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ESC 2025: Österreich gewinnt, Deutschland im Mittelfeld

Der Eurovision Song Contest 2025 ist entschieden: Österreich gewinnt, Deutschland überrascht, zumindest im Vergleich zu den mageren Ergebnissen der letzten Jahre, mit einem Platz im Mittelfeld. Proteste gab es gegen die Teilnahme Israels, deren Beitrag auf Platz 2 landete.

„Zum Glück nicht Israel“, das war die wichtigste Erkenntnis der Eurovision Nacht, denn ein Land, das derzeit seinen Nachbarn in Schutt und Asche bombt, darf nicht Gastgeber des ESC werden. Es wäre vermutlich das Ende des europäischen Musikspektakels gewesen. Trotzdem wählte die Mehrheit der europäischen Zuschauer die Ballade der Sängerin Yuval Raphael auf Platz 1.

Nur die Jury sorgte dafür, dass der nächste ESC wieder einmal in Österreich stattfindet, 11 Jahre nach Conchita Wurst.

Eurovision Song Contest 2025: Die Punktewertung

PlatzLandGesamtJuryPublikum
1Österreich436258178
2Israel35760297
3Estland35698258
4Schweden321126195
5Italien25615997
6Griechenland231105126
7Frankreich23018050
8Albanien21845173
9Ukraine21860158
10Schweiz2142140
11Finnland19688108
12Niederlande17513342
13Lettland15811642
14Polen15617139
15Deutschland1517774
16Litauen963462
17Malta91838
18Norwegen892267
19UK88880
20Armenien724230
21Portugal503713
22Luxemburg472324
23Dänemark47452
24Spanien372710
25Island33033
26San Marino27918

Österreich gewinnt mit Opern-Drama und Schwarz-Weiß-TV

Mit der dramatischen Ballade „Wasted Love“ holt der 24-jährige Countertenor JJ den dritten ESC-Sieg für Österreich. Der Auftritt wird komplett in Schwarz-Weiß übertragen, der Sänger wechselt zwischen klassischen Operntönen und elektronischen Beats, das Finale endet mit wuchtigen Drums. Es ist ein Konzept, das auffällt und gewinnt.

Die auf Effekt getrimmte Performance des Sängers trifft aber nicht nur auf Zustimmung, in sozialen Medien äußern viele Unverständnis über diesen Sieg. Wieder einmal haben die internationalen Jury-Mitglieder dafür gesorgt, dass der vermeintlich „anspruchsvollste“ Beitrag ganz vorne landet so wie in den letzten Jahren und nicht die Favoritin der europäischen Zuschauer.

Politischer Schatten: Proteste gegen Israel

Begleitet wurde der ESC in Basel von zahlreichen Protestaktionen gegen die Teilnahme Israels. Nach dem Auftritt der israelischen Sängerin Yuval Raphael kam es sogar zu einem Sicherheitsvorfall in der Halle: Zwei Personen versuchten, die Bühne zu stürmen, eine warf mit Farbe. Beide wurden festgenommen. Bei der Live-Übertragung wurden die lautstarken Buhrufe aus dem Publikum ausgefiltert.

Yuval Raphael, Überlebende des Terrorangriffs vom 7. Oktober 2023, war trotz der Proteste die Favoritin des Publikums. Sie wurde am Ende Zweite. Der emotionale Auftritt, in dem sie ihre Geschichte in musikalischer Form erzählte, ging vielen Zuschauerinnen und Zuschauern scheinbar nahe.

Gleichzeitig zeigte sich in sozialen Medien viel Kritik an der Teilnahme von Israel und wenig Verständnis für die Musik: Raphael wurde als Marionette der israelischen Propaganda dargestellt und Screenshots von großflächigen Werbeanzeigen in aller Welt sollten beweisen, dass ihr Sieg erkauft werden sollte, um den ESC nach Israel zu holen. Allerdings muss man der Sängerin zugute halten, dass ihr emotionaler Beitrag künstlerisch betrachtet herausragend geeignet war für einen solchen Wettbewerb. Sie wäre zweifellos auch in früheren Jahren ganz weit vorne gelandet beim Grand Prix.

Die anhaltenden Boykottaufrufe gegen Israel sind nicht neu und werden seit vielen Jahren immer lauter, dieses Jahr wahrscheinlich zum ersten Mal auch zurecht: das derzeitige menschenverachtende Vorgehen der israelischen Armee gegen die Menschen in Gaza ist kaum mehr von den Angriffen Russlands auf die Ukraine zu unterscheiden – und Russland ist schon seit 2022 nicht mehr teilnahmeberechtigt.

Wenn das größte europäische Musikspektakel überleben will, muss Israel im kommenden Jahr auch gesperrt werden oder zumindest außer Konkurrenz teilnehmen, um nicht vor den Propagandakarren einer Kriegspartei gespannt zu werden.

Auch wenn kulturelle Boykotte in demokratischen Gesellschaften keinen Platz haben sollten, muss sich der ESC mit diesem Thema ernsthaft auseinandersetzen und darf sich nicht mehr auf die Haltung „wir sind unpolitisch“ zurückziehen. Nichts ist mehr unpolitisch in diesen Zeiten.

Deutschland auf Platz 15: Ein Achtungserfolg?

Wer – so wie wir – Deutschland in diesem Jahr wieder mal auf dem letzten Platz erwartet hatte, wurde immerhin eines Besseren belehrt: Das Geschwisterduo Abor & Tynna landete mit „Baller“ auf einem soliden fünfzehnten Platz von 26. Der Song erhielt erstaunlicherweise zwölf Punkte von der ukrainischen und der tschechischen Jury und 10 Punkte aus Israel und Serbien.

Das Televoting brachte weitere 74 Punkte: damit sah das Publikum den Song sogar auf Platz 11. Das mag zwar kein Grund zum Jubel sein, aber in Anbetracht der Platzierungen der letzten Jahre – regelmäßig auf den hintersten Rängen – lässt sich der diesjährige Auftritt durchaus als Achtungserfolg werten. Für den von Stefan Raab großmäulig angekündigten Sieg hat es aber bei Weitem nicht gerreicht.

Musikalisch bleibt „Baller“ jedoch umstritten. Zwar wirkt die Produktion zeitgemäß, doch sowohl Komposition als auch Performance lassen Tiefe vermissen, es passierte einfach viel zu wenig im Vergleich zu den anderen Showacts. In den deutschen Charts konnte sich der Song auch nicht etablieren, „Baller“ ist also trotz der massiven medialen Aufmerksamkeit nicht einmal in Deutschland zum Hit geworden. Ein Flop mit Ansage.

Die Highlights des ESC im Überblick

Noch nie wurde ein Musikevent so spektaktulär in Szene gesetzt wie gestern in Basel. Sound, Bühne und Lightshow waren überragend und präsentierten die Beiträge aus 26 Ländern im bestmöglichen Licht. Selbst die schwachen Performances (Island, Spanien, Portugal,…) klangen immerhin gut, dank der aufgefahrenen Bühnentechnik. Wie immer kamen beim Publikum vor allem die albernen Spaßbeiträge sehr gut an: Estland und Schweden lagen mit ihren Hymnen über Espresso Macchiato (Estland) und das Saunieren (Schweden) beim Publikum auf Platz 2 und 3, knapp hinter Israel.

Litauen schickte eine junge aufstrebende Indie-Band ins Rennen, die musikalisch so überhaupt nicht zu so einem Event passen wollte und genau deshalb angenehm auffiel: sie dürfte künftig in deutlich mehr Ländern größere Konzerte und Festivals spielen können. Ziel erreicht.

Die charmante Ballade „Voyage“ der Schweizer Sängerin Zoë Më kam ganz ohne Bühnenshow und Effekte aus und lag nach der Jury-Wertung sensationell auf Platz 2 und bekam vom europäischen Publikum am Ende 0 Punkte und rutschte dadurch auf Platz 10 ab.

Positiv überraschte auch der Beitrag aus Italien, ein klassischer Softrock-Song mit 70er Jahre-Flair, der das quietschbunte Spektakel zwischendurch wieder ein wenig erdete. Am Ende reichte das für Platz 5.

Wie im letzten Jahr gab es auch dieses Jahr 0 Punkte vom Publikum für den Beitrag aus England. Die britischen Fans witterten Betrug, aber vielleicht reicht es heute einfach nicht mehr aus, einen eher mittelmäßigen Mainstream-Pop-Song zu so einem Event zu schicken. Wer jedem gefallen will, geht am Ende immer leer aus.

ESC in Basel: Ein Festival der Extreme

Rund 38.000 ESC-Fans verfolgten das Finale in Basel auf Großbildleinwänden im Stadion des FC Basel. Bis zuletzt hatten viele gehofft, dass Céline Dion einen Gastauftritt absolvieren würde. Die Kanadierin, ESC-Gewinnerin von 1988, war jedoch nicht dabei – ihre gesundheitliche Verfassung ließ einen Auftritt nicht zu, wie die Veranstalter erklärten.

Stattdessen präsentierte Nemo einen neuen Song mit dem Titel „Unexplainable“ und sorgte damit tatsächlich für Stirnrunzeln vor den TV-Geräten: muss man sich Sorgen machen? Einen Gefallen hat sich der Vorjahressieger damit nicht getan, es war leider wie einem Autofunfall in Zeitlupe zusehen zu müssen.

Wie geht es für Deutschland nächstes Jahr weiter?

Mit dem Wechsel der ESC-Verantwortung zum SWR im kommenden Jahr wächst die Hoffnung auf ein transparenteres und musikalisch überzeugenderes Auswahlverfahren. Die diesjährige Kooperation zwischen Stefan Raab, RTL und dem NDR hat zwar Aufmerksamkeit erzeugt, aber erneut keinen Hit hervorgebracht. Dass „Baller“ nach der TV-Premiere rasch wieder aus den Charts verschwand, spricht für sich.

Wenn Deutschland künftig ernsthaft mitspielen will, muss mehr passieren als ein clever inszenierter Vorentscheid. Es braucht endlich mal wieder einen Song, der im Ohr hängen bleibt und nicht nur für den vermeintlichen Massengeschmack konzipiert wird. Eventuell muss man darüber nachdenken, die Jury zu erweitern und nicht nur ein paar Radio- und TV-Nasen über den deutschen Beitrag entscheiden lassen. Wie wäre es denn mal mit einem Bandwettbewerb, um den heimischen Nachwuchs eine Bühne zu geben? Selbst wenn man am Ende nicht im europäischen Maßstab gewinnt, bliebe dann zumindest am Ende die Möglichkeit, dass man einer talentierten Band den Karrierestart ermöglicht hat.


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