In einem aufsehenerregenden BBC-Interview hat Sir Elton John der britischen Regierung scharfe Vorwürfe gemacht. Der Pop-Veteran bezeichnete die geplanten Ausnahmeregelungen für Künstliche Intelligenz im Urheberrecht als „Diebstahl im großen Stil“. Und mit dieser Meinung steht er nicht alleine da.
Auslöser für den Zorn des Musikers ist eine Entscheidung des britischen Unterhauses, einen Änderungsantrag des House of Lords zur sogenannten Data (Use and Access) Bill abzulehnen. Dieser hätte Transparenzpflichten für KI-Entwickler eingeführt. Konkret sollten Firmen offenlegen, welches urheberrechtlich geschützte Material sie zum Trainieren ihrer Systeme verwenden – eine Forderung, die von über 400 britischen Künstlern, darunter auch Paul McCartney, mitgetragen wurde.
Mit der Ablehnung des Änderungsantrags bleibt es dabei, dass Tech-Firmen weiterhin auf große Datenmengen zugreifen können, ohne die Urheberrechte von Kreativenr´ zu berücksichtigen oder Lizenzgebühren zu zahlen. Ein einmaliger Vorgang: jedes andere Unternehmen muss für die Verwertung von kreativen Werken eine Erlaubnis einholen und Geld bezahlen.
„Sie rauben der nächsten Generation das Einkommen“
Sir Elton John äußerte sich im Gespräch mit BBC-Moderatorin Laura Kuenssberg sichtlich wütend: „Das ist kriminell. Ich fühle mich zutiefst verraten.“ Besonders junge Künstler würden unter den Plänen leiden, da sie nicht die Mittel hätten, sich juristisch gegen große Tech-Unternehmen zur Wehr zu setzen. Der Musiker warnte: „Man beraubt die nächste Generation ihrer kreativen Zukunft.“
Dabei verwies er auch auf das klare Votum des Oberhauses, das die Transparenzpflicht mit einer Mehrheit von 147 Stimmen unterstützt hatte. Doch das Unterhaus wischte den Vorstoß kurzerhand beiseite. Für Elton John ein weiterer Beleg dafür, dass die Regierung „den Bezug zur kreativen Realität verloren“ habe.
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Angriff auf Starmer und die Regierung
Besonders deutlich wurde John gegenüber der aktuellen Labour-Regierung. Premierminister Keir Starmer müsse endlich „aufwachen“ und seine Verantwortung für den Schutz der Kreativwirtschaft ernst nehmen. Den zuständigen Technologieminister Peter Kyle nannte er gar „einen Idioten“.
„Die Regierung ist einfach nur ein Haufen Verlierer“, so Elton John weiter. Sollte der Gesetzentwurf nicht überarbeitet werden, kündigte er an, auch den Rechtsweg nicht zu scheuen: „Wir werden bis zum Ende kämpfen.“
Kreativwirtschaft schlägt Alarm
Auch der britische Musikverband UK Music zeigt sich alarmiert. Geschäftsführer Tom Kiehl erklärte gegenüber der BBC, man stehe kurz davor, „die britische Musikindustrie als Opfergabe auf dem Altar der Tech-Konzerne zu opfern“. Die Regierung dürfe nicht zulassen, dass KI-Entwickler „seelenloses Material auf dem Rücken echter Künstler erzeugen“.
Playwright James Graham, der Elton John beim BBC-Interview begleitete, ergänzte: „Die Regierung versteht durchaus den Wert von Kreativität, aber es fehlt entweder der Wille oder der Mut, Silicon Valley Grenzen zu setzen.“
Künstliche Intelligenz und der „Wilde Westen“
Die Debatte über Künstliche Intelligenz und Urheberrecht ist kein rein britisches Thema. Weltweit kämpfen Künstler, Autorinnen und Verlage um den Schutz geistigen Eigentums vor dem Zugriff generativer KI. Diese Systeme benötigen große Mengen an Trainingsdaten, darunter Texte, Bilder und Musikstücke, um neue Inhalte zu erzeugen. Millionen Jobs sind durch die Enteignung von kreativer Arbeit in Gefahr.
Ohne klare rechtliche Grenzen verschwimmt die Grenze zwischen Inspiration und Diebstahl. Paul McCartney warnte schon vor Monaten vor einem „Wilden Westen“, in dem Künstlerrechte auf der Strecke bleiben könnten.
Regierung auf Schmusekurs mit Tech-Branche?
Aus Regierungskreisen heißt es, man wolle keine Änderungen des Urheberrechts, „es sei denn, wir sind vollständig überzeugt, dass sie für Kreative funktionieren“. Ein Abschlussbericht mit einer wirtschaftlichen Folgenabschätzung sei geplant, zudem befinde man sich in einer Konsultationsphase.
Dabei steht jedoch auch ein mögliches Opt-Out-Modell im Raum, das Urheber dazu verpflichten würde, ihre Werke aktiv vom KI-Training auszuschließen – ein komplexes und in der Praxis kaum umsetzbares Verfahren, besonders für unbekanntere Kreative, das das Urheberrecht zudem auf den Kopf stellt.
Seit dem Amtsantritt von Trump hat er der US-Techbranche weitgehend freie Hand gelassen, generative KI in den globalen Markt zu drücken.
US-Urteil gegen KI-Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte setzt Präzedenzfall
Auch außerhalb Großbritanniens formiert sich Widerstand gegen die ungeklärte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke durch KI-Unternehmen. In den USA hat ein Gericht erstmals eindeutig gegen ein KI-Start-up entschieden, das ohne Lizenz Inhalte eines Medienkonzerns zum Training seiner Systeme verwendet hatte. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für die gesamte Branche der generativen KI haben.
Im Mittelpunkt des Falls stand das inzwischen geschlossene Unternehmen Ross Intelligence, das eine auf juristische Texte spezialisierte KI entwickeln wollte. Als Trainingsgrundlage dienten Inhalte des juristischen Datenbankdienstes Westlaw, einer Tochterfirma von Thomson Reuters. Nachdem Westlaw die Lizenzierung verweigert hatte, ließ Ross die Inhalte auf anderem Wege beschaffen und verwendete sie dennoch zum Training. Das Gericht verneinte nun in einem richtungsweisenden Urteil den Fair-Use-Status dieser Praxis.
Laut Richter Stephanos Bibas habe Ross „urheberrechtlich geschütztes Material kopiert, um ein konkurrierendes Produkt zu bauen“. Das verletze klar das Urheberrecht, selbst unter den in den USA geltenden Ausnahmen des Fair Use. Damit wird erstmals juristisch festgehalten, dass das bloße Training von KI-Systemen mit geschütztem Material nicht automatisch unter Fair Use fällt – ein Argument, auf das sich bislang viele KI-Unternehmen gestützt haben.
Rechtsexperte James Grimmelmann von der Cornell University bezeichnete das Urteil gegenüber Wired als „sehr schlecht für die generative KI-Branche“. Besonders brisant: Das Gericht wies zahlreiche bisher herangezogene Präzedenzfälle als irrelevant zurück, was den Spielraum für KI-Entwickler künftig deutlich einschränken dürfte.
Internationale Signalwirkung auch für europäische Debatte
Das Urteil dürfte auch in Europa für neue Dynamik sorgen. Während die britische Regierung versucht, Tech-Unternehmen weitgehende Freiheiten beim Zugriff auf Kreativinhalte zu gewähren, signalisiert das US-Gericht eine klare Grenze. Die Kombination aus politischem Widerstand prominenter Künstler wie Elton John und juristischen Rückschlägen für die Branche könnte den Druck auf Gesetzgeber weltweit erhöhen, das Urheberrecht nicht zu Gunsten der KI-Wirtschaft aufzuweichen.
Die kommenden Monate dürften entscheidend sein für das Verhältnis zwischen Technologie und Kreativwirtschaft. Das Signal ist klar: Ohne Zustimmung der Rechteinhaber könnten KI-Modelle künftig deutlich schwerer an hochwertiges Trainingsmaterial kommen.
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