Fair ist das ja nicht: Kaum lacht endlich das frühsommerliche Wetter beim Fenster rein, kommen die Streaming-Anbieter auf einmal mit echtem Premium-Programm daher. Filmexperte Christoph Prenner über seine aktuellen Bingewatching-Tipps des Monats.
Das TV-Programm der Streaming Dienste
Streaming-Tipps
Sweet Tooth (Serie, Staffel 1)
Verständlich, wenn ihr auf Serien mit Schlagworten wie Pandemie und Postapokalypse in Covid-Sommer #2 keine große Lust haben solltet. Bei dieser Comic-Adaption könntet ihr aber eine Ausnahme wagen, ist sie doch wider Erwarten ein echtes Gegengift zur Tristesse der Gegenwart. Was viel mit dem ungewöhnlichen Blickwinkel zu tun hat: Wir erkunden jene Endzeitwelt durch die aufgeweckten Augen eines Zehnjährigen – nicht irgendeines Zehnjährigen freilich. Gus ist wie alle Kids ein Hybrid, in seinem Fall: halb Mensch, halb Hirsch.
Weil die neue Spezies mit dem alles auslös(ch)enden Virus verknüpft wird, ist sie jedoch gleichsam Freiwild für allerlei finstere Gesellen. Nachdem Gus in einem vierschrötigen Ex-Hybridjäger einen Gefährten für die Suche nach seiner Mutter gefunden hat beginnt ein in zauberhaften Tableaus und mit entwaffnendem Tonfall eingefangener Roadtrip durch die Ruinen der Zivilisation, an dessen Ende man in der Tat hoffnungsfroher als zuvor vorm TV-Gerät sitzt. Mehr kann man in diesen Zeiten nicht erwarten.
Ab 04.06. auf Netflix
Lupin (Serie, Teil 2)
Dass im Januar Lupin zum ersten Netflix-Hit dieses Jahres wurde, kam nur auf den ersten Blick überraschend. Schließlich war das Erfolgsrezept, das schon Sherlock zum Massenphänomen werden ließ, zu unwiderstehlich kopiert worden: Man nehme einen beliebten klassischen Krimistoff (nun: Meisterdieb statt Meisterdetektiv) und interpretiere ihn mit charismatischem Hauptdarsteller (hier: Omar Sy) schwungvoll, dabei gerade so gemäßigt modern, dass Kenner und Neueinsteiger gleichermaßen was damit anfangen können.
Und trotz mancher Logiklöcher war es auch absolut kurzweilig anzusehen, wie Gentleman-Gauner Assane mit allen Regeln der hohen Trickkunst den Plan, den Tod seines Vaters zu sühnen, verfolgte und dabei schlicht nicht zu fassen war. Zumindest so lange bis er sein Blatt schließlich doch überreizt hatte und uns mit einem schockierenden Cliffhanger zurückließ – auf dessen Auflösung man sich in part deux der ersten Staffel ebenso freuen darf wie auf obligatorische neue Twists und Täuschungsmanöver.
Ab 11.06. auf Netflix
Lisey’s Story (Serie, Staffel 1)
Unfassbare 322 Filme, Serien, Kurzfilme basieren laut IMDb.com auf Storys von Stephen King, oft sehr frei adaptiert, nicht immer zum Wohlgefallen des Horror-Großmeisters. An die Miniserie zu Lisey’s Story hat dieser nun drehbuchmäßig selbst Hand angelegt – schließlich handelt es sich dabei um sein erklärtes Lieblingswerk. Entsprechend nah bleibt der Plot auch an der Vorlage, die wiederum nah an Ereignissen in Kings Leben gebaut war.
Alles andere als leicht, diesen hier in Kürze zusammenzufassen: Undurchdringlich zieht er elliptische Bahnen zwischen Realität und Fantasie, Gestern und Heute, wenn eine Witwe (Julianne Moore) nicht nur den Nachlass ihres Starautor-Gatten ordnen, sondern auch mit einem Psycho-Fan fertigwerden und einer unerklärlichen Fantasiewelt umgehen lernen muss. Eine komplexe Sache also, von Pablo Larrain (Jackie) im Regiestuhl jedoch mit so viel visuellem Einfallsreichtum umgesetzt, dass man auch dann noch geflasht zusieht, wenn man mal nicht so genau weiß, worum es gerade geht.
Ab 04.06. auf Apple TV+
They Want Me Dead (Film)
Ein High-Concept-Thriller an der Kreuzung von hochoktaniger Katz-und-Maus-Jagd und Katastrophenfilm, mit einem astreinen A-List-Filmstar in der Hauptrolle: In den 90ern war so etwas noch Blockbuster-Material, im day and age of Superheldenschwemme und Superseuche gibt’s dafür eben „nur“ noch Heimkino-Premiere. Was im vorliegenden Fall aber keineswegs heißt, dass Intensitätsverluste zu beklagen wären, wenn Angelina Jolie nunmehr auf alternativen Ausstrahlungswegen als Profi-Feuerbekämpferin von Action-Auteur Taylor Sheridan (Sicario) in die Natur geschickt wird, um einen Jungen vor Feuersbrunst UND Auftragskillern zu beschützen. Au contraire: so kompetent und knackig, wie dieses Oldschool-Abenteuer Genre-Thrills und Adrenalin-Kicks spendiert, wird dies nicht nur bei einschlägigen Aficionados manches Freudenfeuer entfachen. Ein Retro-Rendezvous, das man guten Gewissens wahrnehmen kann.
Ab 03.06. auf Sky
Streaming Tipps im Mai 2021
Mare of Easttown (Serie, Staffel 1)
Eine graue, runtergerockte Kleinstadt, eine ermordete junge Frau, dazu zwei verschwundene Mädchen, ein Cop mit tiefsitzendem Trauma und ungleichem Partner, eine Community mit dunklen Geheimnissen.
Mindestens eine Serie mit diesen oder ähnlichen Grundpfeilern haben wir in den letzten Jahren alle mal gesehen. Mare of Easttown spielt ohne Zweifel und Abstriche in der Liga der allerbesten aus dem Fach – „True Detective“, „Broadchurch“, „Top Of The Lake“ – mit; allein schon aus dem Grund, der sich direkt aus dem Titel ablesen lassen. Wird besagte Mare doch von Kate Winslet verkörpert – und das im wahrsten Sinne des Wortes: In ihrer zweiten Hauptrolle in einer HBO-Miniserie (nach „Mildred Pierce“ 2011) verschmilzt die Oscar-Preisträgerin nahezu mit ihrer Ermittlerin-Figur, gelingt ihr bis hin zum Einfangen eines sehr speziellen Akzents eine so nuancierte, komplexe Charakterzeichnung, dass das mit dem nächsten Emmy-Gewinn reine Formsache sein dürfte.
Wie sich dieses meisterlich gesponnene, inhaltlich reichhaltige Mystery-Drama wohl generell noch auf einige kommende Preisregen einstellen sollte. Pflichtprogramm.
Ab 21.05. auf Sky
The Underground Railroad (Serie, Staffel 1)
Ein Pulitzer Prize-prämierter Roman, von einem Oscar-Preisträger zu einer Miniserie geformt: Mehr Prestige-TV geht kaum. Höher geschraubte Erwartungen auch nicht. Das Wunder von Barry Jenkins‘ („Moonlight“) tatsächlich überragend geratener Adaption von Colson Whiteheads Great American Novel liegt nun darin, für sie eine filmische Sprache gefunden zu haben, die die schon auf Papier so eindringliche und erschütternde Geschichte einer Sklavin und ihrer Flucht auf der sog. Underground Railroad (in dieser alternativgeschichtlichen Fiktion wortwörtlich eine Eisenbahn unter der Erde) quer durch die Südstaaten noch mal eine ganz ungeahnte Wucht entfalten lässt.
Weil er uns durch die Augen der Protagonistin ins Herz der amerikanischen Dunkelheit blicken, sie Rassismus und Unmenschlichkeit in unterschiedlichsten Ausformungen in immer neuen Gesichtern erkennen, sie dabei aber zu keiner Zeit den Glauben verlieren lässt – schon gar nicht jenen an die Menschheit. Schonungslos, ohne Leid als Spektakel auszustellen, ungeschönt, doch nie ohne Poesie und Empathie: Ein modernes Serien-Meisterwerk über den Horror von Gestern, der auch im Heute noch viel zu laut nachhallt.
Ab 14.05. auf Amazon Prime Video
Jupiter’s Legacy (Serie, Staffel 1)
Im Comic-Biz ist Mark Millar eine große Nummer. Einer, der den kreativen Unterschied macht, einst als Innovator bei Marvel und DC, später mit seinem Label Millarworld. Kein Wunder, dass ihm Netflix auf seiner ewigen Suche nach hottem neuem Stoff die Bude vor einigen Jahren um einen achtstelligen Betrag abgekauft hat.
Das erste Produkt der Kollaboration liegt mit der Serienadaption eines der Schlüsselwerke des „Kick-Ass“-Autors vor. „Jupiter’s Legacy“ ist, wie könnte es anders sein, eine weitere epische Superhelden-Saga mit einer sich über ein Jahrhundert und mehrere Generationen von Weltrettern erstreckenden Story, in der neben der Bekämpfung von allerlei Böslingen selbstredend auch allfällige innerfamiliäre Konflikte ihren Platz haben.
Ein postmodern gebrochenes Genre-Set-up also, nicht ähnlich dem, was es zuletzt in „The Boys“ und „Invincible“ zu sehen gab – bloß etwas umständlicher und langsamer in die Gänge kommend und (noch) ohne das gewisse Etwas, das Millars Werk auf Papier auszeichnet, inszeniert. Fraglich, ob das reicht, um in der gegenwärtigen Superhelden-Schwemme nachhaltig Eindruck zu hinterlassen.
Ab 07.05. auf Netflix
The Mosquito Coast (Serie, Staffel 1)
It’s A Family Affair. Für seine erste TV-Hauptrolle nach dem göttlichen „The Leftovers“ hat Justin Theroux einen Stoff aus der eigenen Wiege gewählt: den in den 80ern von seinem Onkel Paul Theroux verfassten Roman Mosquito Coast.
Damals bereits als Film mit Harrison Ford adaptiert, nimmt sich die mit gutem Apple-Geld gestemmte Serien-Neuauflage nunmehr ausdrücklich Zeit und inhaltliche Freiheiten bei der Umsetzung der Geschichte eines verschrobenen US-Erfinders, der eines Tages mit den Seinen jäh Richtung Süden abhauen muss.
So wie die Familie Fox unter glühender Sonne Mexikos nicht nur Ami-Geheimdienste, sondern wegen übler Entscheidungen bald auch noch Drogenkartelle auf den Fersen hat, erinnert das dann, sicher nicht zufällig, gern mal an die Abenteuer eines gewissen Walter White.
Trotz einer bestechenden Bilderwucht, Justins magnetischem Spiel sowie etlichen Twists gibt es im Vergleich zu „Breaking Bad“ hier freilich noch etwas Luft nach oben, als gelungener Prolog für weitere Ausflüge an die Moskito-Küste geht diese erste Theroux‘sche Generationenkollaboration aber allemal durch.
Ab 30.04. auf Apple TV+
Adult Material (Serie, Staffel 1)
Von filmischen Neo-Klassikern wie „Boogie Nights“ bis zu jüngeren Serien-Schöpfungen wie „The Deuce“ übt das Adult Film Business immer wieder eine starke Faszination auf Hollywood aus. Für uneingeschränkt ungeschminkte Einblicke in das spezielle Geschäft mit der Liebe musste aber erst eine britische Produktion daherkommen.
Ebendieser von Lucy Kirkwood kreierte Vierteiler beleuchtet das delikate Doppelleben von Jolene Dollar: zum einen Ehefrau und Mutter, zum anderen einer der größten aktiven Pornostars. So herzhaft unverblümt, beißend komisch und einfühlsam erzählt die Miniserie von Geschlechtskrankheiten und Grenzüberschreitungen, von toxischen Macht-Mechanismen, sowie vom steten Ringen um Selbstbestimmung, dass man aus dem Schwärmen kaum je rauskommt.
Den größten Applaus sollte man sich dennoch für die letzte Szene aufheben, die einen auf wirklich unerwartete, aber total stimmige Weise umhaut.
Ab 01.05. auf TVNow
Streaming-Tipps April 2021
Die Schlange (Serie, Staffel 1)
Eben mal den Rucksack mit dem Notwendigsten umgeschnallt und dann ab ins heiße, herrliche Südostasien, um dem Traum vom zeitweisen Aussteigen aus dem Erste-Welt-Trott nachzugehen, der Suche nach Freiheit, sich selbst oder auch bloß gutem Gras.
Zumindest in prä-pandemischen Zeiten ein halbwegs risikofreies Unterfangen – weil man dank Smartphone und Social Media sowieso ständig in der alten Welt präsent bleibt. Dass dem nicht immer so war, beweist der Fall des „Bikini-Killers“ Charles Sobhraj, der Mitte der 70er Jahre für das Verschwinden von dutzenden jungen Europäern auf dem sogenannten Hippie Trail verantwortlich zeichnete – weil es ihm dank seiner mondänen, slicken Art und dem länderübergreifenden Behördenversagen viel zu einfach gelang, sich der Strafverfolgung zu entziehen.
Dieser stylish komponierte, ohne Hatz, aber mit Nachdruck voranschreitende Achtteiler geht dem Mysterium der „Schlange“ mit dem magnetischen Tahar Rahim in der Hauptrolle nun mittels verschachtelter Rückblenden-Struktur auf den Grund.
Das geht wegen des früh bekannten Endes der Geschichte zwar etwas auf Kosten der Spannung, erlaubt dafür aber umso profundere Einblicke in eine abgründige Persönlichkeit sowie in das Milieu, in dem diese lange unbeirrt Grausames anrichten konnte.
Ab 02.04. auf Netflix
Framing Britney Spears (Film)
Dass #FreeBritney zuletzt auf Social Media solche Wellen geschlagen hat, ist sicher ein Verdienst dieses nun via Prime Video auch bei uns abrufbaren Films. Rückte selbiger doch den Fokus der Öffentlichkeit (wieder?) auf den ungeheuerlichen Fakt, dass Britney Spears, der größte Popstar ihrer Zeit, seit 2008 wie ein Kind unter der Vormundschaft ihres Vaters steht.
Diesen bitteren Schlusspunkt hinter der Karriere des einstigen American Sweethearts versteht das Recherche-Team der New York Times mittels Archivmaterial und Wegbegleiter-Interviews denn auch geschickt in Zusammenhang mit dem ohnehin latenten Sexismus, der Spears seit ihrem Aufstieg (und erst recht im Zug ihres Absturzes) begleitete, zu setzen.
Wiewohl das von der Doku gezeichnete Bild unangenehm stimmig ist und zweifelsohne nötige Awareness schafft, lässt es bei genauerer Betrachtung aber auch grundlegende Blickwinkel vermissen. Statements von unmittelbarer Beteiligten hätten hier sicherlich spannendere Erkenntnisgewinne geliefert als Second-Hand-Spekulationen von Podcast-Hosts und Paparazzi. Aber vielleicht liefert diese ja die eben im Entstehen befindliche Netflix-Doku zum Thema. Britney hätte es sich verdient.
Ab 05.04. auf Amazon Prime Video
A Teacher (Serie, Staffel 1)
Dem neuen Subkanal Star ist es zu verdanken, dass es auf Disney+ nun auch Content gibt, der Warnhinweise erforderlich macht. Zweifelsohne für Erwachsene gemacht ist diese auf dem gleichnamigen Film aus 2013 aufbauende Miniserie – besonders weil nur einer der beiden Hauptcharaktere ein Erwachsener ist. Thematisiert „A Teacher“ doch das (zunächst unschuldige) Techtelmechtel zwischen einer verheirateten Highschool-Lehrerin (Kate Mara) und einem noch minderjährigen Schüler (Nick Robinson), das sich nach und nach zu einer so verhängnisvollen wie verantwortungslosen Affäre auswächst.
Vor allem in ihrer ersten Hälfte wandelt die Show dabei im Sog des verbotenen Gefühlsrausches denn auch wahrlich auf dünnem Eis – führt einen so aber recht gewieft auf eine falsche Fährte, an deren Ende einen die wahre Tragweite der Ereignisse dann ganz unmissverständlich niederstreckt. Die vermeintlich harmlose Liebelei der einen Person ist bei nicht gegebener Augenhöhe eben oft das zerstörte Leben einer anderen.
Ab 23.04. auf Disney+
Resident Alien (Serie, Staffel 1)
In den USA ist sie schon die erfolgreichste neue Kabelserie, nun setzt diese Adaption eines Dark Horse Comics auch in hiesigen Breitengraden zur Punktlandung an. Dabei ist es eher eine echte Bruchlandung, die hier Dinge in Bewegung bringt und ein Alien (verlässlich lustig: Alan Tudyk) in den endlosen Schneeweiten Colorados stranden lässt. Um nicht aufzufallen, nimmt dieses die Identität eines Einsiedler-Arztes an – was grad so lang gut geht, bis der zur Aufklärung eines Todesfalls hinzugezogen wird.
Der erwartbar exzentrische Neo-Mensch hat aber nicht nur mit dem Sozialverhalten der Locals seine Müh und Not, er hadert auch mit dem Vollenden seiner eigentlichen Mission: der Vernichtung der Menschheit …
Im besten Sinne aus der Zeit gefallen steht die von „Resident Alien“ kredenzte Kreuzung aus SciFi-Mystery, Kleinstadt-Soap und Fisch-aus-dem-Wasser-Klamauk für jene Sorte herzensgut harmloses Eskapismus-TV, das einen für eine dreiviertel Stunde auch mal die übelste Lockdown-Laune temporär vergessen lässt.
Ab 08.04. auf Sky
Streaming-Tipps März 2021
Cherry (Film)
Was tun, nachdem man eben den erfolgreichsten Film der Kinogeschichte („Avengers: Endgame“; Einspiel weltweit: 2,8 Mrd. $) abgeliefert hat? Erst mal kleinere Brötchen backen, dachten sich Anthony und Joe Russo. Beweisen, dass man auch auf anderen Klaviaturen als jener des Mega-Marvel-Franchises zu glänzen versteht. Ein Statement setzen, was mit Substanz und Gewicht abliefern – freilich nicht ohne dafür das Prestige des Erreichten in Stellung zu bringen.
Mit Apple-Scheck und Spider-Man in der Hauptrolle ließ sich folglich ein düsteres, autobiografisches Sozialdrama um einen College-Abbrecher, der als Sanitäter im Krieg und nach seiner Heimkehr in der Opioid-Abhängigkeit landet, mit der epischen Wucht eines Blockbusters stemmen. In den 2 ½ Stunden passiert in „Cherry“ zwischen Kriegsfilm, Heist-Thriller und Beziehungs-/Suchtstudie entsprechend eine ganze Menge, insbesondere in stilistischer Hinsicht. Doch kurz bevor die Angelegenheit wegen der vielen, vielen visuellen Tricksereien in „Style over substance (abuse)“ zu kippen droht, kriegen die Russos dank unerschrockener inszenatorischer Entscheidungen stets noch die Kurve – nicht zuletzt wegen des hingebungsvollen Auftritts von Tom Holland, der sich hiermit klar für weitere Aufgaben außerhalb des Spinnenmannkostüms empfiehlt.
Ab 12.03. auf Apple TV+
We Are Who We Are (Serie, Staffel 1)
Sommer, Sonne und Italien. Erste Liebe und sexuelle Erfahrungen. Jugendlicher Aufbruch und Erforschen der eigenen Identität. Bittersüß und bildmächtig auf den Schirm gebracht von Luca Guadagnino.
Man muss wahrlich kein Filmauskenner sein, um dieser Coming-of-Age-Serie mehr als nur eine gewisse Nähe zu „Call Me By Your Name“ attestieren zu können. Anders als in seinem Oscar-Hit hatte der sizilianische Regie-Poet hier nun allerdings acht Stunden Zeit, die Handlung auszurollen und dem Treiben einer Gruppe von Teenagern auf einer US-Militärbasis in einem verschlafenen Küstenstädtchen zu folgen.
Entsprechend entspannt, nachgerade immersiv lässt sich das Ganze nicht nur ob des Wetters an, das narrative Korsett wird erst dann zugeschnürt, wenn der Ernst des Lebens wirklich nicht mehr länger auf sich warten lassen will. Doch selbst dann wirkt dieser sehr europäische, betont legere Zugang, der sich Ambivalenzen erlaubt, die das US-Fernsehen längst verlernt hat, so erfrischend wie ein Sprung ins Mittelmeer. Auf den man nach dieser Miniserie garantiert genauso Bock hat wie auf einen Gig von Blood Orange.
Ab 07.03. auf Starzplay
Billie Eilish: The World’s A Little Blurry (Film)
Apropos Konzertvermissung: Wer in der 135 Minuten langen, in keiner Sekunde langweiligen Apple-TV-Doku über den größten Popstar unserer Zeit nicht kurz dem Gefühl nachgetrauert hat, in einer unüberschaubaren Crowd zu stehen, der hat Musik nie geliebt.
Wobei die imposanten Impressionen von Billie Eilishs Festival-Auftritten gar nicht das Außergewöhnliche an dieser Arbeit sind, sondern vielmehr die unzähligen erstaunlich intimen Momente, die Regisseur R.J. Cutler in der Saison des kometenhaften Aufstiegs der (damals) 17-Jährigen einfangen durfte. Wenn wir etwa Billie und ihrem kongenialen Bruder Finneas im Kinderzimmer dabei über die Schulter schauen dürfen, wie sie kommende Superhits wie Bad Guy in die entscheidende Form bringen. Wenn sie mit ihrer Mutter Ideen für Videoclips durchspielt. Oder auch nur gerade ihren Führerschein macht. Wenn sie schlaftrunken von ihren sechs Grammy-Nominierungen erfährt. Oder auf dem Coachella ihrem Idol Justin Bieber mit frischem Liebeskummer heulend in den Armen liegt, bei aller frühen Abgebrühtheit zeitweilig selbst wieder Fan ist.
Hautnah, ohne voyeuristisch zu sein, dabei von einer emotionalen Direktheit, die Filmen dieser Art oft abgeht: Ein erstaunlicher Film über eine erstaunliche junge Frau.
Ab 26.02. auf Apple TV+
Christoph Prenner lebt für die Magie der bewegten Bilder – und schreibt auch gut sein halbes Leben schon mit aller gebotenen Euphorie über sie. Als langjähriger Chefredakteur des größten österreichischen Kinomagazins SKIP etwa oder als Entwickler und Chefredakteur von Prime Time, des einst ersten monatlich erscheinenden Serien-Magazins im deutschen Sprachraum.
(Foto: Luca Senoner)
Streaming-Tipps Februar 2021
Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (Serie, Staffel 1)
Nicht mehr viel vom Heroin Chic gehört, seit irgendwann selbst Pete D. aus den Klatschspalten gefallen ist. Da brauchte es schon den gemeinsamen, 25 Mio. schweren Willen von Constantin Film und Amazon, um die Spritzbesteck-Subkultur wieder ins popkulturelle Bewusstsein zu spülen – in Form einer Miniserien-Neuadaption eines berühmt-berüchtigten Stoffs.
So unter die Haut gehend Christiane F.s Drogensuchtprotokolle vor 40 Jahren gewesen sein mögen, so wenig scheint es Serienschöpfer Philipp Kadelbach dabei allerdings im Hier und Heute noch um Aufrüttel- und Abschreckwirkung zu gehen. Ja, noch nicht mal um Authentizität. Mit Gusto und Vorsatz scheint seine Inszenierung in einem Schwebezustand zwischen 1980 und Jetzt zu existieren, in dem sich historisch semiakkurater Anstrich und harte zeitgeistige Brüche nicht nur nicht im Weg stehen, sondern ein Stück desselben sogar gemeinsam gehen.
Ob einem dieser gekonnt gelackte postmoderne Zugang mitsamt seinen abgefederten Abgründen und seiner schillernden Tristesse nun behagt oder nicht, wird wohl auf ewig Geschmackssache bleiben. Leugnen lässt die Sogwirkung, die dieser zumindest mit Ambition angestrebte Berlin-Remix von „Euphoria“ bei allen berechtigten Bedenken zumindest zeitweise zu erschaffen versteht, allerdings auch nur schwerlich.
Ab 19.02. auf Amazon Prime Video
Malcolm & Marie (Film)
Nachgerade neidisch werden in Hollywood auf die Pandemie-Bilanz von Sam Levinson sein: Während unzählige Film- und Serienproduktionen in den letzten 10 Monaten aus der Bahn geworfen wurden, hat der Sohn von „Rain Man“-Regisseur Barry Levinson im Lockdown neben zwei Bonus-Episoden seiner tollen Teenager-in-Trouble-Serie „Euphoria“ auch dieses großartige Kammerspiel fertiggestellt.
An einer einzigen, exorbitanten Location in hinreißendem Schwarz-Weiß mit nur zwei herausragenden Darstellern („Euphoria“-Fixgröße Zendaya und „Tenet“-Hauptdarsteller John David Washington) gedreht passiert in „Malcolm & Marie“ eigentlich nicht viel mehr als dass das titelspendende Pärchen im Anschluss an (s)eine Filmpremiere eine Nacht lang mit Leidenschaft miteinander diskutiert, schäkert, streitet. Über die eigene Beziehung, über ihre individuellen Eitelkeiten, Troubles und Traumata, über das Verhältnis von Kunst und Identität und sogar über die Engstirnigkeit der gegenwärtigen Filmkritik.
Letzteres dürfte wohl der Grund für manche harsche Reviews gewesen sein, die freilich komplett ungerechtfertigt sind: diese pointierte, kurzweilig kluge Plauderstunde ist der erste Pflichtfilm des Jahres 2021.
Ab 05.02. auf Netflix
Solar Opposites (Serie, Staffel 1)
Na, auch verwundert und/oder verärgert darüber, dass es zuletzt so wenig Nachschub vom postmodernen Adult-Animation-Meisterstück „Rick & Morty“ gegeben hat? Die Ursache dafür könnte in diesem Serienneuling begründet liegen – der zugleich aber auch gleich die Lösung des Entzugs-Problems darstellt. Schließlich ist „Solar Opposites“ das jüngste Brain Child von „R&M“-Co-Schöpfer Justin Roiland und dabei erfreulicherweise auch aus einem ganz ähnlichen Holz geschnitzt. Bloß dass es nun eben vier Aliens, durch die Zerstörung ihres Heimatplaneten auf der Erde gestrandet, sind, die sich durch allerlei interstellare Abenteuer schlagen dürfen – mit den absehbar ideensprühenden, wahnwitzigen, vulgärhumorigen, weirden Resultaten, die es zum Start des Disney+-Subkanals Star nun endlich auch bei uns zu bestaunen gibt. Ein würdiges Überbrückungsangebot bis zur hoffentlich nicht mehr fernen fünften „Rick & Morty“-Staffel.
Ab 23.02. auf Disney+
Neues aus der Welt (Film)
Auch für einen der größten Filmstars der letzten Jahrzehnte stehen die Zeichen der Zeit situationsbedingt auf Pantoffelkino. Bereits mit dem U-Boot-Kriegsdrama „Greyhound“ war Tom Hanks ja in den Streaming-Gewässern von Apple TV+ abgetaucht, mit diesem mutmaßlichen Awards-Anwärter findet er sich nun im Wilden Westen von Netflix wieder. In seiner gefühlt ersten echten Altersrolle gibt Hanks einen Bürgerkriegsveteranen, der durch das gespaltene Land zieht, um in den Städtchen und Siedlungen die News zu verkünden. Das Unterfangen, das schon 150 Jahre vor Twitter kein einfaches war, wird auch dadurch nicht einfacher, dass er bald ein zehnjähriges, dereinst vom Kiowa-Stamm verschlepptes Mädchen (top: die junge Deutsche Helena Zengel, bekannt aus „Systemsprenger“, in ihrer ersten internationalen Rolle) im Schlepptau hat, das er zu ihren Verwandten bringen möchte. Wer Regisseur Paul Greengrass besonders von seinen stilistisch wegweisenden Wackelkamera-Hochspannungs-Werken („Das Bourne Ultimatum“) kennt, wird hier Augen machen. Nachgerade klassisch, ja, entspannt wird genretypisch im Breitwandformat geschwelgt – was indes dadurch gebrochen wird, dass inhaltlich stark das nahende Neue aus der Welt, das bis in unser Hier und Heute reicht, ins Spiel gebracht wird. Echt nicht unspannend.
Ab 10.02. auf Netflix
Streaming-Tipps Januar 2021
Your Honor (Serie, Staffel 1)
Bryan Cranston als Jedermann, der sich ob einer langsam aus dem Ruder laufenden Not-Situation zu immer verzweifelteren Aktionen genötigt sieht, die alles nur schlimmer machen: Ein bewährtes, beliebtes Erfolgsmodell.
Sieben Jahr nach dem Ende von „Breaking Bad“, dem Karrierehighlight des Schauspielers und ohne Zweifel eine der besten Serien der nicht nur jüngeren TV-Geschichte, verkörpert er in Your Honor nunmehr den titelgebenden „Euer Ehren“ – einen Richter, dem sein Teenager-Sohn übel in Bredouille bringt, der einen Autounfall mit Todesfolge verursacht hat, Fahrerflucht inklusive.
Weil das Opfer fatalerweise der Spross eines Mafiapaten (der tolle Michael Stuhlbarg mal als Fiesling) war, kommt sich stellen freilich nicht in Frage. Also versucht der mit allen juristischen Wassern gewaschene Daddy zu vertuschen, was geht … Wendungsreich geplottet, zwingend inszeniert, bis in die Nebenrolle (Margo Martindale!) bestechend gespielt: Aller Ehren wert!
Ab 18.01. auf Sky
Cobra Kai (Serie, Staffel 3)
Ursprünglich als eines der wenigen Serien-Originals von YouTube gestartet, mittlerweile aber dort gelandet, wo solche Produktionen auch wirklich geschaut werden: dieses hinreißende Update zum 80er-Jahre-Kultkampfsportfilm „Karate Kid“. Über drei Dekaden nach den damaligen Ereignissen kreuzen sich die Wege der beiden Kontrahenten erneut – aus den Karate Kids sind Familienväter geworden, einige Jahre und Kilos mehr auf den Knochen, aber immer noch mit derselben unbändigen Leidenschaft für ihren Sport. Da dauert es natürlich nicht lange, bis im und in „Cobra Kai“, das zu gleichen Teilen als nostalgieseliger, bittersüßer Fan-Service wie auch als Staffelstabübergabe an eine neue Generation von Fightern und Binge-Watchern gesehen werden kann, auch die alte Rivalität wiederaufflammt … Zumindest so lange halt, bis sich neuerdings die ewigen Widersacher Johnny und Daniel zusammentun müssen, um einen gemeinsamen gemeinen Geist aus der Vergangenheit daran zu hindern, ihre wieder entdeckten Träume zu Schutt und Asche ein für alle Mal zu zerschmettern.
Ab 01.01. auf Netflix
Pieces Of A Woman (Film)
Die extraintensiven ersten 20 Minuten der ersten englischsprachigen Produktion des Ungarn Kornel Mundruczo („White God“) haben mich bei deren Premiere bei den Filmfestspielen von Venedig schwitzen lassen wie noch kein Film im vergangenen Seuchen-Jahr – oder auch in einem der vergangenen. Aber was heißt überhaupt 20? Waren es nicht vielmehr doch 30, gar 40 Minuten, in deren Verlauf man locker eine Stecknadel fallen hören hätte können? Man traute sich ja echt nicht auf die Uhr schauen bei dieser in einem ultralangen Take gefilmten, Schritt für unheilvollen Schritt hochtragische Bahnen einschlagenden Hausgeburt, die den unvermeidbaren Beginn des Zerfalls eines eben noch so zukunftsfrohen Paares einläutete. Das, unterstützt von Mundruczos wundervoll naturalistisch nah am Geschehen bleibenden Inszenierung, von Vanessa Kirby (eine echte Sensation, bekannt aus „The Crown“, ebenfalls auf Netflix) und Shia LaBeouf mit einer dermaßen umwerfend unerschrockenen Dringlichkeit verkörpert wird, dass sich zumindest für erstere bald die erste Oscar-Nominierung in der Vita wiederfinden dürfte.
Ab 07.01. auf Netflix
The Stand (Serie, Staffel 1)
Sie ist ohnehin seit ewigen Zeiten ein eigenes hochpopuläres Genre in Film und Fernsehen, in den letzten Jahren hat sie, besonders dank dem ersten Es-Kinofilm, noch einmal an Aufwind gewonnen: die Stephen King-Adaption. Genau ein Jahr nach der sehr beglückenden HBO-Serienfassung von „The Outsider“ landet nun eines der größten Gruselwerke des an großen Gruselwerken nicht armen Oeuvres des Horrorpapstes auf den Screens. Erneut, muss man sagen, denn einmal, 1994, wurde „The Stand“ schon fürs TV aufbereitet. Doch unsere so seltsame Gegenwart dürfte dem Stoff eindeutig besser stehen – ist das Grauen hier doch ein globales, auf ein ultratödliches Virus zurückzuführendes, das binnen kürzester Zeit 99% der Menschheit dahingerafft hat. Weil es aber selbst in solchen extremen Notlagen, wie wir selbst Tag für Tag miterleben müssen, nicht möglich ist, sich auf gemeinsame Mindeststandards des weiteren Zusammenlebens zu einigen, läuft alles auf ein letztes Gefecht zwischen Gut und Böse – über Träume versammelt von der weisen 108-jährigen Mother Abagail (Whoopi Goldberg) bzw. dem ultramächtigen Dark Man Randall Flagg (Alexander Skarsgård) – hinaus. Das Ziel ist also vorherbestimmt, der Weg dorthin wird von Showrunner Josh Boone („The New Mutants“) aber durchaus ambitioniert beschritten: Er setzt uns gleichsam mittendrin im postapokalyptischen Geschehen ab, um hernach erst die selbstverständlich oft traumatischen Backstorys der einzelnen Überlebenden auszurollen. Sind dann erst einmal alle Figuren auf ihren Umlaufbahnen entspinnt die Miniserie genau jenen unwiderstehlichen, mit sachter humanistischer Zuversicht gepaarten Sog des Schauderns, gepaart, der auch Kings beste Bücher seit jeher auszeichnet.
Ab 08.01. auf Starzplay
One Night in Miami… (Film)
Auf einem Theaterstück beruhend erzählt das Langfilm-Regiedebüt der Schauspielerin Regina King (Oscar-prämiert für „If Beale Street Could Talk“, zuletzt in „Watchmen“ herausragend) von Geschehnissen, die sich in der titelgebenden Nacht des 25. Februar 1964 in Floridas heimlicher Hauptstadt so oder auch nur so ähnlich ereignet haben könnten. In einem Hotelzimmer trafen dereinst mit dem Box-Weltmeister Cassius Clay, dem Soul-Superstar Sam Cooke, der NFL-Größe Jim Brown sowie dem Bürgerrechtsaktivisten Malcolm X verbrieftermaßen vier der zu diesem Zeitpunkt bekanntesten Afroamerikaner aufeinander – ursprünglich, um den ganz frischen Titelgewinn Clays zu zelebrieren, zu späterer Stunde aber mutmaßlich auch, um streitlustig ihre unterschiedlichen Zugänge zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung darzulegen. Das naturgemäß bühnenhaft Steife des Stoffs umschifft King auch dank ihrer gut aufgelegten (leider nahezu nur) männlichen Darstellerriege mit gutsitzenden inszenatorischen Kniffen durchwegs kunstreich und kurzweilig – man wird sich diesen Streifen nicht allein wegen seiner thematischen Gegenwärtigkeit für die kommende Awards-Season merken müssen.
Ab 15.01. auf Amazon Prime Video
Streaming-Tipps Dezember 2020
Mank (Film)
Mit dem Versprechen, ihre jeweiligen langegehegten Herzensangelegenheiten filmischer Natur ohne zu knappe Budgets oder schwerwiegende Interventionen umsetzen zu können, wurden schon zahlreiche Meisterregisseure von Netflix geködert. Siehe Martin Scorsese und „The Irishman“, siehe Alfonso Cuarón und „Roma“, siehe die Coens und „The Ballad Of Buster Scruggs“. Siehe nun auch David Fincher. Wobei es strenggenommen ja das lange unverfilmte Prestige-Projekt bzw. Script seines Vaters Jack Fincher ist, das sich der große Perfektionist des Gegenwartskinos da für seinen ersten Spielfilm seit „Gone Girl“ vorgeknöpft hat. In stilisiertem Schwarz-Weiß gehalten und auch darüber hinaus die Ästhetik des klassischen 30er-Hollywood-Produktionen virtuos nachahmend erzählt Mank die stürmische Entstehungsgeschichte des Drehbuchs zu Citizen Kane, des in vielen Augen größten Filmes aller Zeiten, verpackt in die Lebensgeschichte von dessen Verfasser, dem trinkfreudigen, streitbaren, wortgewaltigen Bühnenautor Herman J. Mankiewicz (Gary Oldman, grandios wie eh und je). Gefiltert durch den Blick dieses nie so wirklich im damaligen Studiosystem angekommenen Outsiders hat es hier einen mit allerlei fiesen Spitzen und (bisweilen auch nur Eingeweihten verständlichen) Anspielungen gespickten Liebesbrief an die ewige Traumfabrik, deren Illusionsmaschine eben schon immer gleich gut darin war, Menschen in Massen zu verzaubern wie zu verschleißen.
Ab 04.12. auf Netflix
Fargo (Serie, Staffel 4)
Es ist fast so, als ob ein Kicker von Liverpool zu Hoffenheim wechselt, von der Weltbühnen-Mannschaft zum ehrgeizigen, aber eben noch nicht zu Höherem berufenen Emporkömmlings-Ensemble: Nachdem die ersten drei Staffeln des Serien-Remixes der Coen-Kultkrimikomödie bei Netflix liefen, findet man die vierte nun im Angebot von Joyn. Huch. Ob dieser Move etwa am geminderten Leistungsvermögen lag? Nun, in der Tat ist dem Serienschöpfer Noah Hawley in der dreijährigen Pause etwas die Selbstverständlichkeit verlorengegangen, mit der er einen stets auf wendungsreiche Reisen in noch unbekannte Winkel des Fargo-Universums zu schicken verstand. Zumindest in der ersten Staffelhälfte geht’s in jenem Gang-Krieg, in den sich schwarze und italienische Clans im Kansas City 1950 hier verstrickt haben, daher noch allzu geschwätzig selbstreferenziell und schaumgebremst zu. In der zweiten bessert sich das Dargebotene dann dankenswerterweise. Durch strahlkräftigeres Schauspiel, speziell von Nebenrollenkapazundern wie Timothy Olyphant oder Jessie Buckley, sowie manchen gewitzten inszenatorischen und inhaltlichen Umstellungen wird schlussendlich beinahe wieder in altbewährter Form aufgegeigt.
Ab 10.12. auf Joyn Plus
Sound of Metal (Film)
We need to talk about sound design. So wichtig, so selten angemessen honoriert. Im Spielfilm-Regiedebüt von Darius Marder (Koautor des unterschätzten „The Place Beyond The Pines“) ist die Frage, wie und wann man was hört und was nicht, von elementarer Bedeutung. „Sound of Metal“ beantwortet diese Frage gleichwohl mit bestechender Brillanz – anders wäre dieses Vorhaben allerdings auch gar nicht vorstellbar gewesen. Schließlich haben wir es hier mit der Geschichte eines Metal-Drummers zu tun, der nach und nach sein Gehör verliert und damit auch alles, was ihm bis dato wichtig war im Leben – und schließlich sogar den Bezug zur Außenwelt. Womit wir auch schon beim zweiten Fixstern des Films wären: Hauptdarsteller Riz Ahmed („The Night Of“), der hierfür nicht nur Schlagzeugspielen und Gebärdensprache gelernt hat, sondern seine Figur zwischen steigender Frustration und existenzieller Verlorenheit zu gleichen Teilen mit Nuance und Wucht anlegt. Ein Werk, das nachhallt.
Ab 04.12. auf Amazon Prime Video
Soul (Film)
Noch nicht einmal bei Pixar hatte die Pandemie ein Nachsehen: Spielfilm 23 der Animations-Wunderwerk-Schmiede wird der erste sein, der nicht von der Leinwand leuchten darf. Was nicht nur wegen der auf kleineren Schirmen natürlich eingedampfteren Bilderpracht schade ist. Auch die Signalwirkung, den die erste Hausproduktion mit schwarzer Hauptfigur aussendet, wäre mit einem Kinostart gewiss eine mächtigere gewesen. Aber was soll’s, selbst der nun feiertägliche Couchpotatoe-Start auf Disney+ wird das Abenteuer eines Lehrers, der seinem Profi-Jazz-Musiker-Traum nach- und in ein Kanalloch reinläuft (was seine Seele auf eine Reise in eine Zwischenwelt schickt) zuvorderst und zugleich: Synapsen befeuern, Herzen wärmen und Augen zum Leuchten bringen. So wie es eben nur die besten Pixar-Animationen imstande sind – zu deren exklusivem Kreis sich „Soul“ uneingeschränkt zählen darf.
Ab 25.12. auf Disney+
Fosse/Verdon (Serie, Staffel 1)
Schauspielhochadel wie Sam Rockwell und Michelle Williams vor der Kamera, die Schöpfer der Spitzenspitzelserie The Americans bzw. des Broadway-Superhits Hamilton an den kreativen Schalthebeln, dazu ein Thema, das Film- wie Theater-Liebhaber gleichermaßen ansprechen dürfte und das in der Ära von #metoo obendrein noch mit genügend gegenwärtiger Brisanz aufgeladen ist: Den heftigen Preisregen bei Emmys und Globes kam für die hochglänzende Prestige-Miniserie des Senders FX nicht unbedingt überraschend. In deren Fokus steht die jahrzehntelange (privat: schwierige, professionell: brillante) Partnerschaft der beiden Titelspender, des Regisseurs/Choreographen Bob Fosse („Cabaret“) und der Supertänzerin Gwen Verdon – sowie darüber hinaus mal wieder die Frage, ob man Kunst auch dann gut finden darf, wenn man weiß, dass der Künstler ein echter Unsympath war.
Ab 24.12. auf Joyn Plus
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