Beim Thema Autotune im Rap scheiden sich die Geister. Von den einen gehasst, von den anderen geliebt. Das steckt hinter dem Mythos.
Bereits häufig in der Musikgeschichte haben neue Technologien ganze Genres hervorgebracht. Kraftwerk gehören deshalb zu den Urvätern von Techno, weil sie frühzeitig mit elektronischen Instrumenten experimentierten und mit ihrem Song „Techno Pop“ sogar den Genre-Namen lieferten.
Shoegaze entwickelte sich durch den massiven Einsatz von Hall und Reverse Hall Effekten auf der Gitarre. Und der Stimmeffekt Autotune ist spätestens seit Chers Hit „Believe“ jedem bekannt, aber erst Rap machte ihn unverzichtbar.
Ein Blick in die Hip Hop Charts reicht, um zu sehen, dass der Autotune-Effekt aus dem Genre Rap nicht mehr wegzudenken ist. Rapper wie Apache 207 oder Samra sind große Anhänger des Effekts. Doch nicht nur das, sie wissen auch genauestens mit der Software umzugehen und lassen dies auch auf ihren aktuellen Alben hören.
Die Entstehung & Entwicklung des Autotune-Effekts
Um 1996 entwickelte das Unternehmen Antares Audio die Software des Autotune-Effekts, welche ein Jahr später auf den Markt gebracht wurde. Der wohl bekannteste Song der Autotune-Geschichte ist der Track „Believe“ (1998) von der Pop-Sängerin Cher.
ACT DES MONATS
Ursprünglich wurde der Autotune-Effekt entwickelt, um in Songs schief gesungene Gesangspassagen zu korrigieren. Diese sollten, dank des Effekts, ausgebügelt werden. Am ehesten lässt sich Autotune mit dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshopvergleichen. Dieses hat prinzipiell dieselbe Funktion, allerdings geht es hier um Schönheitskorrekturen von Fotos. In den 2000er Jahren entwickelte sich der Soundeffekt zu DEM Musikinstrument des 21. Jahrhunderts. Dabei handelte es sich hier um kein physisches Instrument, was in den Händen zu halten ist, sondern um eine Software.
Die technischen Fakten rund um Autotune
Autotune wurde als ein sogenanntes VST-Plugin (Virtual Studio Technology), sprich ein Software-Instrument, entwickelt und verbreitet. Im klassischen und einfachen Sinne wird hier die Tonhöhe eines einstimmigen Audiosignals – meist handelt es sich hier um den Gesang – analysiert. Hierbei wird überprüft, ob und wie weit sich die Frequenz vom nächstfolgenden und korrekten Halbton einer vorgegebenen Stimmung entfernt ist. Das Signal wird entsprechend auf die korrekte Tonhöhe gezogen (gepitcht) und so manipuliert, dass diese zu der Tonart des ausgewählten Tracks passt und somit „in Tune“ ist. Mittlerweile gibt es bereits um die sieben Versionen der Software, das Grundprinzip bleibt allerdings bestehen. Selbstverständlich gibt es noch Alternativprodukte, wie z.B. Melodyne, Waves Tunes oder das dänische Programm Intonator.
Was aber passiert, wenn Autotune nicht in seiner ursprünglichen Funktion genutzt, sondern zweckentfremdet wird? Insbesondere im Rap ist dies ein beliebtes Feature, welches seine Hoch-Zeit in den Nullerjahren feierte. Der Effekt wird hierbei über die Stimme gelegt, wobei an dieser Stelle gerne ein wenig übertrieben werden darf, denn es gilt: Umso falscher du es benutzt, desto richtiger ist die Art und Weise. Das Resultat: Eine Verschmelzung der Vocals und Maschine. Es entsteht ein geradezu mechanischer, Cyborg-artiger Klang. Die menschliche Stimme klingt nach einem Roboter.
Der Beginn von Autotune in der Rap Szene
Einer der ersten Artists aus dem Bereich Rap, der sich bereits zur Anfangszeit seiner Musikkarriere (um 2003) am Autotune-Effekt bediente war der US-Rapper T-Pain. Seitdem galt und gilt der Rapper als eine Art Synonym des Soundeffekts und als Vorreiter. Es entstand der Begriff „T-Pain Effect“.
Nach ihm folgten einige große Artists wie Kanye West, Snoop Dogg oder auch Lil Wayne seinem Beispiel und bedienten sich ebenfalls immer mehr am Autotune. Auch soziologisch gesehen brachte der Effekt eine neue Sichtweise auf die Hip Hop Szene mit sich. War zuvor Oldschool- sowie (harter) Gangster-Rap populär, richtete sich Dank des Autotunes der Rap vermehrt emotionalen sowieso labilen Themen und brachte eine neue Sichtweise auf das Genre und seine Künstler*innen sowie sein starres Männerbild.
Deutschrap trifft auf den Autotune-Effekt
Auch vor der Deutschrap Szene machte der Soundeffekt keinen Halt. Ab 2012 entwickelte sich, nachdem dieser zunächst Wurzeln im US Raum schlug, im europäischen Raum der sogenannte Cloud Rap. Prägnante Merkmale hier: der Einsatz von sphärischem Synthesizer sowie eine ordentliche Portion an Autotune. Als Deutschsprachige Vorreiter gelten hier Yung Hurn, Crack Ignaz sowie LGoony. Auch in 2020 bedienen sich Deutschrap Größen wie unter anderem RIN, Apache 207 oder Loredana am beliebten Soundeffekt.
Auch nach jahrelanger Diskussion stellt sich weiterhin die Frage, ob Autotune ein Segen oder Fluch für das Genre ist. Vorwurf Nummer eins sind stets die Gesangskünste, welche den Künstler*innen abgesprochen werden. Doch selbst wenn diese nicht zu 100% vorhanden sein sollten, im Rap geht es nicht unbedingt um die richtige Intonation, sondern um Inhalte der Lyrics, Technik sowie Flow.
Am Ende geht es in der Musik nicht nur um den Effekt, sondern um das, was man damit macht und was man zu sagen hat. Es gibt schrecklichen Autotune-Rap und guten. So wie es guten Gitarrenrock und schlechten gibt oder guten Techno und langweiligen.
Macht euch selbst ein Bild, hier gibt es die Top 5 der aktuellesten Deutschrap Tracks mit Autotune:
- Kynda Grey feat. RIN – „Ayo Technology“
- Samra feat. Kalazh44 – „Shakira“
- Bausa feat. Bozza – „Selfmade Babylon“
- Genuva – „No Mercy“
- Jazn feat. Veysel – „Kurt Cobain“