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ESC 2026: Mehrere Länder sagen Teilnahme wegen Israel ab

Der Eurovision Song Contest, geplant für Mai 2026 in Wien, gerät zunehmend unter Druck: Nachdem die Europäische Rundfunkunion (EBU) Israels Teilnahme trotz massiver internationaler Kritik bestätigt hat, haben mittlerweile mehrere Länder ihren Boykott angekündigt.

Was ursprünglich als symbolischer Protest einzelner Staaten begann, entwickelt sich inzwischen zur schwersten Krise in der 70-jährigen Geschichte des Wettbewerbs.

Die Liste der Länder, die ihre Teilnahme abgesagt haben, wächst derzeit täglich. Aktuell gehören Spanien, Irland, die Niederlande und Slowenien offiziell zu den Aussteigern. Weitere Länder, darunter Portugal, Island und Belgien, prüfen derzeit eine ähnliche Entscheidung.

Insbesondere der Rückzug Spaniens wiegt schwer: Der öffentlich-rechtliche Sender RTVE zählt zu den wichtigsten finanziellen Unterstützern des ESC. Auch die Niederlande, traditionell stark vertreten im Wettbewerb, vollzogen mit klaren Worten den Ausstieg. „Mit schmerzendem Herzen, aber aus Überzeugung: AVROTROS wird 2026 nicht am Songfestival teilnehmen“, hieß es in einem offiziellen Statement.

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Der irische Rundfunk RTÉ kündigte an, den ESC 2026 weder zu beschicken noch zu übertragen. Ähnlich äußerte sich der slowenische Sender. In allen Fällen wurde Israels Vorgehen im Gazastreifen nach dem Angriff der Hamas im Oktober 2023 als zentraler Auslöser genannt.

Was die Länder damit genau erreichen wollen, bleibt allerdings fraglich. Der Eurovision Song Contest war in der Vergangenheit ein Ort des kulturellen Austauschs und das einzige Event neben Fußball, das verschiedene Länder vor dem Fernseher versammeln konnte.

EBU hält an „Unparteilichkeit“ fest

Die EBU verweist in ihrer Entscheidung auf die Regeln des Wettbewerbs: Der ESC sei eine kulturelle Veranstaltung, getragen von öffentlich-rechtlichen Sendern, und kein politisches Forum. In ihrer offiziellen Erklärung betonte sie, dass die Mitgliedsstaaten ihre „klare Unterstützung für Reformen zur Stärkung des Vertrauens und Schutz der Neutralität“ zum Ausdruck gebracht hätten.

Eine ursprünglich geplante Abstimmung über die israelische Teilnahme fand nicht statt. Stattdessen verabschiedete die EBU ein Maßnahmenpaket, das strukturelle Reformen vorsieht: Die Gewichtung des Publikumsvotings wird verringert, die Rolle der Jury in Halbfinals und Finale gestärkt. Damit reagiert die Organisation auch auf die Kontroverse beim ESC 2025 in Basel, bei der die israelische Sängerin Yuval Raphael durch eine ungewöhnlich hohe Publikumswertung den zweiten Platz erreichte. Beobachter sprachen von einer gezielten Mobilisierung zugunsten Israels.

Deutschland lehnt einen Boykott ab

Die Reaktionen auf den EBU-Kurs könnten gegensätzlicher kaum sein. Während sich die ARD und der deutsche Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hinter die Entscheidung stellen, wächst der Unmut in anderen Teilen Europas.

„Israel gehört zum ESC wie Deutschland zu Europa“, sagte Weimer der Bild-Zeitung. Die ARD lobte die „Unparteilichkeit“ der EBU und sprach sich ausdrücklich für die Reformen aus. Gleichzeitig nahmen aber mehrere Mitgliedssender das Motto „United by Music“ nicht mehr als tragfähig wahr. In den sozialen Medien ist bereits von einem „verlorenen Jahr“ für den ESC die Rede. Doch möglicherweise greift die Spaltung viel tiefer, denn auf die meisten Boykotte folgen Gegenboykotte.

Symbolik des ESC steht auf dem Prüfstand

Dass der ESC mehr als nur ein Pop-Wettbewerb ist, zeigt sich in der aktuellen Krise besonders deutlich. Der Contest ist seit Jahrzehnten ein Symbol für europäische Zusammenarbeit, kulturellen Austausch und Diversität. Doch diese Grundidee steht nun im Widerspruch zur Realität eines Kriegs in Nahost und der öffentlichen Erwartung, dass sich auch kulturelle Institutionen klar positionieren.

In mehreren Ländern gibt es Proteste und Demonstrationen gegen die israelische Teilnahme. In Spanien kam es bei der Radrundfahrt La Vuelta zu Blockadeaktionen, bei denen Aktivisten ihre Solidarität mit Palästina zeigten. Auch in Skandinavien ist der Druck aus der Bevölkerung spürbar. In Island etwa sprechen sich Künstlerinnen und Kulturschaffende öffentlich gegen eine Teilnahme aus.

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ORF in schwieriger Rolle

Für den ORF als gastgebenden Sender ist die Situation eine Gratwanderung. Die Vorbereitungen für das Finale am 16. Mai 2026 in Wien laufen bereits auf Hochtouren. Offiziell äußert sich der Sender nur zurückhaltend zur politischen Debatte. Intern aber soll die Sorge über eine sinkende Teilnehmerzahl und die wachsende öffentliche Kritik groß sein.

Denn schon jetzt ist klar: Selbst wenn keine weiteren Länder aussteigen, wird der ESC 2026 unter einem Schatten stattfinden. Der Rückzug etablierter ESC-Staaten wie Spanien, Irland und den Niederlanden reißt nicht nur musikalisch Lücken ins Teilnehmerfeld, sondern stellt auch die Glaubwürdigkeit des Wettbewerbs infrage.

Weitere Rückzüge möglich

Noch ist offen, wie sich andere Länder entscheiden. Belgien, Portugal und Island haben angekündigt, in den nächsten Tagen über eine mögliche Teilnahme zu beraten. Auch in Skandinavien gibt es anhaltende Debatten. Sollte sich der Boykott ausweiten, könnte der ESC 2026 mit einer deutlich reduzierten Teilnehmerzahl stattfinden – oder sogar vor einem strukturellen Umbruch stehen.

Dass der Wettbewerb politisch nicht neutral ist, hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Der Ausschluss Russlands nach dem Angriff auf die Ukraine 2022 war ein deutliches Zeichen, allerdings handelt es sich bei Russland schon lange nicht mehr um ein demokratisches Land und eine Diktatur nutzt solche Formate üblicherweise für Staatspropaganda. In Israel wurde die Teilnehmerin des letzten Jahres demokratisch durch eine Castingshow per Publikumsentscheid ausgewählt. Insofern ist der Boykott Israels ein Boykott der Menschen dort und kein wirksamer Protest gegen die rechtsextreme Regierung. Und die dürfte das alles wenig interessieren.

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