In einer Musikwelt, in der oft Lautstärke über Tiefe siegt, liefert Gitarrist und Komponist Chris Janssen mit seinem zweiten Soloalbum Traitement ein stilles und präzises Statement.
Musik kann Erinnerungen nicht nur tragen, sondern sie in neue Erlebnisse verwandeln. Neun Kompositionen, inspiriert von Geschichten aus dem eigenen Leben. Das klingt zunächst nach Tagebuch, doch was Janssen daraus macht, ist weit mehr als das: ein fein ausbalancierter Mix aus Blues, Jazz, akustischen Klangskizzen und introvertierter Fusion.
Ein Musiker, der zuhört, bevor er spielt. Geboren am 16. Januar 1983, hat Janssen seine Ausbildung an der Future Music School und dem Münchener Gitarreninstitut absolviert. Er ist seit über zwei Jahrzehnten als Live- und Studiomusiker aktiv. Seine Einflüsse reichen von der poetischen Klarheit einer Emily Remler über den erdigen Ton von Eric Clapton bis hin zur feinsinnigen Erzählkunst von Dominic Miller. Einen wichtigen Platz nimmt dabei sein Lehrer, der Düsseldorfer Jazzgitarrist Philipp van Endert, ein.
Doch Janssen eifert nicht nach, er transformiert. Unterstützt von seinen musikalischen Weggefährten, Bassist Axel Weiss und Drummer/Produzent Mathias Diesel, erschafft er Klangräume, die weniger auf technische Brillanz setzen als auf Atmosphäre. Diese Musik will nicht beeindrucken, sie will mitnehmen.
Traitement beginnt mit „Monkey Boy“, einer akustischen Komposition im DADGAD-Tuning. Offene Saitenakkorde, perkussive Gitarrenschläge, ein fast körperliches Spiel, als würde jemand barfuß über Holz laufen. Mit „1997“ folgt eine leise Fusion-Nummer: warme Akkorde, Melodien, die sich wie Sonnenlicht durch Jalousien schleichen. Hier klingt nicht Virtuosität, sondern Intimität. „Blues for Emily“ ist eine Hommage an die viel zu früh verstorbene Remler. Ein Jazz-Blues, der mehr verneigt als kopiert.
Dann wird es persönlich: „Siesta“ erinnert an einen Sommer in Spanien, flirrend und leicht wie ein Nachmittag im Schatten. „Plastic Dolphin Waltz“ tanzt mit zarter Verspieltheit durch schwebende Akkorde, während „Bicycle Ride“ den Geist des Soul Jazz der 60er heraufbeschwört. Ein inneres Roadmovie auf zwei Rädern.
Mit „Childhood“ reist Janssen zurück in die norddeutsche Provinz, nicht nostalgisch, sondern staunend. „St. Patrick’s Day Parade“ entführt in folkige Gefilde, inspiriert von einer Filmszene aus State of Grace. Das Finale „Rummelplatz“ fängt den Zauber eines leeren Jahrmarkts am Morgen durch die Augen eines Zwölfjährigen ein, der das Spektakel des Abends imaginierend bereits hört.
Musik, die nichts erklärt und gerade deshalb alles sagt. Janssen legt kein Konzeptalbum vor, das sich in großen Gesten verliert. Traitement ist ein persönliches Album aber es lädt ein, mitzudenken, mitzuspüren. Jede Komposition ist wie ein Foto, das man länger anschaut, weil es nicht alles preisgibt.
Das ist Musik, die zwischen den Noten erzählt. Kein aufgesetztes Pathos, sondern klare Linien, Luft zum Atmen, Zeit zum Hören. Ein Werk, das die intime Sprache des Gitarrenspiels wieder dorthin rückt, wo sie hingehört: mitten ins Herz der Erinnerung.
