Mit seinem herausragenden Dokumentarfilm „Riefenstahl“ blickt Regisseur Andres Veiel auf eine der umstrittensten Figuren der deutschen Filmgeschichte: Leni Riefenstahl.
Die cineastische Ikone des Dritten Reichs steht wie kaum eine andere für die ästhetische Inszenierung totalitärer Ideologie, für Bilder von Kraft, Ordnung und Überlegenheit, aber auch für ein jahrzehntelanges Schweigen über die Rolle ihrer Kunst im Nationalsozialismus.
Veiel nutzt zum ersten Mal Materialien aus dem bislang verschlossenen Nachlass der 2003 im Alter von 102 Jahren verstorbenen Regisseurin und zeichnet damit ein neues, differenzierteres Porträt.
700 Kisten Nachlass: Eine Annäherung an das Private
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Für die Recherche sichtete das Team um Andres Veiel und Produzentin Sandra Maischberger über 700 Kisten aus Riefenstahls Privatarchiv: Briefe, Tonbandaufnahmen, private Filmaufnahmen und Fotografien. Das Material, das jahrzehntelang unter Verschluss war, gewährt erstmals Einblick in die Innenwelt einer Künstlerin, die sich nach 1945 konsequent als unpolitisch darzustellen versuchte und damit eine öffentliche Auseinandersetzung mit ihrer Rolle im NS-System weitgehend vermied.
Die Dokumente zeichnen jedoch ein anderes Bild. In privaten Briefen trauert Riefenstahl „gemordeten Idealen“ nach, in Tonbandmitschnitten ist von einer „ordnenden Hand“ die Rede, die „mit dem Scheißstaat“ aufräumen müsse, Äußerungen, die sich nicht mehr als bloße Unwissenheit oder politische Naivität abtun lassen.
Veiels Dokumentation geht damit über ein biografisches Porträt hinaus. Der Film macht sichtbar, wie sehr die Ästhetik von Riefenstahls Bildern – etwa in „Triumph des Willens“ oder „Olympia“ – bis heute fortwirkt, wie sie zum kulturellen Erbe wurde, das noch immer Einfluss auf Bildsprache, Werbung und Popkultur hat.
Zwischen Kult und Kritik: Die Deutungshoheit über Riefenstahls Werk
Leni Riefenstahl bleibt ein widersprüchlicher Mythos: gefeiert als visionäre Regisseurin, stilbildend in ihrer Bildsprache, zugleich kompromisslos in ihrer Leugnung von Schuld und Mitwirkung am NS-Regime.
Nach dem Krieg gelang es ihr lange, die Deutungshoheit über ihre Biografie zu behaupten. Die These von der „reinen Künstlerin“, die nur aus ästhetischem Interesse filmte und mit der Politik nichts zu tun haben wollte, wurde von Teilen der Öffentlichkeit übernommen und über Jahrzehnte kaum infrage gestellt.
Andres Veiels Film hinterfragt genau dieses Narrativ. Er stellt die Frage nach der Verantwortung von Kunst und Künstlern in totalitären Systemen und verknüpft Riefenstahls Geschichte mit der heutigen Debatte über Bildmanipulation, Propaganda und die politische Wirkung ästhetischer Inszenierung.
Produzentin Sandra Maischberger formuliert das so: „Riefenstahls hundertjährige Lebens- und Wirkungsgeschichte ist ein Schlüssel zum Verständnis der Mechanismen von Manipulation, wie sie uns gerade wieder begegnen.“
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Der Film zeigt eine beklemmende Aktualität
Seit seiner Premiere im Herbst 2024 auf dem Filmfestival von Venedig hat „Riefenstahl“ international für Aufsehen gesorgt. Gezeigt auf über 40 Festivals weltweit, wurde der Film mehrfach ausgezeichnet: unter anderem mit dem Gilde-Filmpreis als „Bester Dokumentarfilm“, dem Gold Award des Spotlight Documentary Awards und dem Premio CINEMA & ARTS Award in Venedig.
Auch die Nominierung für den Deutschen Filmpreis unterstreicht die Bedeutung des Films im aktuellen dokumentarischen Kino. „Riefenstahl“ ist mehr als ein biografischer Rückblick, sondern ein politisches Statement und ein Versuch, die Vergangenheit mit den politischen Entwicklungen von heute in ein produktives Spannungsverhältnis zu setzen.
Riefenstahl heute: Bildsprache in Zeiten neuer Autoritarismen
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Die zentrale Frage des Films bleibt brisant: Warum wirken Riefenstahls Bilder bis heute?
Ob in Sportwerbung, Musikvideos oder politischen Kampagnen – die ästhetischen Codes, die sie mitprägte, finden sich bis heute in ganz unterschiedlichen Kontexten wieder. Die Überhöhung von Disziplin, Kraft, Ordnung, Schönheit – visuelle Botschaften, die sich leicht instrumentalisieren lassen.
In diesem Zusammenhang erscheint Riefenstahl nicht nur als Figur der Vergangenheit, sondern als Mahnung an die Gegenwart: Wie bewusst gehen Gesellschaften mit ihren Bildwelten um? Welche Ideale werden vermittelt, welche Machtverhältnisse damit zementiert?
Zu sehen in der ARD Mediathek
„Riefenstahl“ ist eine Produktion von Vincent Productions unter der Leitung von Sandra Maischberger, in Koproduktion mit WDR, SWR, NDR, BR und rbb.
Ab dem 22. November 2025 ist der Film in der ARD Mediathek verfügbar.