Von einer, die auszog, sich nicht festlegen zu lassen: Claire Chicha alias spill tab veröffentlicht ihr Debütalbum – und lässt dabei alle Genregrenzen hinter sich.
Was passiert, wenn eine Musikerin sich komplett dem Bauchgefühl überlässt? Wenn sie Sounds, Sprachen und Stimmungen miteinander vermischt, bis ein schillerndes Ganzes entsteht, das sich keiner Ordnung unterwirft? Die Antwort darauf gibt Claire Chicha auf ihrem ersten offiziellen Album ANGIE. Zwölf Songs lang bewegt sich spill tab wie eine wache Träumerin durch Lo-Fi-Pop, glitchige Beats und fragile Rockmomente – zärtlich, trotzig, offenherzig.
Dabei war der Weg bis hierhin alles andere als geradlinig. Geboren als Tochter einer koreanischen Pianistin und eines französischen Komponisten, aufgewachsen zwischen L.A., Paris und Bangkok, entwickelte sich Chichas musikalisches Vokabular früh als polyglotte Melange. Klassik, Jazz, Gainsbourg, Muay Thai – all das fand Platz in einem Sound, der sich nie für eine Richtung entscheiden wollte. Und genau das macht ihn so aufregend.
ANGIE, erschienen über Because Music, ist nun der vorläufige Höhepunkt dieser Suche nach Identität in Klangform. „Ich habe zum ersten Mal nur den Ideen vertraut, die ich wirklich gefühlt habe“, sagt Chicha selbst über den Entstehungsprozess. Herausgekommen ist ein Album, das sich so intuitiv anfühlt wie ein Tagebucheintrag – und dabei trotzdem wie aus einem Guss klingt.
Tracks wie „Athlete“ führen mitten hinein in Chichas Innenwelt: flüsternd gesungen, flirrend produziert, mit einem Text zwischen Begehren und Jetzt-Moment. „PINK LEMONADE“ schlägt im nächsten Moment eine ganz andere Richtung ein – knalliger Hyperpop, der vor Farben fast überläuft. Und dann wieder: „De Guerre“, ein Song wie ein Eiskristall – französisch gesungen, minimalistisch instrumentiert. spill tab hat kein Genre. Sie hat eine Handschrift.
Produziert wurde das Album mit einer Crew aus befreundeten Produzenten in Los Angeles – darunter David Marinelli, Solomonophonic, Wyatt & Austin sowie John DeBold. Die Sessions: organisch, spontan, frei. So klingt auch das Ergebnis. Besonders eindrücklich: der Titeltrack „Angie“, eine bittersüße Hommage an das Gefühl, gleichzeitig festzuhalten und loszulassen. Oder „Hold Me“, fast schon zerbrechlich in seiner Verletzlichkeit.
Dass spill tab längst über ihren Hype hinausgewachsen ist, beweisen nicht nur ihre früheren EPs – von der verspielten Oatmilk bis zur jazzig aufgebrochenen Klepto – sondern auch ihre Bühnenpräsenz: als Tour-Support für Wallows oder Sabrina Carpenter, als Indie-Geheimwaffe auf Club- und Festivalbühnen. Diesen Sommer geht sie erstmals selbst auf Headliner-Tour durch Nordamerika und Europa, mit einem Auftakt beim Weekend Des Curiosités in Toulouse.
Spill tab ist keine Newcomerin mehr, sondern eine jener Künstlerinnen, die ihren Platz zwischen den Stühlen längst zu einem eigenen Raum umgebaut hat. ANGIE ist ihr mutigstes, persönlichstes und vielleicht wichtigstes Statement bisher – und der Soundtrack einer Generation, die sich selbst sucht und dabei lernt, sich zu umarmen.
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