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Sorry laden zum musikalischen Indie-Rock-Pop-Maskenball (Album 2025)

ACT DER WOCHE – Eskapistisch, experimentell und exzentrisch schlüpfen Sorry aus London in jedem neuen Song auf „Cosplay“ in einen neuen musikalischen Mantel: Soul, UK Garage, Trip-Hop, Jazz oder Indie-Rock.

Was wir hier hören zu hören bekommen, ist Indie-Musik radikal neu gedacht und die ganz eigene Welt von Sorry: Ein musikalischer Maskenball mit eigenwilligen modellierten Songs und disparaten Einflüssen, die von Hermann Hesse über Aphex Twin hin zu Tony Bennett reichen.

Der Titel „Cosplay“ – wie der Trend, bei dem Fans eine Figur aus einem Manga, Anime, Film, Computergame oder anderen Medien durch ein Kostüm und Verhalten möglichst originalgetreu nachstellen – ist dabei Motto des Albums: Jede Figur darf hier mitmachen, ob lebend oder tot, echt oder fiktiv. Die Songs sprudeln über mit popkulturellen Referenzen, aber auch falschen Fährten.

So entsteht ein zerhackter Sound aus Zitaten, der dennoch verblüffend organisch wirkt. Mit mal scharf geschnittenen Gitarren-Melodien über geradezu hüpfende Beats und einem Gesang, der zwischen hyperlakonisch und hypnotisch pendelt, schaffen sich Sorry ihr eigenes Genre.

Auf „Echoes“ spielen sie beispielsweise auf klassische Soul-Songs an („I say a little prayer / Just one more chance“) und klingen dabei wie eine noch wunderlichere Dreampop-Version von Blonde Redhead oder Cranes, während der Track „Jetplane“ ein Sample von „Hot Freaks“ von Guided By Voices enthält und bei Sorry zur rockigen UK Garage Version wird.

Es ist schwindelerregende wie schlaue Musik, die Sorry hier geradezu zelebrieren: Das Duo besteht aus Asha Lorenz und Louis O’Bryen, beiden kennen sich seit Schulzeiten und „Cosplay“ ist auch eine Hymne an ihre Freundschaft. Auch wenn beide sehr unterschiedliche wie komplizierte Charaktere sind, wie sie betonen. Ihre Musik betont das auch, Genre-sprengend und überraschend wie kaum eine anderer aktueller Act.

Am 10. März 2026 kann man diesen überbordenden Übermut bei ihrer einzigen Show in Deutschland, im Lido in Berlin bestaunen.

Biografie Sorry

Sorry sind eine der interessantesten britischen Gitarrenbands der letzten Jahre. Entstanden in der kreativen Subkultur Nordlondons, bewegt sich ihr Sound zwischen schroffem Indie-Rock, düsterem Trip-Hop, melancholischem Pop und flirrendem Post-Punk. Dabei bleibt das Duo Asha Lorenz und Louis O’Bryen, das den Kern der Band bildet, immer schwer zu greifen, aber gerade dadurch spannend.

Bekannt wurde Sorry zunächst durch eine Reihe experimenteller Soundcloud-Releases, Mixtapes und selbstgedrehter Musikvideos, bevor sie 2020 mit ihrem Debütalbum auf Domino Records debütierten. Ihre Musik ist geprägt von einem Gefühl von Isolation und Desorientierung, ein Spiegel ihrer Generation, die mit digitalen Überflutungen, Beziehungschaos und Identitätsfragen aufwächst. Der Sound ist dabei ebenso fragmentarisch wie durchdacht, was Sorry zu einer der eigensinnigsten Stimmen des britischen Undergrounds macht.

925 (2020)

Das Debütalbum 925 erschien im März 2020 und brachte der Band sofort überregionale Aufmerksamkeit. Produziert von James Dring, der zuvor mit Gorillaz und Jamie T gearbeitet hatte, wurde das Album über Domino Records veröffentlicht, dem Label von Arctic Monkeys und Franz Ferdinand.

Doch 925 hat wenig mit klassischen Indie-Gitarrenbands zu tun. Stattdessen entwickelt Sorry eine düstere, fast nihilistische Klangsprache, in der analoge Gitarren auf geloopte Drum-Samples, wabernde Synths und bedrückende Basslines treffen.

Tracks wie „Right Round the Clock“, „Starstruck“ oder „Rosie“ zeigen das Talent der Band, düstere Themen mit fast poppigen Melodien zu verbinden. Asha Lorenz’ brüchiger Gesang und die lethargische Intonation erinnern stellenweise an Künstler*innen wie Portishead oder King Krule, doch statt Retro-Trip-Hop geht es bei Sorry eher um das Fragmentarische einer digitalisierten Welt. Textlich kreist das Album um das Ende von Beziehungen, Selbstverlust und das Gefühl, in einer permanent überforderten Gesellschaft zu leben. Immer wieder blitzt dabei ein trockener Humor auf, der sich in sarkastischen Zeilen und ironischen Soundzitaten niederschlägt.

Das Artwork, die Musikvideos und die begleitenden Visuals stammen dabei fast vollständig aus der Hand von Lorenz und O’Bryen selbst, die beide einen starken visuellen Zugang zur Musik haben. Die DIY-Ästhetik der Band ist kein Stilmittel, sondern Ausdruck eines künstlerischen Gesamtkonzepts, das Ton und Bild immer zusammen denkt.

Anywhere But Here (2022)

Zwei Jahre später erschien mit Anywhere But Here das zweite Studioalbum. Im Vergleich zum Debüt wirkt es klarer strukturiert, emotionaler und organischer. Zwar bleibt die Band ihrem fragmentarischen Ansatz treu, doch diesmal treten klassische Songstrukturen stärker in den Vordergrund. Der Fokus liegt mehr auf der Dynamik zwischen den beiden Songwritern Lorenz und O’Bryen, deren Stimmen sich abwechseln oder ineinander übergehen.

Produziert wurde das Album gemeinsam mit Ali Chant, der unter anderem für PJ Harvey und Perfume Genius gearbeitet hat. Die Produktion ist nuancierter, verzichtet auf überladene Loops und gibt stattdessen Gitarren, Klavier und Schlagzeug mehr Raum. Dabei wirken Songs wie „Let The Lights On“, „Key To The City“ oder „There’s So Many People That Want To Be Loved“ zugänglicher als die Stücke auf 925, verlieren dabei aber nicht an Tiefe.

Anywhere But Here ist geprägt von einem Gefühl der Entfremdung. Viele der Texte kreisen um die Themen Zugehörigkeit, Beziehung und Identität, allerdings weniger zynisch als zuvor. Der urbane, nächtliche Charakter bleibt erhalten, doch es schwingt ein leiser Optimismus mit, als würde sich die Band vorsichtig aus ihrer eigenen Dunkelheit herausbewegen. Dabei bleibt die Bildsprache der Texte vieldeutig und assoziativ, selten eindeutig, aber immer emotional greifbar.

Visuell geht die Band auch auf diesem Album eigene Wege. Die Videos zur Platte sind in einem Stil gehalten, der zwischen melancholischem Lo-Fi-Film und verstörendem Traum pendelt, oft gedreht mit analoger Technik oder verfremdeten Effekten. Das visuelle Storytelling bleibt ein zentraler Bestandteil des künstlerischen Ausdrucks.

Cosplay (2025)

Im Frühjahr 2024 meldete sich die Band mit neuer Musik zurück. Die Single „Closer“ markiert stilistisch eine Rückkehr zu elektronischeren Klangbildern. Der Track kombiniert schleppende Beats mit glitchartigen Synth-Sounds und einem lakonischen Sprechgesang von Asha Lorenz. Am 7. November 2025 erscheint schließlich das dritte Album “Cosplay”. Sorry bleiben unberechenbar und vermeiden konsequent jede Form der stilistischen Festlegung.


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