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Lösch dein Facebook! Wie Meta aus deinem Smartphone ein Trainingslager für KI macht

Meta testet gerade eine neue Funktion für Facebook, sie soll angeblich Kreativität fördern, schlägt Collagen aus Fotos vor und hilft beim Teilen von Inhalten. Was harmlos klingt, ist in Wahrheit ein weiterer Versuch, tief ins Privatleben der Nutzer:innen vorzudringen. Denn der Konzern fordert nicht nur Zugriff auf die Kamera, sondern auf den gesamten Gerätespeicher.

“Wir wählen Medien aus deiner Kamerarolle aus und laden sie fortlaufend in unsere Cloud hoch.” (Facebook)

So steht es in Metas offizieller Ankündigung zu dem Feature, das in den USA und Kanada bereits ausgerollt wurde. Die Idee: Facebook analysiert Bilder und Videos auf dem Smartphone, erkennt Muster wie Zeit, Ort oder Thema und schlägt daraus “kreative Ideen” vor. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte steht wie so oft in der Datenschutzrichtlinie, in einem Text, den kaum jemand freiwillig liest.

“Wenn du ein Foto oder Video mit Metas KI-Werkzeugen bearbeitest oder teilst, kann es zur Schulung unserer KI genutzt werden.”

Die Funktion ist “opt-in”, muss also aktiv vom Nutzer freigeschaltet werden. Doch wer zustimmt, erlaubt damit nicht nur den Upload privater Medien, sondern öffnet auch die Tür für ein weitreichendes Tracking. Besonders brisant: Laut Meta können Medien aus der Foto-Mediathek für das Training von Künstlicher Intelligenz verwendet werden.

“Medien und Gesichtszüge können von Meta AI analysiert werden.”

Es ist ein kleiner Satz mit großer Tragweite. Denn er bedeutet, dass die KI von Meta nicht nur auf Inhalte, sondern auf biometrische Merkmale zugreift: Gesichter, Orte, Verhaltensmuster von dir und allen deinen Freunden, Familie und Kinder. Ohne deren Wissen, ohne deren Zustimmung.

Die auf Datenschutz spezialisierte Forscherin Luiza Jarovsky hat sich die neue Policy im Detail angeschaut. Auf Linkedin schreibt sie:

„Ich wollte wissen, wie genau Meta mit den Inhalten aus der Kamerarolle umgeht und was ich fand, war deutlich schlimmer als erwartet.“

„Camera roll content“ taucht in der aktualisierten Datenschutzrichtlinie 13 Mal auf und zwar in folgenden Kontexten:

  • zur Personalisierung und Verbesserung von Metas Produkten
  • zur Sicherstellung von Sicherheit und Integrität
  • für Analysen, Business Intelligence und Marketingzwecke
  • zur Identifizierung von Nutzer:innen
  • zur Weitergabe an Dritte, Partner und Behörden
  • für die Forschung und Innovation im Sinne des Gemeinwohls

Und das alles unter einem einzigen Zustimmungs-Klick.

Die verlogene Sprache, mit der Meta dieses Feature einführt ist besonders perfide. Statt von „fortlaufender Medienanalyse mit biometrischen Komponenten“ ist die Rede von „kreativen Ideen“. Der Konzern tarnt eine datenschutzrechtlich bedenkliche Funktion als Hilfsangebot, ein bekanntes Muster in der Produktpolitik großer Tech-Firmen.

Wer Inhalte auf seinem Smartphone speichert, erwartet einen geschützten Raum. Doch Meta will aus diesem privaten Archiv eine Ressource machen für das eigene KI-Training, für Analyse, für Monetarisierung.

Zwar wird behauptet, dass diese Inhalte nicht für personalisierte Werbung genutzt würden. Gleichzeitig steht in der Datenschutzrichtlinie, dass sie zur Personalisierung der „Meta-Produkte“ dienen, zu denen auch das Werbesystem zählt.

Auf vielen Geräten erscheint ein Pop-up mit harmlos formulierten Optionen. Wer versehentlich zustimmt oder im Alltag zu schnell tippt, gibt unter Umständen Zugriff auf Jahre an privaten Bildern frei.

Barbara Bonneau, Psychologin und Autorin, schreibt dazu:

„Ich habe versehentlich zugestimmt, weil das Popup im falschen Moment kam. Am Ende habe ich die App gelöscht, weil ich den Zugriff nicht wieder entziehen konnte.“

Und sie ist nicht die Einzige: Die Kommentare unter Jarovskys Post zeigen ein deutliches Stimmungsbild. Viele Nutzer reagieren entsetzt, einige haben Facebook bereits gelöscht, andere überlegen es sich gerade. Shelley Caverzan, Datenschutzberaterin, merkt an:

„Wer zustimmt, stimmt nicht nur für sich, sondern für alle, die auf den Fotos zu sehen sind.“

Aktuell betrifft das neue Feature nur Nutzer:innen in den USA und Kanada. In der EU würde eine solche Funktion vermutlich an der DSGVO scheitern, zumindest in der jetzigen Form. Der gezielte Upload biometrischer Daten ohne explizite Einwilligung aller Betroffenen dürfte nicht zulässig sein.

Doch ein Rollout in Europa ist mittelfristig nicht ausgeschlossen. Zumal sich Meta in der Vergangenheit häufig auf legitime Interessen berufen hat, um Funktionen durchzusetzen, etwa beim „Consent-By-Design“, also der Gestaltung von Einwilligungen so, dass möglichst viele Nutzer zustimmen, ohne die Tragweite zu verstehen. Zudem bekommt die EU hinsichtlich KI-Regulierung massiv Druck von der Trump-Regierung, die die fragwürdigen Interessen ihrer Broligarchen mit aller Macht durchzusetzen versucht.

Der ehemalige Meta-Entwickler Georg Zoeller kommentiert:

„Zuck bleibt Zuck. Wer wirklich sicher sein will, muss diese KI-Schrottparade deinstallieren. Der Druck auf Produktteams, ständig neue Features zu liefern, fördert genau solche undurchsichtigen Dark Patterns. Die Techbros wissen genau, dass sie im Grunde immun gegen ernsthafte Regulierung sind. Deshalb lautet das Motto: Nimm dir einfach die verdammten Daten vom Handy der Leute – im schlimmsten Fall gibst du sie an Behörden weiter, um dir Vorteile zu verschaffen. Du wirst zustimmen. Ob du willst oder nicht.“

Was jetzt?

Die Kamera-Funktion ist nur ein Beispiel dafür, wie sich Plattformen wie Facebook verändern, weg von einem sozialen Netzwerk, hin zu einer Infrastruktur für Datenerhebung im Dienste von KI-Systemen. Und damit zur Totalüberwachung.

Wer Facebook weiterhin nutzt, sollte sich bewusst machen, was hier auf dem Spiel steht. Und im besten Fall nicht nur die neue Funktion deaktivieren, sondern ernsthaft über eine Alternative nachdenken oder die App mit allen Daten einfach löschen.

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