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SchwuZ: Der größte queere Club Europas ist Geschichte – “Ein Armutszeugnis für den Berliner Senat”

Der Neuköllner Club SchwuZ galt seit Jahrzehnten als feste Größe in der queeren Kultur Berlins, er war der älteste LGBTQIA+-Club Deutschlands und einer der größten seiner Art in Europa. Am Wochenende feierte das Schwuz seine letzte Party.

Die wirtschaftlichen Probleme sind laut Schwuz-Geschäftsführerin Katja Jäger vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: In erfolgreichen Jahren wurde das Personal stark ausgebaut, häufig in Form von Minijobs. Das Schwuz bot als Homebase der Berliner Dragszene vielen queeren Menschen eine finanzielle Grundlage. Während der Corona-Zeit stiegen zudem die Löhne deutlich an. Diese höheren Kosten konnten zuletzt nicht mehr durch die sinkenden Einnahmen gedeckt werden. „Der Anstieg an Personalkosten korrespondierte überhaupt nicht mehr mit dem Gäst*innengeschehen“, so Jäger.

In einzelnen Monaten fehlten zwischen 30.000 und 60.000 Euro, obwohl der Club vor allem an Samstagen immer gut gefüllt war. Ein klarer Fall von Mismanagement in den letzten Jahren also, aber auch von fehlender Unterstützung durch den Berliner Senat, denn das Schwuz war auch ein wichtiges Aushängeschild für den Tourismus in der Hauptstadt.

„Die endgültige Schließung des SchwuZ ist ein schwerer Schlag für queeres Leben in unserer Stadt. Hier verschwindet nicht einfach ein Club, sondern ein Stück Berlin, das fast 50 Jahre lang für viele Communities ein Zuhause war, uns Schutz, Miteinander und Sichtbarkeit geboten hat. Im SchwuZ entstand queere Infrastruktur, wie der Buchladen “Prinz Eisenherz” oder das queere Stadtmagazin “Siegessäule”. Der erste Berliner CSD ging von dort aus. Diesen herben Verlust zu verstehen und zu verkraften wird uns sicherlich noch einige Zeit kosten. Und er ist kaum zu kompensieren.”
Klaus Lederer/Die Linke (ehemaliger Kultursenator)

Keine Rettung mehr in Sicht

Bereits im August hatte das Schwuz einen Insolvenzantrag gestellt, den Betrieb aber zunächst weitergeführt. Die Hoffnung war, durch Gespräche mit möglichen Investorinnen eine tragfähige Lösung zu finden. Diese ist nun offenbar gescheitert. In der Erklärung heißt es: „Nach monatelangen Hoffnungen, intensiven Gesprächen und einem umfassenden Prozess mit potentiellen Investorinnen hat sich keine Partei gefunden, die das SchwuZ im jetzigen Zustand übernehmen und weiterführen möchte, oder die nötigen Mittel aufbringen kann. Wir haben alles versucht, doch am Ende hat es nicht gereicht.“

Dass einer der ältesten queeren Clubs Europas nun schließen muss, ist ein Armutszeugnis für diesen Senat. Statt zu unterstützen hat Kai Wegner nur zugesehen. Wer queeres Leben und Clubkultur nur feiert, wenn Kameras laufen, hat nicht verstanden, dass queere Räume kein Beiwerk sind, sondern das Rückgrat einer freien und offenen Stadtgesellschaft.
Werner Graf/Die Grünen (Fraktionsvorsitzender im Berliner Senat)

Finanzielle und strukturelle Probleme seit Anfang 2024

Der aktuelle Niedergang des Schwuz ist keine plötzliche Entwicklung. Bereits Anfang 2024 zeichnete sich laut Geschäftsleitung ab, dass das Jahr mit einem erheblichen Defizit enden würde. Die interne Analyse offenbarte im Mai 2025 schließlich das gesamte Ausmaß der Krise: Monatlich fehlten bis zu 60.000 Euro, Umsätze gingen kontinuierlich zurück und strukturelle Schwächen im Management trugen zur Verschärfung der Lage bei.

Im Versuch gegenzusteuern wurden Ende Mai 33 Mitarbeitende entlassen, darunter auch viele langjährige Kräfte. Dieser Schritt sorgte für massive Kritik, wurde von der Clubleitung jedoch als alternativlos dargestellt, um eine sofortige Schließung zu verhindern. Parallel dazu reduzierte der Club seine Öffnungszeiten und startete eine Crowdfunding-Kampagne zur Finanzierung notwendiger Modernisierungen. Das gesetzte Ziel von 150.000 Euro blieb jedoch unerreicht, nur rund 3.000 Euro kamen zusammen. Und auch das ist ein Armutszeugnis für die Community. Offenbar war niemand bereit, Geld für einen der zentralen Orte des Berliner Nachtlebens einzutreiben, um ihn dauerhaft zu erhalten. Und es fanden sich auch keine Investoren, die bereit gewesen wären, den historisch so bedeutenden Club wieder auf sichere Beine zu stellen. Offenbar wurde das ganze Ausmaß der Krise unterschätzt und Rettungsmaßnahmen kamen zu spät.

Cheers Queers: Eine Ikone des Berliner Nachtlebens muss schließen.

Ein Stück queere Geschichte geht verloren

Das Schwuz war mehr als nur ein Club: Es war ein Treffpunkt für queere Menschen und kultureller Produktion in Berlin. Gegründet 1977 als „Schwulen-Zentrum“ in West-Berlin, war es maßgeblich an der Entstehung zentraler Strukturen der queeren Bewegung beteiligt. Ohne das Schwuz hätte es wohl weder den ersten Berliner CSD 1979 noch die Gründung der queeren Stadtzeitung Siegessäule gegeben.

Über die Jahrzehnte wandelte sich das Schwuz vom rein schwulen Treffpunkt zu einem inklusiven Raum für die gesamte LGBTQIA+-Community. Veranstaltungen wie Drag Shows, Diskussionen, Konzerte und Clubnächte prägten das Programm mit offenem Zugang für alle. Das Schwuz wurde auch während der AIDS-Pandemie in den 80ern ein zentraler Ort der Begegnung und Selbstorganisation. Zahlreiche Aktivisten und Drag Queens der damaligen Zeit starben jung und das Schwuz erinnerte auch immer wieder an sie, sei es durch Talkrunden, Fotos oder die Pepsi Boston Lounge in Erinnerung an eine der berühmtesten Travestie-Künstlerinnen Berlins.

2013 zog der Keller-Club vom Kreuzberger Mehringdamm in die ehemaligen Kindl-Brauerei im Rollbergviertel in Neukölln. Mit Platz für über 1.000 Gäste entstand dort einer der größten queeren Clubs Europas. Doch genau diese Größe wurde zuletzt zum Verhängnis: Die Betriebskosten waren hoch, die Umsätze reichten nicht mehr aus, um das Niveau zu halten, die Parties wurden austauschbarer, kommerzieller und touristischer, während ein Großteil der Szene das neue Schwuz mied und lieber in den Techno-Clubs der Hauptstadt feierte. Viele kommentieren auf Social Media, dass sie sich in Neukölln nicht sicher gefühlt hätten und deshalb auch nicht mehr ins Schwuz gekommen seien.

Wegfall eines sicheren Raums

Mit der Schließung des Schwuz verliert Berlin nicht nur eine der ältesten queeren Kulturinstitutionen des Landes, sondern auch einen langjährigen Safe Space, in dem sich Menschen aller Nationalitäten und Kulturen trafen und zu Pop und Disco-Klängen feierten. In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen und queerfeindlicher Übergriffe markiert dieses Ende einen empfindlichen Verlust für die Community. Die Rolle des Schwuz als Schutzraum, in dem queere Menschen ohne Angst feiern, sichtbar sein und sich vernetzen konnten, ist nicht einfach zu ersetzen.

Zugleich stellt die Insolvenz des Clubs Fragen an die politische und kulturelle Förderung queerer Orte. Zwar sind viele queere Initiativen in Berlin institutionell besser verankert als noch vor einigen Jahren, doch scheinen wirtschaftliche Risiken weiterhin auf wenige Schultern verteilt zu sein. Der Fall Schwuz zeigt, wie anfällig selbst etablierte Projekte sein können, selbst nach fast fünf Jahrzehnten Bestehen. Dass sich niemand fand, der dem Club mit neuem Konzept das Überleben sichern wollte, ist kaum zu fassen. Und auch der CDU-geführte Berliner Senat wirbt gerne mit dem diversen Nachtleben in der Hauptstadt als Anziehungspunkt für zahlreiche internationale Gäste, hat der Schließung des SchwuZ aber letztlich tatenlos zugesehen.

Letzter Akt einer Institution

Das Programm des SchwuZ war so vielfältig wie das Publikum: An Wochenenden und Feiertagen wechseln sich Pop-Nächte mit Drag-Shows, Karaoke, Talentwettbewerben und Konzerten ab. Die drei unterschiedlich gestalteten Bereiche – die große „Kathedrale“, die Salonbar und die gemütliche Pepsi Boston Bar bieten Raum für Clubnächte, Lesungen, Diskussionen und externe Events. Die Musik im Schwuz reicht von Chartspop über House und Techno bis hin zu klassischem Discosound, verteilt auf die drei Tanzflächen.

In der Vergangenheit gab es regelmäßig auch Konzerte, u.a. spielten Blondie, Morrissey oder Petula Clark dort live. Außerdem fanden regelmäßig auch Theater-Aufführungen, Drag-Shows und Musicals im Schwuz statt.

Mit der Schließung endet ein wichtiges Kapitel queerer Berliner Clubgeschichte und sie verstärkt den Eindruck, dass Berlin nicht mehr “arm aber sexy” ist, wie es der schwule Oberbürgermeister Klaus Wowereit einst sagte, sondern inzwischen nur noch arm.

Ob es eine Nachfolgeorganisation oder eine neue Initiative geben wird, ist bislang offen. Das Team hat jedoch deutlich gemacht, dass die Strukturen in ihrer aktuellen Form nicht tragfähig sind.

Die Abschiedsparty am 1. November war damit nicht nur ein letztes Fest, sondern auch ein symbolischer Moment des Loslassens und der kollektiven Erinnerung. Wie viele Menschen in Berlin und weit darüber hinaus mit dem Schwuz verbunden waren, zeigt sich in zahlreichen Reaktionen in sozialen Medien: Von persönlichen Erinnerungen bis hin zu politischen Appellen, queere Räume besser zu schützen.


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