Einige Künstler bieten ihre Musik oder Bilder in neuen Formaten, so genannten NFTs („Non-Fungible Token“) an. Im Grunde handelt es sich dabei um eine kopiergeschützte Datei, die so etwas wie ein Original darstellen soll. Doch das ist ein großes Missverständnis.
Der Rapper Cro versteigerte ein Bild seiner Panda-Maske als NFT für einen fünfstelligen Betrag. Kool Savas den Text seines Songs „King of Rap“ und die Kings of Leon einige Konzertickets auf Lebenszeit. Ein scheinbar neues Geschäftsmodell erobert langsam auch die Musikwelt.
Eine gute Idee könnte man also meinen und so hoffen vor allem Künstler, die nicht von ihrer Kunst leben können auf neue Einnahmequellen.
Doch was hat man als Käufer eigentlich davon, ein Bildchen zu besitzen, außer es weiterzuverkaufen? Was passiert, wenn auf den Konzerten von Kings Of Leon der Türsteher ungläubig auf dein NFT schaut und dir den Vogel zeigt? Oder sich die Band auflöst? Und was kannst du mit einem „exklusiven“ Text von Kool Savas machen, der überall umsonst im Internet zu finden ist und dessen Urheberrechte beim Künstler bleiben? Richtig: gar nichts.
NFT sind des Kaisers neue Kleider
Als angeblicher Vorteil von NFT wird häufig genannt, dass sie dezentral seien. Niemand reguliert sie. Das heißt im Umkehrschluss: man kann seine Rechte nirgendwo einklagen. Und wenn man Rechte nirgendwo einklagen kann, hat man in Wahrheit gar keine.
ACT DES MONATS
Wenn man nicht auf das Konzert von Kings Of Leon kommt mit seinem Lebenszeit-Ticket, weil die Türsteher es nicht kennen, weil man es verloren hat, weil es gestohlen oder gelöscht wurde, dann hat man einfach Pech. Und viel Geld verloren. Niemand interessiert sich dafür. Währenddessen sitzt Cro in seiner Luxusvilla auf Bali und denkt sich aus, wie er seine Fans noch ausnehmen kann. Das ist zwar auch kreativ, aber nicht besonders sympathisch.
Wenn selbst das Geschäftsmodell von Apple iTunes, Musik für 1 Euro pro Song kopiergeschützt zu verkaufen, nicht funktioniert hat, warum sollte eigentlich irgendwer eigentlich Kunst von unbekannten Künstlern als teures NFT kaufen? NFT sind vor allem für reiche Künstler ein Weg, noch reicher zu werden, weil sie von jedem Weiterverkauf profitieren. Weil es immer einen Dummen gibt, der auf diese Art der künstlichen Verknappung reinfällt.
Großkünstler Hirst kreiert Schlagzeilen, um NFT zu verkaufen
So verbrannte der geschäftstüchtige Konzeptkünstler Damien Hirst nun öffentlichkeitswirksam tausende Bilder, weil er sie als NFT verkaufen möchte. Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht Schwachsinn: die Bilder wurden von seiner Kunstfabrik genau für diesen Zweck produziert, hatten also noch gar keinen Wert, außer Schlagzeilen zu produzieren. Und wer ein Foto dieser nun nicht mehr existenten Bilder als NFT kauft, kauft einfach nur eine URL zu einem Bild und nicht das Bild selbst. Denn das größte Missverständnis ist, dass es sich bei NFTs um Originale handelt. Dabei handelt es sich nur um eine Adresse zu einer Datei.
Würde ein Künstler ohne großen Namen seine Kunstwerke verbrennen: kein Mensch würde sich darum scheren. Niemand würde darüber schreiben. Niemand würde das NFT kaufen. NFT nutzt also nur den Reichen und Mächtigen, denen, die schon alles haben und nun gierig noch mehr wollen. Und das ist ein gesellschaftliches Problem, nicht die Lösung für irgendwas.
Das dritte Web: Pyramidensystem und Sicherheitsproblem
Der Informatiker Jürgen Geuter hat in einem aufsehenerregenden Essay die grundlegenden Probleme der gehypten Krypto-Technologie dargelegt. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass das so genannte Web 3.0, das auf der Blockchain-Technologie basiert, nicht nur umwelttechnisch eine Katastrophe, sondern auch schlicht und ergreifend Abzocke ist.
Er vergleicht sie mit den Versuchen der Musikindustrie Anfang der 00er Jahre, CDs mit einem Kopierschutz zu versehen, um das Kopieren von Musik künstlich einzuschränken.
Hier einige seiner Thesen aus dem englischsprachigen Artikel (übersetzt von uns, eine deutsche Version des Textes ist in Arbeit und wird dann hier verlinkt):
„1. Blockchains funktionieren weder, noch skalieren sie
Ethereum – die Blockchain, die viele dieser Dinge verwenden – hat die Rechenleistung einer alten Apple II-Box. Es verbraucht dafür so viel Strom wie Belgien, aber von der reinen Rechnenleistung ist das Ding langsam. Bitcoin kann derzeit etwa 4,5 Transaktionen pro Sekunde durchführen. FÜR ALLE BITCOIN. Ethereum ist etwas besser und kann etwa 30 Transaktionen pro Sekunde durchführen. Das ist lächerlich niedrig. Das VISA-Netzwerk zur Verarbeitung von Kreditkarten kann bis zu 24.000 Transaktionen pro Sekunde durchführen (derzeit sind es etwa 1.740 pro Sekunde).
–
2. Web3 ist eine Sicherheitskatastrophe
Kreditkartendaten werden gestohlen und wenn es deine sind, ist das sehr ärgerlich. Du musst eine neue Karte besorgen und dem Kreditkartenunternehmen mitteilen, dass eine Reihe von Transaktionen betrügerisch waren. Es ist mühsam. Aber es gibt Systeme, die dich schützen. Sie sind nicht perfekt, aber sie funktionieren ziemlich gut. Bei einem Blockchain-basierten System fallen all diese Schutzmaßnahmen weg, da es kein „Rückgängigmachen“ gibt. Wenn du deine Lebensersparnisse in Bitcoin hast und jemand Zugang zu deinem Schlüssel erhält, sind diese Münzen weg und du hast Pech gehabt.
–
3. Web3 ist nur ein Versuch, einen Anwendungsfall für Blockchain zu finden
Wenn sich ein Ingenieur mit einem Problem befasst, sammelt er zunächst die Anforderungen. Was muss das zu bauende System leisten und wie und für wen etc. Danach schauen sie sich bestehende Technologien an und sehen, welche Technologie und Plattform am besten zu den Anforderungen passt. Bei Web3 ist es umgekehrt.
–
4. NFTs tun nicht das, was sie vorgeben zu tun
Web3 möchte sogar reale Dinge oder zumindest Dinge außerhalb der Blockchain durch Token, insbesondere NFTs, modellieren. Aber nur weil ich eine NFT erstellt habe, die behauptet, ich besitze die Mona Lisa (was natürlich jemand getan hat), besitze ich nicht die Mona Lisa. Unabhängig davon, was der Token sagt. NFTs haben auch keinerlei Rechtsanspruch auf irgendetwas. Du besitzt vielleicht ein NFT, das einen Link hat, der auf ein beschissenes Kunstwerk eines Affen verweist, aber du hast nicht automatisch eine Lizenz für das Kunstwerk oder bist der tatsächliche Eigentümer. Du besitzt eine Sache, die besagt, dass du die andere Sache besitzt. Hast aber keine Autorität darüber. Ich kann einfach eine NFT erstellen, die auf „deinen“ Affen verweist, und behaupten, ihn zu besitzen. Warum sollte dein NFT besser sein als meines?
–
5. Es basiert auf Pyramidensystemen
Kryptowährungen sind ein sogenanntes Nullsummenspiel: Alles Geld, was irgendjemand rausziehen möchte, muss irgendjemand anders einbringen. Die Gewinne der einen sind die Verluste der anderen. Das ist natürlich ein Problem, wenn du einige von diesen hochpreisigen Kryptocoins hast, aber kein Opfer, dem du die für echtes Geld andrehen kannst. Was wiederum einer der Hauptgründe ist, warum NFTs so viel Aufmerksamkeit bekommen haben.
Mit diesem Hintergrundwissen ist es moralisch falsch, mehr Menschen in diese Räume zu bringen. Selbst wenn es unglaublich nützliche, einzigartige Web3-Dienste gäbe (gibt es nicht), würde man die Leute damit extremen Risiken aussetzen.
Der Zweck eines Systems ist das, was es tut, und wenn in einem System nur Betrügereien und Schneeball-Systeme betrieben werden, ist das sein Zweck. Und das ist dann ein System, was unbedingt sterben muss.
Geuter nennt noch viele weitere Argumente, die gegen die Blockchain Technologie sprechen und kommt zu folgendem Schluss:
Das Versprechen des Internets, Menschen Zugriff auf Informationen und potenziell die Macht der Veröffentlichung zu bieten, soll im Web3 ersetzt werden durch ein unreguliertes Casino, das buchstäblich unseren Planeten niederbrennt. Ich kann mir kaum etwas Verachtenswerteres vorstellen.
Der Artikel kann hier in voller Länge gelesen werden.
Wer es ganz genau wissen will, kann sich hier in zwei Stunden nochmal alle Argumente anhören, die gegen NFT sprechen.