Giwar Hajabi, bekannt unter seinem Künstlernamen Xatar, ist tot. Der Rapper, Labelchef und Unternehmer verstarb im Alter von 43 Jahren unerwartet in Köln. Die genaue Todesursache ist bislang ungeklärt.
Geboren wurde Xatar als Giwar Hajabi 1981 im Iran als Sohn kurdischer Intellektueller, die nach der iranischen Revolution unter Repressionen litten und mit ihrer Familie nach Deutschland flohen. In Bonn aufgewachsen, berichtete Xatar oft von Armut und sozialer Ausgrenzung – Themen, die später in vielen seiner Songs wiederkehren sollten.
Sein Weg in die deutsche Rap-Szene war eng verbunden mit seiner Biografie: Ausgestattet mit einem ausgeprägten Überlebensinstinkt und Geschäftssinn, begann er schon als Jugendlicher mit dem Verkauf von Raubkopien und Drogen. Seine kriminelle Karriere kulminierte 2009 in einem spektakulären Raubüberfall auf einen Goldtransporter, für den er zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Doch selbst im Gefängnis gab Xatar die Musik nicht auf – im Gegenteil: Seine Popularität wuchs weiter.
Labelgründer und Mentor
Bereits 2007 gründete Xatar das Label Alles oder Nix Records, das für viele als Plattform für aufstrebende Künstler*innen aus migrantisch geprägten Milieus diente. Zu den bekanntesten Acts des Labels zählt Schwesta Ewa, deren Karriere Xatar maßgeblich mitformte. Auch Künstler wie SSIO oder Eno profitierten von seiner Expertise und seiner unkonventionellen Art, Rap als Straßenkultur und Geschäft zugleich zu denken.
Sein eigenes Debütalbum „Alles oder Nix“ erschien 2008 und wurde rasch zum Szene-Erfolg. Mit dem Album „Baba aller Babas“ (2015) gelang ihm schließlich der kommerzielle Durchbruch – Platz eins der deutschen Albumcharts inklusive.
Vom Knast zum Kinosaal
Dass Xatar mehr war als nur ein Rapper mit krimineller Vergangenheit, zeigte sich spätestens mit der Veröffentlichung seiner Autobiografie „Alles oder Nix: Bei uns sagt man, die Welt gehört dir“. Das Buch wurde später von Fatih Akin unter dem Titel „Rheingold“ und mit Emilio Sakraya in der Hauptrolle als Xatar verfilmt – ein visuell opulentes Biopic über Aufstieg, Fall und Mythos eines Mannes, der sich immer wieder neu erfand. Der Film wurde 2022 veröffentlicht und traf einen Nerv – nicht nur in der Rap-Szene, sondern auch im Feuilleton.
Xatar verstand es, die Mechanismen des Musikmarkts ebenso wie die Narrative der Straße für sich zu nutzen, seine Alben wurden zu Manifesten eines Milieus, das sonst selten eine Stimme bekommt.
Die Nachricht von seinem Tod verbreitete sich am Freitagmorgen rasch in den sozialen Medien. Wegbegleiter und Szenegrößen zeigten sich schockiert. Der Berliner Rapper Fler nannte ihn eine „wahre Deutschrap-Legende“, Farid Bang postete ein gemeinsames Bild mit Xatar, andere Künstler erinnerten an seine Rolle als Mentor und Visionär.
Er hinterlässt eine Ehefrau und fünf Kinder.
Xatar – Biografie
Giwar Hajabi, besser bekannt unter dem Künstlernamen Xatar, zählt zu den einflussreichsten Figuren der deutschsprachigen Rapmusik der 2000er- und 2010er-Jahre. Seine Karriere verlief nicht gradlinig, sondern war geprägt von Brüchen, Konflikten und unternehmerischer Energie. Xatar vereinte musikalische Ambitionen mit einem ausgeprägten Geschäftssinn und trug wesentlich dazu bei, dass Straßenrap zu einer dominanten Ausdrucksform in der deutschen Popkultur wurde.
Herkunft und frühe Jahre
Xatar wurde 1981 im Iran geboren. Seine Eltern gehörten der kurdischen Minderheit an und flohen nach der Islamischen Revolution zunächst in den Irak, später nach Deutschland. Die Familie ließ sich in Bonn nieder, wo Hajabi in einem multikulturell geprägten, strukturell benachteiligten Umfeld aufwuchs. Seine Kindheit war von finanziellen Engpässen, Ausgrenzung und sozialer Unruhe geprägt. In dieser Zeit entwickelte er eine pragmatische Haltung zur Realität, die später auch seine Musik kennzeichnen sollte.
Schon in der Schulzeit zeigte sich ein unternehmerischer Instinkt. Hajabi verkaufte Raubkopien von Filmen an Mitschüler und machte erste Erfahrungen mit dem informellen Handel. Parallel begann er, sich für Musikproduktion zu interessieren, experimentierte mit Beats und Samples und eignete sich technisches Wissen autodidaktisch an.
Einstieg in die Musik
Seine ersten musikalischen Arbeiten veröffentlichte Xatar Ende der 1990er-Jahre. Sein Stil war stark beeinflusst von US-amerikanischem Gangsta-Rap, gleichzeitig aber tief verankert in seiner eigenen Lebensrealität. Seine Texte behandelten Themen wie Armut, Identität, Loyalität und das Streben nach Anerkennung. 2007 gründete er das Label Alles oder Nix Records in Bonn – ein Schritt, der ihn unabhängig vom traditionellen Musikbetrieb machte und ihm erlaubte, sowohl als Künstler als auch als Produzent zu arbeiten.
2008 erschien sein Debütalbum „Alles oder Nix“. Die Veröffentlichung markierte einen Meilenstein im Straßenrap, der zu dieser Zeit noch stark marginalisiert war. Xatar positionierte sich als Stimme einer Generation, die oft nur als Problemfall wahrgenommen wurde. Sein Sound verband rohe Beats mit erzählerischen Elementen und regionalen musikalischen Einflüssen, etwa aus dem Nahen Osten.
Verurteilung und Haftzeit
2009 wurde Xatar wegen eines bewaffneten Überfalls auf einen Goldtransporter zu acht Jahren Haft verurteilt. Die Tat, bei der Gold im Wert von rund 1,7 Millionen Euro erbeutet wurde, sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Nach einer Flucht durch mehrere Länder wurde er schließlich im Irak festgenommen und nach Deutschland ausgeliefert.
Trotz der Inhaftierung blieb Hajabi als Musiker präsent. Aus dem Gefängnis heraus veröffentlichte er 2010 sein zweites Album „Nr. 415“, benannt nach seiner Häftlingsnummer. Die Platte erreichte eine Platzierung in den deutschen Charts – eine Seltenheit für ein Album, das unter solchen Bedingungen entstanden war. Für viele in der Szene bestätigte dies seine Ausnahmestellung.
Rückkehr und kommerzieller Erfolg
Nach seiner Entlassung aus der Haft im Jahr 2014 kehrte Xatar nicht nur als Künstler, sondern auch als etablierter Unternehmer zurück. 2015 veröffentlichte er das Album „Baba aller Babas“, das Platz eins der deutschen Albumcharts erreichte und damit seinen kommerziellen Durchbruch markierte. Die Produktion war professionell, die Texte ambitioniert und sein Image fest etabliert. Er war nicht mehr nur Teil der Szene, sondern ein prägender Akteur.
Im selben Jahr erschien seine Autobiografie „Alles oder Nix: Bei uns sagt man, die Welt gehört dir“. Darin schilderte Hajabi seinen Lebensweg zwischen Migration, Musik und Kriminalität. Das Buch wurde 2022 unter dem Titel „Rheingold“ von Regisseur Fatih Akin verfilmt. Der Kinofilm brachte Xatars Geschichte einem breiteren Publikum näher und trug zur Mythenbildung um seine Person bei.
Arbeit als Labelchef und Mentor
Unter dem Dach von Alles oder Nix Records entwickelte Xatar eine Plattform für junge Talente, die ähnliche Erfahrungen teilten. Besonders erfolgreich waren die Karrieren von Schwesta Ewa, SSIO und Eno, die alle durch seine Förderung ins Rampenlicht traten. Dabei agierte Hajabi nicht nur als Geschäftsführer, sondern auch als künstlerischer Berater und Produzent. Er erkannte früh die Bedeutung von Authentizität, Ästhetik und Zielgruppenansprache – eine Kombination, die dem Label über Jahre Relevanz sicherte.
Auch die visuelle Kommunikation, etwa durch Musikvideos und Social Media, wurde gezielt gesteuert. In einer sich wandelnden Musiklandschaft setzte Xatar auf Kontrolle über Inhalte und Vertrieb, was seinem Label langfristig wirtschaftliche Stabilität verschaffte.
Unternehmerische Aktivitäten
Neben seiner Tätigkeit in der Musikbranche war Hajabi in weiteren Geschäftsfeldern aktiv. Er gründete das Restaurant Haval Grill in Köln, das sich rasch als beliebter Treffpunkt etablierte. Darüber hinaus investierte er in die Modebranche und entwickelte eigene Marken, unter anderem im Streetwear- und Luxussegment. Diese unternehmerischen Schritte machten ihn zu einem Beispiel für erfolgreiche Selbstvermarktung jenseits der etablierten Strukturen des Kulturbetriebs.
Xatar nutzte seine öffentliche Präsenz konsequent für die Weiterentwicklung seiner Projekte. Dabei gelang ihm der Spagat zwischen dem Image des Selfmade-Mannes und der Aufrechterhaltung seiner kulturellen Verortung im Milieu der Straße.
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