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Blond – „Ich träum doch nur von Liebe“ (Album 2025)

Mit ihrer dritten Platte liefern Blond ein Album, das auf den ersten Blick gewohnt verspielt daherkommt, sich bei genauerem Hinhören aber als vielschichtiger und mutiger erweist als alles, was das Chemnitzer Trio bislang veröffentlicht hat.

„Ich träum doch nur von Liebe“ führt die Linie von ironischem Empowerment, popkulturellem Witz und gesellschaftskritischem Ernst konsequent weiter und bringt zugleich neue Zwischentöne ins Spiel.

Stadionhymnen und Supermarktklau

Schon das eröffnende „Intro“ macht klar, worum es geht: um Zusammenhalt, um ironische Selbstüberhöhung, aber auch um das kollektive Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein. Wenn da skandiert wird, „Blond sind unsere Götter“, ist das natürlich nicht ernst gemeint – und gleichzeitig so aufgeladen, dass sich bei ihren Live-Shows wohl kaum jemand der mitgerissenen Euphorie entziehen kann.

Diese Verbindung von inszenierter Übertreibung und echtem Anliegen zieht sich durch das gesamte Album. In „SB-Kassen Lover“ etwa treffen Techno-Beats auf einen Refrain, der das kleine Alltagsverbrechen des Diebstahls an der Selbstbedienungskasse zum subversiven Akt erklärt. Dass das gleichzeitig ein Kommentar auf Konsumkultur und Überwachung ist, macht den Song weit mehr als nur einen Lacher wert.

Ironie mit Haltung

Was Blond von anderen Acts im Spannungsfeld zwischen Pop, Punk und Feminismus unterscheidet, ist ihr Gespür für Timing. In „Girl Boss“, einer bitterbösen Satire auf Insta-Aktivismus und Feminismus-Merch, sitzt jede Zeile: „Titten-Tassen und ‚Viva la vulva‘-Wein / Aktivismus kann so einfach sein“ bringt exakt auf den Punkt, woran viele sogenannte Empowerment-Kampagnen scheitern: sie bleiben bequem und folgen dem Markt.

Das könnte man locker flockig belächeln, doch Blond machen deutlich: Ihnen geht es nicht um die reine Pose. Wenn in „So hot“ Online-Dating-Wirrwarr mit roter Flagge versehen wird oder in „Ich wär so gern gelenkiger“ weibliche Selbstliebe zum Thema wird, steckt darin stets eine Haltung. Nicht belehrend, nicht weinerlich, sondern direkt, witzig und kraftvoll.

Ernster wird es bei „16 Jahr, blondes Haar“. Der Song rechnet mit erwachsenen Männern ab, die sich an unschuldige Minderjährige heranmachen, die unter der Schminke und dem vorgespielten Selbstbewusstsein eigentlich noch Kinder sind. In diesem Kontext bekommt der fast kitschige Albumtitel plötzlich Tiefe. Die „Liebe“, von der hier geträumt wird, ist nicht romantisch verklärt, sondern ein radikaler Anspruch auf Respekt, auf Selbstbestimmung, auf Sicherheit.

Der nächste Schritt

Musikalisch bleibt das Trio seinem Mix aus New Wave, Indiepop und Punk treu, erlaubt sich aber mehr Experimente. Technoide Beats, klassische Stadionchöre, fast schon kitschige Pop-Momente: all das fügt sich zu einem Soundbild, das nicht nur bunt ist, sondern auch stimmig. Dass die Musik von Blond vor allem für Live-Konzerte gedacht ist, merkt man jedem Track an.

Mit „Ich träum doch nur von Liebe“ haben Blond ihr bisher ambitioniertestes Album veröffentlicht. Es ist verspielt, aber nicht beliebig, ernsthaft, aber nie belehrend. Und es macht klar: Die Band ist nicht gekommen, um nett zu sein. Sie ist gekommen, um Haltung zu zeigen mit einem Lächeln auf den Lippen und einer Faust in der Tasche.

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