Sechzehn Jahre nach ihrem letzten gemeinsamen Studioalbum Strict Joy melden sich Glen Hansard und Markéta Irglová als The Swell Season zurück – mit einem Werk, das bewusst nicht auf Nostalgie setzt, sondern bewusst nach vorne blickt.
★★★★☆
Forward ist ein reifes, emotional dichtes Album geworden, das seine Kraft aus Intimität, gegenseitigem Vertrauen und der Erkenntnis schöpft, dass künstlerisches wie persönliches Wachstum oft in der Stille geschieht.
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Bekannt wurde The Swell Season durch den irischen Independent-Film Once (2007), in dem Hansard und Irglová sich selbst spielten – ein Musikerduo auf der Suche nach Verbindung, sowohl musikalisch als auch emotional. Der Song „Falling Slowly“ wurde nicht nur zu einem internationalen Hit, sondern gewann auch einen Oscar für den besten Filmsong. Was als einmaliges Projekt begann, wurde bald zum festen Namen: Mit dem Debüt The Swell Season (2006) und dem Nachfolger Strict Joy (2009) etablierte sich das Duo als eine feste Größe zwischen Folk, Kammerpop und Singer-Songwriter-Tradition.
Die Trennung der beiden, die zwischenzeitlich auch privat ein Paar waren, markierte das Ende der gemeinsamen Karriere. Beide veröffentlichten in der Zwischenzeit Soloalben, gingen getrennte Wege. Doch ganz losgelassen haben sie sich nie. Im Hintergrund blieb eine musikalische Beziehung bestehen, die nun in Forward wieder hörbar wird.
Forward ist kein Comeback im klassischen Sinn. Kein Aufkochen alter Gefühle, keine bloße Wiedervereinigung aus Gründen der Karriere. Vielmehr klingt das Album wie eine stille Übereinkunft zweier Künstler, die ihre gemeinsame Sprache nicht verloren haben.
Schon der Opener „Factory Street Bells“ macht klar, worum es hier geht: Um Erinnerung, um Zeit, um Veränderung. Der Song ist Hansards Sohn gewidmet. Es ist ein ruhiger Einstieg, der nicht beeindrucken will, sondern Raum und Zeit schafft.
„Stuck in Reverse“ greift thematisch die Angst vor Stillstand auf, musikalisch getragen von Hansards kratziger Stimme. „People We Used to Be“ arbeitet mit ähnlichen Kontrasten. Das Erinnern steht nicht für Stillstand, sondern für Bewusstsein. Die Vergangenheit wird nicht verklärt, sondern als notwendiger Teil des Jetzt verstanden.
Manche Stücke wirken fast wie Soloarbeiten mit Gastmusiker, auch beim Konzert in Berlin kam das zum Ausdruck. Wenn Irglová ihre traurige Ballade „I Leave Everything To You“ anstimmt, tritt Hansard ganz zurück in die Band und wird zum Gitarristen ihrer Band. Umgekehrt könnte „Great Weight“ ebenso gut auf einem von Hansards Soloalben stehen, die Bläser, der Rhythmus, die raue Dringlichkeit tragen deutlich seine Handschrift. Und doch funktioniert der Song genau deshalb so gut: Irglová bringt mit ihrer zärtlichen Stimme einen Moment der Öffnung hinein, der den Song über sich hinaushebt.
Aufgenommen wurde das Album in Irglovás Heimstudio in Island, ein Ort, der nicht nur klanglich, sondern auch atmosphärisch prägt. Hier trafen sich nicht nur Hansard und Irglová, sondern auch langjährige Wegbegleiter wie Marja Gaynor, Bertrand Galen oder Joseph Doyle. Es wirkt wie ein geschützter Raum, in dem nicht produziert, sondern miteinander gejammt wurde. Die Wärme dieser Sessions ist in jedem Song spürbar. Selbst wenn sich die Arrangements gelegentlich zurücknehmen, bleibt die emotionale Dichte hoch.
„Forward“: der Titel ist nicht nur programmatisch, sondern auch eine Art Selbstvergewisserung. Irglová brachte es in einem Interview auf den Punkt: „We’re not going backwards.“ Das bedeutet auch, dass das Album keine Kopie vergangener Erfolge sein will. Statt hymnischer Höhepunkte gibt es leise Beharrlichkeit, statt cineastischer Dramatik fein gewebte Stimmungen. Es ist ein Album, das wächst, wenn man sich ihm Zeit lässt.
Biografie: The Swell Season
The Swell Season ist ein Folk-Duo bestehend aus dem irischen Musiker Glen Hansard (The Frames) und der tschechischen Sängerin und Pianistin Markéta Irglová. Der Name stammt aus dem gleichnamigen Roman des tschechischen Autors Josef Škvorecký, einem Lieblingsbuch von Hansard.
Die musikalische Partnerschaft begann 2005, als die beiden vom tschechischen Regisseur Jan Hřebejk eingeladen wurden, Songs für seinen Film Beauty in Trouble beizusteuern. Daraus entstand das Debütalbum The Swell Season (2006).
Der internationale Durchbruch kam ein Jahr später mit dem Film Once, in dem Hansard und Irglová nicht nur die Hauptrollen spielten, sondern auch fast den gesamten Soundtrack beisteuerten. Mit dem Oscar-prämierten Song „Falling Slowly“ wurden sie über Nacht bekannt. Hansard hatte 1991 bereits in Alan Parkers Musikfilm „The Committments“ eine tragende Rolle.
Ihr zweites Album Strict Joy erschien 2009 und wurde als musikalische Verarbeitung ihrer Trennung gelesen. Es zeigte, dass ihre künstlerische Verbindung auch ohne romantische Beziehung bestehen kann. Der Film The Swell Season (2011) dokumentierte diese Phase eindrücklich.
Trotz großer Popularität und weltweiter Tourneen ging das Duo ab 2010 getrennte Wege. Beide Künstler widmeten sich ihren Soloarbeiten: Hansard veröffentlichte mehrere Alben und arbeitete u. a. mit Eddie Vedder, Irglová konzentrierte sich auf Kompositionen und gründete eine Familie in Island.
Erst in den 2020er-Jahren kam es wieder zu vereinzelten Auftritten und neuen Songs, darunte