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Austra – Chin Up Buttercup: Tanz die Trauer

ACT DER WOCHE – Trennung und Trauer sind die großen Themen auf Austras neuem Album „Chin Up Buttercup“: Aber Kopf hoch und Beine bewegt, verarbeitet wird dies alles mit coolen Clubsounds und schimmerndem Synth-Pop.

Kopf hoch, Schatz!, so könnte man den Titel von Austras fünftem Album übersetzen, eine Verarbeitung einer plötzlichen Trennung, die die kanadische Künstlerin so abrupt traf wie ein Stromausfall. Doch Austra bringt Licht in dieses Dunkel, inspiriert von Madonnas „Ray Of Light“, verarbeitet sie ihre Trauer mit schimmerndem Synth-Pop, euphorischem Eurodance und coolen Clubsounds.

Und in ihren Texten rechnet sie ab, wie in „Math Equation“, wenn sie singt „You said I needed my own friends / So I found them / Then you fucked them.” Schmerz ist hier in Schärfe und Sound-Catchiness verpackt, musikalisch in bouncende BPM-Zahlen umgerechnet.

Während die Songs auf „Chin Up Buttercup“ als kühler Techno-Pop angelegt sind, ist die artifizielle Stimme Austras wärmer geworden: Hat sie auf ihren letzten Alben oft kontrolliert klar sowie auch opernhaft opulent geklungen, setzt sie ihre Stimme in den neuen Songs weit weniger künstlich ein.

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Diese Nuancierungen passen perfekt zu den Kontrasten, die hier besungen werden: Ekstase auf dem Dancefloor vs. Kontrollverlust im Privaten. Und der titelgebende Song ist ein treibendes Beispiel für diese Zerrissenheit zwischen Klarheit und Wahnsinn, Tracks wie  „Fallen Cloud“ oder „Siren Song“ tragen Leichtigkeit in die Dunkelheit.

„Chin Up Buttercup“ tanzt die Trauer weg, ist aber auch zugleich Mahnung, Dinge nicht zu verdrängen, sondern zu verarbeiten. „Kopf hoch, wird schon wieder“, diesen Satz hören wir oft, aber es wird halt nicht immer. Allerdings helfen Austras befreiende Songs dabei sehr, wenn man wie in „The Hopefulness of Dawn“ – ein Song, der sakral beginnt und in einer Club-Sunrise-Hymne geradezu explodiert – in die Morgendämmerung tanzt.

Live kann man bei folgenden Terminen im nächsten Jahr mittanzen:

08.03.26 – Hamburg, Mojo
12.03.26 – Berlin, Kesselhaus
16.03.26 – Wien, Flex
17.03.26 – München, Technikum
18.03.26 – Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld

Austra Biografie

Austra ist das Projekt der kanadischen Musikerin Katie Stelmanis, deren eindringliche Stimme und klassisch geprägter Hintergrund seit über einem Jahrzehnt die Indie-Electronic-Szene prägen. Zwischen dunklem Synthpop, expressivem Gesang und politischer Lyrik hat Austra einen unverwechselbaren Sound entwickelt, der sich bewusst außerhalb gängiger Popformeln bewegt.

Frühphase: Klassische Ausbildung trifft DIY-Ethos

Katie Stelmanis wird 1985 in Toronto geboren und erhält früh eine klassische Gesangsausbildung. Ursprünglich plant sie eine Karriere als Opernsängerin, entscheidet sich aber nach dem Schulabschluss gegen den traditionellen Musikbetrieb. Stattdessen beginnt sie, ihre eigene Musik zu produzieren, beeinflusst von Künstlerinnen wie Björk, Aphex Twin und der Riot-Grrrl-Bewegung.

Schon früh experimentiert Stelmanis mit elektronischen Klängen, kombiniert klassische Kompositionstechniken mit Loops, Synthesizern und Drum Machines. Ab 2004 ist sie als Solo-Künstlerin unterwegs, bevor sie 2009 das Projekt Austra gründet benannt nach der lettischen Göttin des Lichts, eine Referenz an Stelmanis’ baltische Wurzeln.

Feel It Break (2011)

Das Debütalbum Feel It Break erscheint 2011 auf dem Independent-Label Paper Bag Records in Kanada und bei Domino Records international. Der düstere, von Synthesizern getragene Sound mit dramatischem Gesang hebt sich deutlich vom damals aufkommenden Mainstream-Electropop ab. Songs wie „Lose It“ oder „Beat and the Pulse“ verbinden Club-taugliche Rhythmen mit einer barocken Klangästhetik. Kritiker ziehen Vergleiche zu The Knife, Fever Ray oder Zola Jesus.

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Olympia (2013)

Mit dem zweiten Album Olympia entfernt sich Austra ein Stück weit vom kalten, industriellen Sound des Debüts. Die Produktion wirkt offener, melodischer und wärmer, was auch daran liegt, dass diesmal die komplette Band in den Entstehungsprozess einbezogen ist. Live-Instrumentierung, perkussive Elemente und House-Anleihen lassen die Songs organischer klingen. Inhaltlich bleibt Stelmanis politisch und persönlich zugleich, greift feministische und queere Themen auf und positioniert sich deutlich gegen gesellschaftliche Konventionen.

Future Politics (2017)

Das dritte Album Future Politics erscheint in einer Zeit weltweiter politischer Umbrüche. Stelmanis reagiert darauf mit einem thematisch klar ausgerichteten Werk, das sich mit Überwachung, Autoritarismus und technologischer Entfremdung auseinandersetzt. Musikalisch bleibt Austra dem elektronischen Fundament treu, setzt aber stärker auf minimalistische Arrangements und futuristische Klänge.

In Interviews betont Stelmanis, dass sie mit Future Politics nicht nur Missstände anprangern, sondern auch utopische Alternativen skizzieren möchte. Der gleichnamige Titeltrack wie auch „Utopia“ und „I’m A Monster“ thematisieren den Wunsch nach radikalem sozialen Wandel.

HiRUDiN (2020)

Nach einer längeren Pause veröffentlicht Austra 2020 das Album HiRUDiN, benannt nach dem Wirkstoff im Speichel des Blutegels, der die Blutgerinnung hemmt. Ein ungewöhnlicher Titel für ein Album, das sich inhaltlich mit Heilung, emotionaler Selbstbefreiung und dem Ende toxischer Beziehungen beschäftigt.

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Erstmals arbeitet Stelmanis hier mit externen Produzenten wie Rodaidh McDonald (The xx, King Krule) zusammen, was den Songs neue Texturen verleiht. Die Arrangements sind offener, stellenweise verspielter und weniger düster als auf den Vorgängern. Klavier, Streicher und modulare Synths treten stärker in den Vordergrund. Besonders auffällig ist der Bruch mit der bisherigen Produktionsweise: Stelmanis gibt die alleinige Kontrolle ab, lässt Raum für Kollaboration und Experimente.

Queere Identität und politische Haltung

Neben ihrer musikalischen Arbeit versteht sich Katie Stelmanis auch als politische Künstlerin. Ihre Songs sind durchzogen von Statements gegen Sexismus, Homophobie und soziale Ungleichheit. In Interviews äußert sie sich regelmäßig zu LGBTQ-Themen und nutzt ihre Plattform, um marginalisierte Stimmen zu stärken. Die offene Auseinandersetzung mit ihrer queeren Identität und deren Einfluss auf ihr künstlerisches Schaffen ist integraler Bestandteil von Austra.

Diskografie Austra

2011:  Feel It Break

2013:  Olympia        

2017:  Future Politics

2020:  HiRUDiN

2025:  Chin Up Buttercup