Die britische Band Massive Attack hat angekündigt, ihre gesamte Musik von Spotify entfernen zu lassen. Anlass ist die Beteiligung von Spotify-CEO Daniel Ek an dem europäischen Rüstungs- und KI-Unternehmen Helsing.
Eks Risikokapitalfirma Prima Materia hatte im Juni 2025 eine Finanzierungsrunde für Helsing mit einem Volumen von 600 Millionen Euro angeführt. Helsing entwickelt KI-gestützte Systeme zur Analyse von Gefechtsfelddaten sowie Drohnentechnologie für militärische Zwecke. Ek ist Vorsitzender des Unternehmens.
Massive Attack begründen den Schritt mit der „moralischen und ethischen Last“, die sich aus der Finanzierung tödlicher Technologien durch Musikstreaming ergebe. In einer Erklärung heißt es, der wirtschaftliche Druck auf Musiker werde nun durch einen ethischen Konflikt verschärft, da kreative Arbeit und Fanbeiträge letztlich tödliche, dystopische Technologien mitfinanzieren würden. Die Band fordert eine grundsätzliche Veränderung im Umgang mit solchen Entwicklungen.
Spotify erklärte auf Nachfrage, dass zwischen dem Unternehmen und Helsing keinerlei Verbindung bestehe. Helsing sei ausschließlich im Verteidigungskontext europäischer Staaten aktiv und fokussiere sich auf die Unterstützung der Ukraine. Es gebe keine Einsätze in anderen Konfliktzonen.
Massive Attack sind die erste Major-Label-Band, die sich dem Protest anschließt. Weitere Künstler, die ihre Musik aus ähnlichen Gründen von Spotify entfernt haben, sind unter anderem Godspeed You! Black Emperor, King Gizzard & The Lizard Wizard, Deerhoof und Hotline TNT. Anders als diese Acts kann Massive Attack ihre Werke nicht über Bandcamp anbieten, da die Plattform unabhängigen Labels vorbehalten ist.
Parallel zur Entfernung aus Spotify beteiligt sich Massive Attack an der neuen BDS-Kampagne No Music for Genocide, die von mehr als 400 Künstlern und Labels getragen wird. Ziel ist es, Musik in bestimmten Regionen – insbesondere in Israel – gezielt nicht mehr bereitzustellen.
“1991 fiel das Gewaltregime der Apartheid in Südafrika, unterstützt aus der Ferne durch öffentliche Boykotte, Proteste und den Arbeitsentzug von Künstlern, Musikerinnen und Schauspielern. Komplizenschaft mit diesem Staat galt als untragbar. 2025 gilt dasselbe nun für den genozidalen Staat Israel. Die Initiative unterstützt die weitergehenden Forderungen der wachsenden @bds.movement. Wir appellieren an alle Musikerinnen und Musiker, ihre Trauer, Wut und künstlerische Ausdruckskraft in eine kohärente, angemessene und notwendige Handlung zu überführen, um die unaussprechliche Hölle zu beenden, die den Palästinensern Stunde um Stunde widerfährt.”
Die fragwürdige Aktion gegen die eigenen Fans in Israel steht in Zusammenhang mit dem Vorwurf, Israel begehe Kriegsverbrechen und Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung. Die Band verweist auf den historischen Boykott während der Apartheid in Südafrika als Vorbild für künstlerischen Widerstand. Ob Massive Attack planen, ihre Musik auch aus großen Märkten wie USA zurückzuziehen ist bisher nicht bekannt, was die Verlogenheit solcher Boykottaufrufe zeigt.
Massive Attack setzen sich damit an die Spitze von BDS, einer seit vielen Jahren aktiven Initiative, die versucht, Israel mit kulturellen Boykotten zu belegen und andere Künstler wie Radiohead, Nick Cave oder Taylor Swift öffentlich an den Pranger zu stellen, nur weil sie den Boykottaufrufen nicht gefolgt sind.
All das geht allerdings nur auf Kosten von Musikfans in Ländern mit radikalen Regierungen und hilft original niemandem. Ein hasserfüllter, kultureller Boykott gegen ein Land wird die demokratische Mitte weiter spalten und den Gaza-Krieg nicht beenden. Es ist reine Symbolpolitik für ein paar Likes.
Der PEN Berlin rief vor einiger Zeit in einem Statement dazu auf, Künstler, die solche Initativen unterstützen nicht ebenfalls mit Boykotten zu belegen, sondern im Austausch zu bleiben mit den Mitteln der Kunst. Das ist ein wesentlich sinnvollerer Weg als alles und jeden zu canceln und zu boykottieren, nur aufgrund seiner Herkunft. Jede Form kulturellen Boykotts ist ein Irrweg und bewirkt das Gegenteil von dem, was er erreichen will. Er spaltet, statt zu vereinen. Wir müssen miteinander im Gespräch bleiben, selbst wenn es aktuell schwer auszuhalten ist.