde. Diese kreative Partnerschaft trieb die Talking Heads in immer experimentellere Richtungen. Ihr Sound wurde vielschichtiger, angereichert mit elektronischen Effekten, afrikanischen Rhythmen und artifiziellen Klangcollagen. Der von Al Green gecoverte Song „Take Me to the River“ brachte der Band breitere Aufmerksamkeit.

Das dritte Album „Fear of Music“ (1979) führte diesen Ansatz weiter. Songs wie „Life During Wartime“ oder „Heaven“ verarbeiteten gesellschaftliche Ängste und urbane Paranoia, verpackt in tanzbare Grooves und eigenwillige Melodien.

Der Höhepunkt: „Remain in Light“ und das globale Erbe

Mit „Remain in Light“ (1980) veröffentlichten Talking Heads ihr künstlerisch ambitioniertestes Werk. Brian Eno war erneut Produzent, und die Band ließ sich von westafrikanischer Polyrhythmik, Funk und elektronischen Sounds inspirieren. Der Song „Once in a Lifetime“ wurde zu einem ihrer bekanntesten Stücke, visuell untermalt von einem surrealistischen Video, das David Byrnes manische Körpersprache ikonisch in Szene setzte.

Diese Phase markierte nicht nur einen kreativen Höhepunkt, sondern auch eine Öffnung zu einem internationalen Publikum. „Remain in Light“ gilt heute als Meilenstein in der Rockgeschichte und als Blaupause für spätere Fusionen von Rock, Weltmusik und elektronischen Klängen.

„Stop Making Sense“: Ein Live-Meisterwerk

1983 erschien das Live-Album „Stop Making Sense“, begleitet von dem gleichnamigen Konzertfilm unter der Regie von Jonathan Demme. Der Film dokumentierte einen Auftritt der Band in Los Angeles und zeigte eine wachsende Bühnenshow, die mit Byrnes legendärem „Big Suit“ zur Pop-Ikone wurde. „Stop Making Sense“ gilt bis heute als einer der besten Konzertfilme aller Zeiten – eine visuelle Umsetzung der Bandästhetik, die ebenso minimalistisch wie energiegeladen war.

Auflösung und Nachwirkungen

Nach dem 1985 erschienenen Album „Little Creatures“ und zwei weiteren Studioalben („True Stories“ 1986 und „Naked“ 1988) schwand die kreative Dynamik. 1991 folgte schließlich die offizielle Auflösung der Band. David Byrne setzte seine Solo-Karriere fort, während Weymouth, Frantz und Harrison in verschiedenen Projekten – darunter die Tom Tom Club – aktiv blieben.

Ein umfassendes Comeback der Originalbesetzung blieb aus, auch wenn sich die Mitglieder 2002 für die Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame noch einmal gemeinsam auf die Bühne stellten. 2023 kam es erneut zu einem kurzen, aber gefeierten Aufeinandertreffen, als sie das 40-jährige Jubiläum von „Stop Making Sense“ mit öffentlichen Auftritten und Interviews zelebrierten.


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