Um den Release der tollen Platte präsentiert das Trio ihren beeindruckenden Synth-Pop auf ihren bisher größten Shows – am 9.3. im Berliner Festsaal Kreuzberg.
Bevor sich dieser Text der Musik zuwendet, sei dem Autor ein klein wenig Linguistik zur Entschlüsselung des Albumtitels gestattet: Dräi lautet die luxemburgische Entsprechung für das deutsche Wort drei. Gleich aus mehreren Gründen haben Say Yes Dog die Namenswahl wohl erwogen:
Zum einen erscheint mit diesem Langspieler die nunmehr dritte Studioplatte der Band. Über ein Jahrzehnt reicht ihre Historie in die Vergangenheit. 2013 vereint Aaron Ahrends, Pascal Karier und Paul Rundel die Entschlossenheit, dem viel berufenen Fusion Festival eine Visite abzustatten – zu ihrem Leidwesen haben die Connaisseure elektronischer Tanzmusik in der Kartenlotterie das Nachsehen. Weil Not jedoch erfinderisch macht, wird ihr Dilemma zur Geburtsstunde von Say Yes Dog: Kurzum schicken sich die drei Freunde an, von den Veranstaltern als Band auf den ehemaligen Militärflugplatz geholt zu werden. Ihr Spitzbubenplan geht auf. Im Angesicht des nahenden Konzerts schreiben die damaligen Studenten in Den Haag eine Handvoll Stücke, welche sie noch im selben Jahr auf ihrer Debüt-EP „A Friend“ bündeln. 2015 folgt mit „Plastic Love“ der erste Langspieler. In der Folge lanciert die Journaille Vergleiche mit New Order, Hot Chip und The Whitest Boy Alive – Gruppen also, die sich an einer nahtlosen Verschmelzung von Synthiepop und Independentmusik verdient gemacht haben.
Die Einzigartigkeit von Say Yes Dog wird bereits nach diesen frühen Veröffentlichungen offenkundig – und zwar auf den anknüpfenden Konzerten. Eindeutig ist ihr Elektropop für den ausgelassenen Tanz geschaffen. Gleichzeitig vermögen es die Melodien, in manchmal sanfte und bisweilen pochende Melancholie zu sinken. In diesem Spagat erreichen Say Yes Dog unwahrscheinliches: Über das Internet verbreiten sich Stücke wie „Focus“ oder „Plastik“ auf dem ganzen Erdball. Weil an ihrer Musik kein hörbarer Lokalkolorit haftet, finden die Lieder ihren Weg in die Herzen und Beine von Menschen auf allen Kontinenten. Im Zuge eines Kulturaustauschs konzertiert die Band in Ghana, sie bespielt den vietnamesischen Dschungel und einen kleinen Club in Tokio. Auf ihren Reisen verschmelzen Ahrends, Karier und Rundel allmählich zu einer oszillierenden Einheit. Ohrenfällig wird das spätestens im Jahr 2019. Auf ihrer zweiten Studioplatte „Voyage“ zeigt sich: Inspirierten die Musiker in ihren frühen Tagen allen voran Clubklänge (und damit einhergehende isoliertere Arbeitsweisen), sind sie nunmehr als Indie-Band zusammengewachsen.
Ihr Selbstverständnis schöpft die Gruppe seither als unauflösbare Trinität, der Zauber resultiert alleine aus der Summe ihrer Einzelteile. Als etwa Schlagzeuger Pascal Karier an einem gebrochenen Arm laboriert, steht nicht einmal zur Debatte, sich für die anstehenden Konzerte nach einer Vertretung umzusehen. „Wir können keinen ersetzen. Wir drei sind unser Baby“, betont Ahrends. Auch im Wissen um ihre Verbundenheit tauften die mittlerweile in Berlin waltenden Musiker ihre jüngste Veröffentlichung „DRÄI“. Jene aktuelle Platte versteht die deutsch-luxemburgische Gruppe als klares Bekenntnis an sich selbst. Weil jedes Bandmitglied auch an anderen Projekten arbeite, sei niemand zwingend auf Say Yes Dog angewiesen. Gerade deshalb wiegt ihre bewusste Entscheidung für neue Musik noch größer.
ACT DES MONATS
Als der Vorsatz eines Albums gereift, fahren Ahrends, Karier und Rundel für eine Woche in den Spreewald. Nach der langjährigen Pause möchte man einander aufs Neue erkunden. Nur ein paar Augenblicke dauert es, bis die Freunde nicht nur ihre Beziehung zueinander wiederfinden, sondern auch das Gefüge als Band. Spätestens auf einer zweiten Exkursion – diesmal führt die Reise in eine mecklenburgische Scheune – nehmen die Lieder Formen an. Gemeinsam verlebt man einige vergnügliche Stunden im Hinterland, schließlich hört Ahrends im Traum die Melodie von „Not your thing“. Als seine Gefährten erwachen, ist der humorige Synthiepop-Titel beinahe fertig aufgenommen. Lediglich die Feinheiten werden in Berlin modelliert.
In der Summe aller zehn Stücke kann man „DRÄI“ wohl als vielschichtigstes Album der Band bezeichnen: Der eher clubbezogene Ansatz von „Plastic Love“ und die bandkollektivistische Herangehensweise von „Voyage“ werden vereint – zwischen Clubgemäuern und Festivalbühnen entfaltet sich jedwede Facette von Say Yes Dog. Bisweilen traut man sich gar, den Tanzboden zu verlassen: „Farewell“ etwa kommt als gedämpfte Elektroelegie daher. Auch eher treibende Stücke wie „When I Look At You“ oder „NoNo“ akzentuieren die Wurzeln der Band in elektronischen Gefilden. „On And On“ und „Stay“ hingegen kommen als zeitlose Independent-Gassenhauer daher.
Nach ihrem mehr als zehnjährigen gemeinsamen Weg im Spannungsfeld von Gitarrenmusik und synthetischen Klängen sind Aaron Ahrends, Pascal Karier und Paul Rundel auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angelangt. Auf „DRÄI“ haben alle Schattierungen von Say Yes Dog ihre schönste Form gefunden.
Von Martin Schlüter