Helge Schneider hat mit „Sommer, Sonne, Kaktus!“ zum ersten Mal ein Album auf Platz 1 der Charts. Vermutlich sind hier seine guten Beziehungen zu Pro7 nicht ganz unschuldig, aber sei’s drum: Helge Schneider ist endgültig mitten im deutschen Mainstream angekommen. Und das mit einer höchst subversiven Platte.
Wenn es um Musik geht, versteht Helge keinen Spaß! Obwohl er regelmäßig mit den besten Musikern zusammen arbeitet und mit großer Band auf Tour geht, hat er sein Album einmal mehr komplett alleine eingespielt. Dieses aus dem Handgelenk geschüttelte, dahingeklimperte kann man keinem Musiker erklären oder beibringen. Kein Schlagzeuger wird je freiwillig aus dem Takt geraten, kein Bläser wird je falsche Noten einspielen, so herrlich schief und krumm kann er das nur selber hinkriegen.
Herausgekommen ist ein Album, dem der alberne Titelsong (bekannt aus Funk und Fernsehen) nicht annähernd gerecht wird. Helge Schneider präsentiert sich auf „Sommer, Sonne, Kaktus!“ vielmehr als ein deutscher Tom Waits, croont sich durch einige Klassiker der Musikgeschichte wie „Mr. Bojangles“ oder „Somewhere Over The Rainbow“, dass es eine Freude ist. Und er zeigt mit Songs wie „To Be A Man“ auch, dass er nicht nur albern, sondern auch ganz gefühlvoll kann. So schmuggelt Schneider mit seiner Platte dem deutschen Pro7-Zuschauer heimlich Jazz aufs iPhone, eine Musik, die wie seine Konzerte und seine Filme von der Improvisation lebt und die man eigentlich nur noch in einigen wenigen alten Jazzclubs findet.
Helge Schneider ist immer noch der genial dilettantische Alleinunterhalter, der als „singende Herrentorte“ bekannt wurde. Nichts an seiner Musik ist auf Erfolg oder Charts getrimmt, er gibt sich nicht mal besondere Mühe damit, nimmt einfach den ersten Take und lässt es dabei bewenden. Mit seinem Improvisationstalent und dem Mut zum Unperfekten, ist Helge Schneider ein Glücksfall für ein Land, das vor allem für seine Liebe zu Ordnung und Perfektion bekannt ist. Niemand verdient diese Nummer 1 mehr als Helge Schneider, selbst wenn es ihm persönlich vermutlich ziemlich egal sein dürfte. Schließlich macht er sowieso nur das, worauf er Lust hat und lässt sich nicht verbiegen oder korrumpieren. Und das ist letztlich die wichtigste Voraussetzung für seine Kunst, ohne Netz und doppelten Boden drauf los improvisieren zu können.
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