Brian Wilson, Mitbegründer und kreativer Kopf der Beach Boys, starb am 11. Juni 2025 im Alter von 82 Jahren. Mit ihm verliert die Musikwelt eine ihrer meistrespektierten Figuren: ein Visionär, dessen Werk nicht nur den Surf-Sound der 1960er definierte, sondern Popmusik als Ganzes auf eine neue Ebene hob.
Geboren 1942 in Inglewood, Kalifornien, zeigte Wilson schon früh ein ausgeprägtes musikalisches Talent. Sein Vater, ein autoritärer und oft brutaler Mann, drängte ihn zur Musik. Wilson wuchs in einem musikalischen Umfeld auf, spielte Klavier und sang im Kirchenchor. Bereits in seiner Kindheit begann er, komplexe Harmonien zu entwickeln, ein Markenzeichen, das ihn ein Leben lang begleiten sollte.

Aufstieg mit den Beach Boys
1961 gründete er gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Dennis und Carl, seinem Cousin Mike Love und dem Schulfreund Al Jardine die Beach Boys. Der erste Song „Surfin’“ entstand mit geliehenem Equipment und finanziert vom Taschengeld der Eltern. Schnell folgten Hits wie „Surfin’ USA“, „California Girls“ und „Fun, Fun, Fun“, die den kalifornischen Lebensstil der Nachkriegszeit romantisierten und weltweit Erfolge feierten.
Obwohl die Beach Boys mit ihren Surf-Hymnen als Inbegriff des amerikanischen Traums galten, war Brian Wilson bereits früh ein Getriebener. Er schrieb und arrangierte die Songs, produzierte sie mit wachsendem Perfektionismus und entwickelte dabei seinen unverkennbaren Sound – mehrschichtige Gesangsarrangements und detailverliebte Produktionen, die Popmusik in orchestrale Dimensionen führten.
Pet Sounds: Der Meilenstein
1966 erreichte Wilsons Kreativität mit „Pet Sounds“ ihren Höhepunkt. Inspiriert von den Beatles und deren „Rubber Soul“, schuf er ein Album, das mit Songs wie „God Only Knows“ und „Wouldn’t It Be Nice“ eine emotionale Tiefe zeigte, die damals in der Popmusik ihresgleichen suchte. „Pet Sounds“ war ein kommerzieller Wagnis, ein Kunstwerk in einem von Teenager-Träumen geprägten Genre – und wurde später sehr häufig als eines der besten Alben aller Zeiten genannt.
Smile: Der Traum zerbricht
Wilson wollte diesen Erfolg noch übertreffen: „Smile“ sollte seine „teenage symphony to God“ werden. Doch die Aufnahmen gerieten zunehmend ins Chaos. Mitten in einer Phase psychischer Instabilität zog sich Wilson immer mehr zurück. Er verwandelte sein Wohnzimmer in eine bizarre Kreativwerkstatt – inklusive Sandkasten und Piano –, ließ Musiker Gemüse kauen und experimentierte mit avantgardistischen Arrangements.
Das Projekt endete in einem Nervenzusammenbruch. Die Bandkollegen, allen voran Mike Love, lehnten die komplexe Vision ab, und Wilson brach die Arbeit 1967 endgültig ab. Damit endete vorerst sein Wirken als dominanter Kopf der Beach Boys.
Rückzug und Absturz
Die folgenden Jahre waren geprägt von Rückzug und Drogenabhängigkeit. Wilson lebte zurückgezogen, seine psychischen Probleme verschärften sich. Zwar wirkte er gelegentlich an Songs wie „Do It Again“ mit, doch in den 1970ern versank er in Depressionen und Kokainsucht, zeitweise völlig isoliert von der Außenwelt.
Erst mit der Hilfe des umstrittenen Therapeuten Eugene Landy kehrte Wilson in den späten 1970ern ins Leben zurück. Landy organisierte eine radikale Therapie mit permanenter Überwachung, anfangs erfolgreich, später jedoch als Missbrauch der Arzt-Patienten-Beziehung entlarvt. Nach Landys Abgang kehrte Wilson zu seiner Familie zurück.
Späte Jahre: Die zweite Blüte
In den 1990er-Jahren fand Wilson zurück auf die Bühne. Mit Unterstützung junger Musiker wie der Wondermints wagte er sich an ein Comeback. 2004 spielte er „Smile“ in einer überarbeiteten Fassung live – ein triumphales Comeback, das Kritiker und Fans gleichermaßen begeisterte. Das verschollen geglaubte Meisterwerk erschien schließlich als „The Smile Sessions“, das mit einem Grammy ausgezeichnet wurde.
Wilson, der einst nie live auftreten wollte, trat in den folgenden Jahren wieder regelmäßig auf – auch in Europa, etwa 2005 beim Glastonbury Festival. Sein unverkennbares Lächeln auf der Bühne zeigte eine späte, leise Freude: Die Musik, sein Lebenselixier, hatte ihn gerettet.
2012 folgte eine kurze Wiedervereinigung mit den Beach Boys, bei der auch ein neues Album, „That’s Why God Made the Radio“, entstand. Anschließend ging er mit seinen Bandkollegenauf Tour. Beim Primavera Sound Festival 2016 spielten die Beach Boys mit Wilson am Piano ihr legendäres Album „Pet Sounds“ zum 50. Jubiläum noch einmal live, wenn auch am Nachmittag vor den großen Headlinern. Die Musik der Beach Boys fasziniert zwar auch heute noch viele junge Menschen, strahlt inzwischen allerdings auch die Nostalgie einer längst vergangenen Zeit aus, eine Zeit die maßgeblich vom Sound der Band geprägt wurde.
Brian Wilson hinterlässt ein einzigartiges musikalisches Erbe. Seine Songs bleiben unsterblich, seine Geschichte eine Mahnung: Große Kunst entsteht oft aus tiefem Schmerz. Wilsons Lieder erzählen davon – von jugendlicher Unbeschwertheit, von der Melancholie des Erwachsenwerdens, von Sehnsucht, die größer ist als jeder Strand. Sein Mut, Grenzen zu sprengen und immer wieder Neues zu wagen, hat die Popmusik für immer verändert.