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Low Life Rich Kids – Lächelnd in den Abgrund

Die Low Life Rich Kids zeigen, dass politischer Pop weder belehrend noch belanglos sein muss, sondern knallen kann wie ein Witz, den man erst im Nachhall versteht.

Sie haben alles satt, außer Haltung: Die Low Life Rich Kids sind der zornige Gegenentwurf zur saturierten Apokalypse unserer Zeit – ein Drei-Personen-Kollektiv, das den Mittelfinger zum Mikrofon macht und die Gegenwart besingt, als wäre sie längst Vergangenheit. Ihr Debütalbum gleicht einem lauten Weckruf für die, die sich freiwillig betäuben – mit Ignoranz, Zynismus oder dem fünften Insta-Reel vor dem Einschlafen.

Dabei hantieren Coco Brell, Mara Romei und Bernhard Eder nicht mit der Moralkeule, sondern mit einem gut geölten Vorschlaghammer aus Postpunk, Pop-Attitüde und Spoken-Word-Schärfe. Zehn Tracks, zehn Lieblingslieder, kein einziger ohne Reibung. Schon im ersten Hördurchgang wird klar: Der ausgestreckte Daumen und der ausgestreckte Mittelfinger sind bei den LLRK keine Widersprüche, sondern komplementäre Tools der Selbstverteidigung in einer Welt, die ständig nach deiner Zustimmung schreit – oder deiner Kapitulation.

Klingt das nach Theatralik? Gut so – denn die Band stammt nicht aus muffigen Proberäumen, sondern aus einem Theaterprojekt. Gegründet während einer Inszenierung von Lucien Haugs Über Nacht, haben sich Brell, Romei und Eder seither als Bühnengewächs mit Punkwurzel etabliert. Ihre erste Single „Angst“ wurde nicht nur im Stück gefeiert, sondern auch zur FM4-Hymne. Aus einem Bühnenmoment wurde eine Band. Und aus der Band ein Manifest.

Ihr Album ist keine Playlist für gute Laune, sondern ein Katalog der Gegenwartsbeschwerden. Klimakrise, Queerfeindlichkeit, toxische Positivität – alles bekommt sein Fett weg. Und trotzdem wirkt nichts davon belehrend oder larmoyant. Denn die Low Life Rich Kids sind nicht die, die mit dem Taschenrechner die Welt retten wollen. Sie machen Lärm. Und das ist oft ehrlicher als jeder Diskurs.

Mit dem Begriff „NNNDW“ können die LLRK übrigens herzlich wenig anfangen – was sie auch gleich in einer gleichnamigen Single klarstellen. Statt Retro-Referenz liefern sie rotzige Resignation mit Hooks, die kleben wie Plakate an Bahnhofstoiletten: wütend, poetisch, schmutzig.

Der Titeltrack ihrer Debüt-EP zeigt, was diese Band so gefährlich charmant macht: Mehrstimmiger Gesang, der klingt, als würden Patti Smith und Tocotronic auf der Geisterbahn ein Duett versuchen, und Texte, die auch dann noch nachhallen, wenn der Verstärker längst verstummt ist.

Wer das Glück hat, die Low Life Rich Kids live zu sehen, bekommt mehr als ein Konzert: Man bekommt eine Katharsis. Brell und Romei wirbeln mit Charisma, das jeden Saal in einen vibrierenden Zwischenzustand versetzt. Unterstützt werden sie dabei von Romy Jakovcic (Pauls Jets) am Bass und Drummer Alex Kerbl (Mothers Cake, Sharktank), der dem Sound zusätzlich Druck verleiht.

Sie sind laut, aber nicht leer. Sie sind witzig, aber nie zynisch. Und sie schaffen das, woran so viele scheitern: Sie machen Haltung hörbar, ohne dabei die Moral zu predigen. Die Low Life Rich Kids sind keine Antwort – sie sind eine Ansage.


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