Podcasts sind toll, aber Podcast Werbung nervt noch mehr als Spam-Mails. Warum sich das ändern sollte.
Man stelle sich einmal vor, die Sprecher der Tagesschau unterbrechen die Nachrichten, um plötzlich eine Automarke über den grünen Klee zu loben. Oder Markus Lanz eröffnet seinen Talk über den Krieg in der Ukraine mit einem seltsam begeisterten Monolog über ein neues Handy der Marke XY. Nein, das ist unvorstellbar. Und doch passiert genau das in einem Medium, das längst zum Massenmedium geworden ist und von Millionen Menschen täglich konsumiert wird: Podcasts.
Viele Podcaster sind sich nicht zu schade, die Werbung, die ihnen vorgelegt wird, selbst einzusprechen. Das soll besonders authentisch, ehrlich und glaubwürdig rüberkommen. Tut es aber nicht.
Ganz im Gegenteil: Es wirkt sogar besonders verlogen, wenn jemand, den man normalerweise für vertrauenswürdig hält, plötzlich und unvermittelt über ein Produkt schwärmt. Und morgen über ein anderes. Was bei Influencern oder Reality-Stars eher erwartbar ist, wird bei Menschen, die in ihren Podcasts über ernste oder wichtige Themen sprechen, zum Ärgernis.
Und es schadet letztlich der Marke und den Podcastern, die dafür ihre Stimme hergeben. Gute Leute wie Micky Beisenherz (Apokalypse und Filterkaffee) oder Jan Müller (Reflektor) haben es eigentlich nicht nötig, sich von ihren Geldgebern vor den Karren spannen zu lassen. Selbst in seriösen Verlagspodcasts wie „Alles gesagt“ von der Zeit müssen die Moderatoren immer wieder als Drückerkolonne für ihre Zeitung auftreten, obwohl es sich dabei um ein sehr erfolgreiches und besonders glaubwürdiges Content-Format genau dieser Zeitung handelt. Ein Widerspruch in sich.
ACT DES MONATS
Zudem ist Podcast-Werbung extrem aufdringlich, weil man nicht einfach weghören kann. Wer einen täglichen Podcast betreibt und immer wieder dieselben nervigen Werbebotschaften unter seine Hörer bringt, muss damit rechnen, dass diese irgendwann einfach genervt abschalten.
Es gibt auch einen guten Grund, warum es bei der Tagesschau oder Markus Lanz keine Werbefenster gibt; selbst bei RTL2 oder VOX ist die Werbung stark vom Inhalt getrennt.
Im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ist es verboten, Werbung als Information zu tarnen und nicht klar erkennbar vom Inhalt zu trennen. Genau das ist jedoch der Fall, wenn der Moderator, der gerade noch den Bundeskanzler interviewt hat, plötzlich die Vorzüge von alkoholfreiem Bier der Marke XY anpreist. Warum diese Praxis bisher nicht abgemahnt wurde, erschließt sich kaum.
Es wird Zeit, dass auch Podcasts diese Kinderkrankheiten hinter sich lassen. Niemand, der seinen Lieblingspodcast hört, möchte von den Protagonisten mit Werbung zugetextet werden und niemand nimmt ihnen dieses Gelaber ab. Wirklich niemand.
Es ist klar, dass sich kostenlose Medien immer über Werbung refinanzieren müssen und es ist auch vollkommen in Ordnung, Podcast mit Werbespots zu finanzieren. Anders geht es nicht. Aber im Sinne ihrer Hörer sollten sich Podcaster überlegen, ob sie ihr Publikum wirklich so nerven wollen und selbst irgendwelche KI-generierte Werbebotschaften verlesen oder ob sie die Werbung nicht lieber den Agenturen überlassen, die besser wissen, wie man interessante und kreative Werbespots produziert und sich stattdessen voll und ganz auf den Inhalt ihrer Sendungen zu konzentrieren, so wie es der journalistische Ethos gebietet.
Es gibt natürlich auch viele Podcasts, die ganz bewusst darauf verzichten, Werbung und Inhalt miteinander zu vermischen. So wird man bei Jan Böhmermann und Olli Schulz keine Produkte empfohlen bekommen, ebenso wenig wie sich Kurt Krömer in seinem Podcast „Feelings“ dafür hergibt. Dort ist es eine angebliche „Feelings Redaktion“, die die Werbebotschaften vorliest. Das ist zwar auch nervig, aber wenigstens einigermaßen klar als Werbeblock erkennbar.
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