Zum Inhalt springen

Paul McCartney veröffentlicht stillen Track als Protest gegen KI

Mit einem knapp drei Minuten langen Stück aus Bandrauschen und Türgeklapper meldet sich Paul McCartney zurück und zwar bewusst ohne Musik. Der ehemalige Beatle beteiligt sich damit an einem ungewöhnlichen Protest gegen die Nutzung kreativer Werke durch Künstliche Intelligenz, der in Großbritannien an Schärfe gewinnt.

Gemeinsam mit mehr als 1.000 Künstlerinnen und Künstlern, darunter Kate Bush, Sam Fender, Hans Zimmer, die Pet Shop Boys und der Komponist Max Richter, warnt McCartney vor einem drohenden Umbruch in der Musikindustrie. Die Gruppe fordert die britische Regierung auf, keine Gesetzeslücken zu schaffen, die es Technologieunternehmen ermöglichen würden, ohne Erlaubnis oder Vergütung auf geschützte Werke zuzugreifen.

Protest auf Vinyl: Is This What We Want?

Im Zentrum des Protests steht das Album Is This What We Want?, das im Februar 2025 zunächst digital erschien und nun am 8. Dezember als Vinyl-Version veröffentlicht wird, ergänzt um eine exklusive B-Seite von McCartney. Sein Beitrag trägt den schlichten Titel (bonus track) und besteht aus 2 Minuten und 45 Sekunden nahezu vollständiger Stille. Zu hören sind lediglich Bandrauschen, leise Schritte und entferntes Klappern. Eine bewusste Reduktion, die den symbolischen Kern des Albums unterstreicht: Was bleibt von Musik, wenn die kreative Grundlage entzogen wird?

Das Album selbst ist eine stille Sammlung leerer Studios, verlassener Bühnenräume und unbewegter Mikrofone. Die Trackliste der Vinyl-Version setzt ein deutliches Statement: Jeder Titel repräsentiert einen Buchstaben in der Botschaft “The British government must not legalise music theft to benefit AI companies”. Es ist eine stille Anklage, getragen von den Stimmen vieler namhafter Musikerinnen und Musiker und doch wirkt sie gerade durch ihre Geräuschlosigkeit besonders laut.

Alle Anzeigen dauerhaft ausblenden

Ein stiller McCartney als politische Stimme

Paul McCartney, inzwischen 83 Jahre alt und derzeit auf Nordamerika-Tournee, äußerte sich in den vergangenen Monaten wiederholt kritisch zur Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Musikproduktion. In einem Interview warnte er davor, dass junge Komponistinnen und Songwriter durch unkontrollierte KI-Anwendungen ihre wirtschaftliche Grundlage verlieren könnten: „Wenn KI das zerstört, wäre das eine sehr traurige Entwicklung“, sagte McCartney. Bereits im Sommer 2023 hatte er für Aufmerksamkeit gesorgt, als er ein altes Demotape von John Lennon angeblich mithilfe von KI-Technologie restaurieren ließ, vermutlich nur ein Marketing-Gag, denn KI “restauriert” keine Musik, das machen Studiotechniker. Nun positioniert er sich klar gegen den unregulierten Einsatz der Technologie.

Sein nun veröffentlichter Track beginnt mit knapp einer Minute Bandrauschen, gefolgt von einem kurzen Abschnitt unbestimmbarer Geräusche, die möglicherweise aus einem sich öffnenden Türrahmen stammen, bevor sich das Klangbild erneut in dezentes Rauschen auflöst. Die stille Komposition sei, so McCartney, ebenso strukturiert wie ein klassischer Song – mit Anfang, Mitte und Ende – nur eben ohne Musik.

Widerstand gegen geplante Ausnahmeregelungen im Urheberrecht

Hintergrund des Protests ist eine geplante Gesetzesänderung der britischen Regierung, die unter dem Stichwort „Text and Data Mining“ diskutiert wird. Diese würde es KI-Unternehmen erlauben, urheberrechtlich geschützte Inhalte für Trainingszwecke zu nutzen, sofern Rechteinhaber nicht aktiv widersprechen. Kritiker sprechen von einer Umkehr der Schutzlogik: Nicht mehr der Zugriff müsste begründet, sondern der Schutz explizit eingefordert werden. Das wäre ein Paradigmenwechsel und vermutlich das Ende des Copyright wie wir es kannten.

Ed Newton-Rex, Mitorganisator der Protestaktion und selbst Komponist, warnt vor den Folgen: „Ich bin sehr besorgt, dass die britische Regierung die Interessen von US-Techfirmen über die der britischen Kreativen stellt.“ Auch Komponist Max Richter, bekannt für seine genreübergreifenden Werke zwischen Klassik und Ambient, findet klare Worte: „Die Vorschläge der Regierung würden die Kreativen wirtschaftlich schwächen und diejenigen bevorteilen, die Kreativität automatisieren wollen.“

Kate Bush, die sich selten öffentlich äußert, stellt die Frage: „Wird man unsere Stimmen in der Musik der Zukunft noch hören?“ Ihre Beteiligung verleiht der Kampagne zusätzliches Gewicht, ebenso wie die von Filmmusiker Hans Zimmer und der Synthpop-Veteranen Pet Shop Boys.

Zwischen Lobbydruck und wirtschaftlichem Kalkül

Die britische Regierung befindet sich in einer politischen Zwickmühle. Einerseits sind Kreativbranchen wie Musik, Film und Literatur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit einem jährlichen Beitrag von über 125 Milliarden Pfund. Andererseits üben große US-Technologieunternehmen wie OpenAI, Google, Anthropic und xAI mit Unterstützung der US-Regierung erheblichen Druck aus, um eine möglichst KI-freundliche Gesetzgebung durchzusetzen. Diese Firmen haben in den letzten Monaten Investitionen von über 30 Milliarden Pfund in britische Rechenzentren und Infrastruktur angekündigt. Experten sprechen bereits von einer Blase und einem Irrweg, denn die KI-Unternehmen verlieren derzeit extrem viel Geld und haben weiterhin kein nachhaltiges Geschäftsmodell vorgelegt. Es ist also enorm viel Druck auf dem Kessel, die Technologie gegen alle Widerstände durchzusetzen.

„Is This What We Want?“ als kulturelles Signal

Die Veröffentlichung der stillen Platte auf Vinyl ist mehr als ein PR-Stunt. Sie verweist auf eine tieferliegende Verunsicherung innerhalb der Musikszene, die sich zunehmend gegen die technologische Vereinnahmung ihrer Arbeit wehrt. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Fragen, sondern um die grundsätzliche Anerkennung kreativer Arbeit im digitalen Zeitalter.

Die deutsche GEMA, die Verwertungsgesellschaft der Songwriter, hat gerade ein Verfahren gegen OpenAI gewonnen, ChatGPT darf künftig keine Songtexte mehr anzeigen ohne diese zu lizenzieren. Und das ist Teil des Problems: sobald die KI-Anbieter Musik und Texte offiziell lizenzieren können, ist die Schleuse offen und wir werden überflutet mit Musik, die so klingt wie das Original und es gibt keine Handhabe mehr dagegen.

Alle Anzeigen dauerhaft ausblenden

Auch Universal Music kooperiert bereits mit KI-Unternehmen, um künftig KI-generierte Musik zu veröffentlichen. Das ist ein frontaler Angriff auf die Künstler, die diese Firma groß gemacht haben. Und das Ende der Musik?

Politische Kunst mit Langzeitwirkung?

Ob die Aktion in England tatsächlich politische Wirkung zeigt, bleibt offen. In Brüssel und Washington werden ähnliche Debatten geführt, auch in Deutschland gibt es bislang keine klare Linie zum Umgang mit KI und Urheberrecht. Vielfach scheint es erschreckend wenig Expertise in der Politik zu geben. Der Fall Großbritannien könnte daher als Präzedenzfall für den internationalen Umgang mit kreativen Werken im KI-Zeitalter werden.