Zwei Jahrzehnte auf dem Buckel und (k)ein bisschen leise: Zum Geburtstag luden Placebo nach London und präsentierten sich für „MTV unplugged“ von einer eher ungewohnten Seite.
Das Musikfernsehen ist tot. Eine Einladung zu einer Show unter dem Label „MTV unplugged“ gilt jedoch nach wie vor als große Ehre. Kein Wunder, haben doch Legenden wie Bob Dylan, Annie Lennox, Nirvana, Björk oder The Cure diese Sendereihe zu einer wahren Ikone der weltweiten Popkultur gemacht.
Pünktlich zum 20-jährigen Bandjubiläum nahmen nun auch Placebo diese Einladung an und baten die Fans im August dieses Jahres zur Aufzeichnung in die London Studios. In 2 Jahrzehnten Karriere und auf 7 Studioalben sammelt sich ein gewaltiger Katalog an, die Band kann aus dem Vollen schöpfen und tut dies auch: die Hit-Dichte ist immens, die Auswahl einiger Songs – vor allem aber auch der Verzicht auf andere – überrascht dennoch.
Den Auftakt macht ein Cover: „Jackie“. Schon in der Studio-Version hatten Placebo das wütende Original von Sinéad O’Connor entschleunigt, die unplugged-Version kommt nun noch reduzierter daher.
Von hier an arbeiten Brian Molko und Stefan Olsdal sich mit hörbarer Spielfreude durch ihre gemeinsame Geschichte, ziehen die Songs bis auf die Knochen aus und werfen ihnen im Anschluss eher leichte Hemdchen über – luftig arrangiert zeigen sich viele bekannte Hits wie „Slave to the Wage“ oder das wunderbare „Without You I’m Nothing“ von einer überraschend zarten Seite. Natürlich folgen auch Placebo nicht nur dem vorgegebenen Reglement der von MTV erlaubten Instrumentierung sondern bleiben einem weiteren (wenn auch ungeschriebenen) Gesetz treu: zur unplugged Session lädt man Freunde ein.
Die Kopenhagener Sängerin Majke Voss Romme, besser bekannt als Broken Twin, kann dem ultimativen Placebo-Gassenhauer „Every You Every Me“ tatsächlich etwas Neues hinzufügen, als zweiter Gast des Abends brilliert die großartige Joan As Police Woman in gewohnter Intensität und hebt „Protect Me From What I Want“ in ungeahnte Höhen. Wer kann, der kann.
Im Zusammenspiel mit einer Künstlerin wie Joan Wasser zeigt sich dann auch der kleine Schwachpunkt des Albums: Molko ist stimmlich in Topform, die Songs sind gekonnt umarrangiert, trotzdem wünscht man sich an der ein oder anderen Stelle weniger Inszenierung und mehr Intimität.
Denn dass Placebo wissen wie man Gas gibt, ist nicht neu. Es sind die sparsamen Momente, die ans Herz gehen: „Loud Like Love“ braucht nichts als ein Piano um den brachialen Bombast des Originals loszuwerden, „Hold On To Me“ bringt es mit angezogener Handbremse zu neuem Glanz. So wird die ein oder andere Chance auf echten Mehrwert zwar nicht wirklich vertan, aber auch nicht komplett ausgereizt. „Follow The Cops Back Home“ hätte in diesen Rahmen beispielsweise hervorragend hinein gepasst – und warum ausgerechnet „20 Years“ fehlt, bleibt das Geheimnis der Band.
Doch das soll am Ende wirklich nur die totale Lobhudelei verhindern. Placebo führen als gut gelaunte Gastgeber durch einen spannenden Zwischenstand ihrer Karriere, zeigen frische Seiten selbst noch am abgedroschensten Hit und reihen sich mit Leichtigkeit in die Ahnengalerie dieses ehrwürdigen Formates ein. Zweifel, ob Placebo die richtige Wahl waren, hat am Ende sicherlich niemand. Und das konnten in den letzten Jahren wahrlich nicht alle Kandidaten von sich behaupten.