SERIE DER WOCHE – Ein Virus, das alle glücklich macht? Diese Utopie verwandelt sich in der neuen Serie „Pluribus“ des “Breaking-Bad”-Machers Vince Gilligan in eine Dystopie, wenn die geniale Hauptdarstellerin Rhea Seehorn alias Carol Sturka als einzige immun – und damit unglücklich – bleibt.
Vince Gilligan hat nicht nur mit vielen „Akte X“-Folgen„ „Breaking Bad“ und „Better Call Saul“ bewiesen, dass er Serien für die Ewigkeit entwickeln kann, er hat auch Figuren etabliert, die einem so nahe sind wie echte Menschen. Eine davon ist Kimberley „Kim“ Wexler, die Freundin des schmierigen wie trickreichen Anwalts Jimmy McGill aka Saul Goodman, der sowohl in „Breaking Bad“ und „Better Call Saul“ eine wichtige Rolle spielt. Nun bekommt aber auch endlich Schauspielerin Rhea Seehorn ihre Hauptrolle, nämlich in der neuen Serie Gilligans – „Pluribus – Glück ist ansteckend“.
Und auch hier ist Seehorn wieder brillant. Sie spielt die Kitsch-Bestsellerautorin Carol Sturka, die im Gegensatz zu ihren Romanfiguren sarkastisch durchs Leben geht. Eine ewige Grantlerin und Griesgrämigen, die in einer Welt aufwacht, die von einem Glücksvirus heimgesucht wird und die Menschheit infiziert – alle sind nun zufrieden, sorglos und selig, fast also wie die Figuren in Caroles Büchern. Die Schriftstellerin selbst jedoch ist immun, die globale Glückswelt ist ihr suspekt, denn mit dem Grinsen geht auch das Geheimnis des Individuums verloren. Im Titel ist schon angedeutet, worum es hier auch geht, Pluribus kommt von dem Lateinischen „aus vielen“ und deutet auf den durch die Glückspandemie erzeugten „Hivemind“ (Schwarmbewusstsein) hin, in dem jede Person das Wissen und die Erinnerungen von allen Menschen auf dem Planeten hat, mit denen sie verbunden sind. Zudem war die Wendung „E Pluribus Unum” einst das Motto der USA, sie symbolisiert die Vereinigung der ursprünglich 13 Kolonien zu einer einzigen Nation und findet sich immer noch auf einigen US-Münzen…
Wie sich Carol nun gegen diesen Glücksschwarm wehrt, der sie auch in dieses allgemeine Bewusstsein einsaugen und einverleiben will, ist absolut mitreißend und mitfühlend gespielt. „Pluribus“ wartet dabei mit einigen Überraschungen auf, die Serien-Heldin verhält sich unkonventionell und was hier als oberflächlich betrachtet absurd-witzige wie spannend-seltsame Science-Fiction-Drama-Serie daherkommt, stellt unter der Oberfläche brodelnd wichtige philosophische Fragen: Ist Glück wirklich das erstrebenswerteste Ziel in unserem Leben? Was wiegt schwerer: Autonomie oder Einsamkeit? Nach Weihnachten, dem Kitsch- und Glücksfest schlechthin (das alle Jahre wieder im Grunde dieselbe Fragen aufkommen lässt), wissen wir mehr, denn am 26. Dezember läuft die letzte Folge von Pluribus auf Apple TV.
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Rhea Seehorn in “Pluribus” (© Apple TV)