Mit The Life of a Showgirl veröffentlicht Taylor Swift ihr zwölftes Studioalbum – nur wenige Monate nach dem Ende ihrer rekordverdächtigen Eras Tour. Trotz immenser Erwartungen bleibt das Album überraschend leise und unspektaktulär.
Statt radiotauglicher Pop-Hymnen gibt es sanften Softrock, Alltagsbeobachtungen und ein paar provokante Seitenhiebe. Und auf Seite des Hörers ungläubiges Staunen: und das ist nun der erfolgreichste Popstar der Welt? Auf Life Of a Showgirl weist nichts darauf hin: keine eingängigen Refrains, keine Instant Hits, nichts, was man nicht genau so (und besser) schon tausendmal zuvor gehört hätte.
Dabei war schon die Ankündigung war ein mediales Spektakel: Kein Trailer, kein TV-Auftritt, sondern ein Überraschungs-Statement im Football-Podcast ihres Verlobten Travis Kelce (New Heights), das im Netz für Milliarden-Impressionen sorgte.
Swift weiß, wie man Geschichten verkauft. Die Story hinter The Life of a Showgirl: eine Pop-Ikone zwischen Glamour und Alltagsflucht, zwischen Stadiongröße und Innenansicht.
Wer auf eine Rückkehr zum bombastischen Sound von 1989 oder Reputation gehofft hatte, wird enttäuscht. Produziert wurde das Album von Max Martin und Shellback – dem schwedischen Duo, mit dem Swift in den 2010er-Jahren einige ihrer größten Hits schrieb. Doch statt glitzerndem Pop liefert Showgirl vor allem weichen Softrock mit leichten Disco-Einsprengseln, akustischen Gitarren, orchestralen Elementen und zurückhaltenden Synths.
Das wirkt zunächst wie ein kalkulierter Rückzug. Im Gegensatz zum überlangen The Tortured Poets Department (2024), das sich mit Deluxe-Versionen auf über zwei Stunden streckte, kommt Showgirl mit nur 12 Tracks in 40 Minuten fast kompakt daher. Dabei fehlt es allerdings an Dynamik: Viele Songs plätschern angenehm, aber blass und unaufällig vor sich hin. Die große Melodie, die bleibt, sucht man fast vergeblich, stattdessen viel von Taylor Swifts Stakkato-Gesang, der sich so gut von den Kids im Stadion mitbrüllen lässt.
Trotz der gedämpften Stimmung des Albums lassen sich einzelne Momente herausgreifen. „Elizabeth Taylor“ bringt mit seinem eingängigen Refrain zumindest einen klassischen Swift-Ohrwurm. „Wi$h Li$t“ überrascht mit verschachtelten Akkordfolgen und untypischen Tonartwechseln. Und „Ruin the Friendship“, ein Song über das späte Bedauern einer verpassten Teenagerliebe, zeigt Swift von ihrer verletzlichen, authentischen Seite.
Auch „Actually Romantic“ beginnt stark, gerät aber ins Stolpern, wenn der zentrale Akkordwechsel allzu deutlich an die Pixies erinnert – genau genommen an Where Is My Mind?. Solche Reminiszenzen sind nicht zwingend ein Problem, doch in einem Album, das insgesamt wenig eigene Akzente setzt, fallen sie besonders ins Gewicht.
Swift ist bekannt dafür, persönliche Erlebnisse kunstvoll in Songtexte zu übersetzen. Doch auf The Life of a Showgirlgeraten viele dieser Beobachtungen überraschend grobschlächtig.
Actually Romantic etwa ist eine kaum verhüllte Retourkutsche auf Charli XCX und deren Diss-Track Sympathy Is a Knife. Der Titel Cancelled! rollt erneut die lange abgehandelte Kim-Kanye-Kontroverse auf. Und „Father Figure“ rechnet mit Ex-Labelchef Scott Borchetta ab. Zwar schießt Swift pointiert („you made a deal with this devil / turns out my dick’s bigger“), doch inhaltlich tritt sie auf der Stelle. Vieles wirkt wie Wiederholung, teils wie Selbstparodie.
Natürlich darf Swift sich verändern, neu erfinden, zur Ruhe kommen. Aber The Life of a Showgirl wirkt wie ein Album zwischen zwei Zuständen: zu müde für den großen Pop-Entwurf, zu zahm für das Rebellische, zu selbstreferenziell für universelle Aussagen.
Vielleicht liegt das an der enormen Taktung, die Swift sich selbst auferlegt. Kaum ein anderer Act ihrer Größe veröffentlicht derart regelmäßig neue Musik, bedient parallel Touren, Filme, Dokus und Re-Releases. Showgirl klingt nicht nach künstlerischem Drang, sondern eher nach dem Pflichtprogramm einer Überfigur, die längst alles erreicht hat – und nun damit ringt, was davon überhaupt noch Relevanz besitzt.
Bleibt die Frage: Was kommt danach? Ein Rückzug? Ein Neuanfang? Oder die Ära der Verwaltung des eigenen Ruhms?
Das sagen die Kritiken über “The Life of a Showgirl”
The Independent (80):
Ein eingängiges und gehaltvolles, aber unaufgeregtes Album – es überträgt die intime Songwriter-Qualität ihrer „Folklore“-/„Evermore“-Phase mit mehr Klarheit und Wucht.
AllMusic (70):
Es gibt etwas von dieser vertrauten Produktionsmagie in den sofort zündenden Disco-Pop-Hooks von „Wood“ oder dem klassischen Swift-Melodieverständnis in „Opalite“, aber nichts reicht an die makellose Direktheit von „Bad Blood“ oder die Unwiderstehlichkeit von „We Are Never Getting Back Together“ heran.
Sputnikmusic (70):
Vermutlich ist es ihr ansteckendstes, energiegeladenstes und unterhaltsamstes Werk seit Jahren, was dem Album kurzfristig viele Streams einbringen wird – aber wie lange es wirklich Bestand hat, bleibt fraglich.
Consequence (67):
„The Life of a Showgirl“ verspricht Verletzlichkeit und liefert sie stellenweise auch. Aber Swift kann sich nicht ganz darauf einlassen. Sie ist zu berühmt, zu erfolgreich, zu sehr Taylor Swift, um entweder in der Figur zu verschwinden oder uns ihre dunklen Gedanken wirklich hören zu lassen.
Paste Magazine (63):
Es wäre falsch, „The Life of a Showgirl“ als völligen Flop darzustellen. So etwas gibt es im Universum Taylor Swift schlicht nicht.
musicOMH (60):
„The Life Of A Showgirl“ ist kein wirklich schlechtes Album, aber angesichts von Swifts riesigem Backkatalog klingt vieles danach, als sei sie auf Autopilot unterwegs und bräuchte eine Pause.
DIY Magazine (60):
Vielleicht macht sie gerade mehr denn je Musik für sich selbst – nicht für andere.
NME (60):
Die Wehmut und Melancholie, die ihre letzten vier Alben durchzogen, sind verschwunden – und dennoch klingt „The Life of a Showgirl“ überraschend kraftlos.
Clash Music (60):
„The Life Of A Showgirl“ hat seine Momente, doch es fehlt die Stringenz früherer Werke.
Unabhängig von der teilweise hämischen Kritik auf Social Media schlägt das Album alle Rekorde. Mit 3,5 Millionen verkauften „equivalent album units“ innerhalb von fünf Tagen stellt sie laut Billboard einen neuen Rekord in der modernen Chart-Geschichte auf. Allein 1,2 Millionen Vinyl-Exemplare wurden abgesetzt, begünstigt durch limitierte Sondereditionen und gezielte Fanvermarktung über ihren eigenen Online-Shop.
Taylor Swift Biografie
Taylor Swift ist eine der erfolgreichsten Musikerinnen unserer Zeit. Seit ihrem Debütalbum 2006 hat sie sich von einer Country-Sängerin zur globalen Pop-Ikone entwickelt. Hier ein chronologischer Überblick über ihre Karriere anhand ihrer Studioalben.
„Taylor Swift“ (2006)
Taylor Alison Swift wird am 13. Dezember 1989 in Reading, Pennsylvania, geboren und wächst in Wyomissing auf. Schon als Kind begeistert sie sich für Musik, besonders für Country. Mit 14 zieht sie mit ihrer Familie nach Nashville, um eine Musikkarriere zu verfolgen. Sie unterschreibt einen Vertrag mit Big Machine Records und veröffentlicht 2006 ihr selbstbetiteltes Debütalbum.
Das Album wird ein Überraschungserfolg. Songs wie „Tim McGraw“, „Teardrops on My Guitar“ und „Our Song“ machen sie zum Teenie-Star der Country-Szene. Mit ihrem jungenhaften Charme und Songwriting-Talent gewinnt sie zahlreiche Fans – und erste Auszeichnungen.
„Fearless“ (2008)
Mit „Fearless“ katapultiert sich Taylor Swift an die Spitze der US-Charts. Die Singles „Love Story“ und „You Belong with Me“ werden weltweite Hits. Das Album verkauft sich millionenfach und gewinnt 2010 den Grammy für das „Album des Jahres“.
Doch 2009 sorgt ein anderer Moment für Schlagzeilen: Bei den MTV Video Music Awards unterbricht Kanye West ihre Dankesrede und behauptet, Beyoncé hätte den Preis verdient. Der Vorfall wird ein popkulturelles Ereignis und verfolgt Swift über Jahre hinweg.
„Speak Now“ (2010)
Für „Speak Now“ schreibt Swift alle Songs allein – ein Statement ihrer künstlerischen Eigenständigkeit. Mit Tracks wie „Mine“, „Back to December“ und „The Story of Us“ verfeinert sie ihren Stil. Das Album wird ein kommerzieller Erfolg und zeigt ihre Fähigkeit, autobiografische Geschichten in eingängige Melodien zu verpacken.
„Red“ (2012) – Die Pop-Wende beginnt
Mit „Red“ öffnet sich Taylor Swift dem Pop. Songs wie „We Are Never Ever Getting Back Together“ und „I Knew You Were Trouble“ enthalten elektronische Elemente. Das Album zeigt ihre Vielseitigkeit und macht sie endgültig zu einem internationalen Superstar.
Der Song „All Too Well“, eine ergreifende Ballade über eine gescheiterte Beziehung, wird unter Fans zu einem Kult-Hit – Jahre später wird er in einer zehnminütigen Version neu veröffentlicht.
„1989“ (2014)
Mit „1989“ verabschiedet sich Swift endgültig vom Country und taucht in den Synthpop ein. Hits wie „Shake It Off“, „Blank Space“ und „Style“ dominieren die Charts. Das Album wird mit drei Grammys ausgezeichnet, darunter erneut als „Album des Jahres“.
Das Video von “Shake” It Off hat inzwischen unglaubliche 3,5 Milliarden Views auf Youtube.
Ihr Image wandelt sich: Vom netten Country-Mädchen zur selbstbewussten Pop-Ikone mit einer „Squad“ aus prominenten Freundinnen. Doch nicht jeder ist begeistert – Kanye West und Kim Kardashian werfen ihr vor, in die Opferrolle zu schlüpfen. Ein öffentlicher Konflikt beginnt.
„Reputation“ (2017)
Nach einer Social-Media-Pause meldet sich Swift mit „Reputation“ zurück – einem düsteren, elektronischen Album, das mit ihrem Image als Medienfigur spielt. Der Song „Look What You Made Me Do“ nimmt Bezug auf die Kanye-Kontroverse.
Trotz des provokanten Tons enthält das Album auch emotionale Momente wie „Delicate“ und „New Year’s Day“. Die dazugehörige Welttournee wird zur umsatzstärksten US-Tour des Jahres.
„Lover“ (2019)
Nach dem düsteren „Reputation“-Zyklus bringt Swift mit „Lover“ wieder mehr Leichtigkeit in ihre Musik. Songs wie „ME!“ und „You Need to Calm Down“ setzen auf positive Botschaften. Auch politisch bezieht sie erstmals öffentlich Stellung, indem sie LGBTQ+-Rechte unterstützt.
„Folklore“ & „Evermore“ (2020)
Während der Corona-Pandemie überrascht Swift mit zwei introspektiven Alben in Zusammenarbeit mit Indie-Künstlern wie Bryce Dessner (The National), Jack Antonoff und Justin Vernon (Bon Iver): „Folklore“ und „Evermore“. Mit minimalistischen Arrangements und melancholischen Storytelling-Songs wie „Cardigan“ oder „Willow“ erfindet sie sich erneut neu. „Folklore“ gewinnt erneut den Grammy für das „Album des Jahres“, obwohl es keine klassischen Pop-Hits enthält.
„Midnights“ (2022)
Mit „Midnights“ kehrt Swift zum Pop zurück, diesmal mit einem sanften, elektronischen Sound. Die Single „Anti-Hero“ wird ihr bislang größter Streaming-Hit. Das Album bricht mehrere Rekorde und zeigt, dass Swift auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ist.
Parallel beginnt sie, ihre alten Alben als „Taylor’s Version“ neu aufzunehmen, um die Rechte an ihrer Musik zurückzuerlangen.
„The Tortured Poets Department“ (2024)
Mit „The Tortured Poets Department“, erschienen am 19. April 2024, liefert Taylor Swift ein weiteres Kapitel ihrer musikalischen Evolution. Das Album bewegt sich zwischen melancholischem Storytelling und elektronischem Pop, mit düsteren, introspektiven Texten über Herzschmerz, Ruhm und Selbstreflexion.
Musikalisch knüpft es an die Atmosphäre von „Midnights“ an, integriert aber auch Indie- und Alternative-Einflüsse. Die Singles „Fortnight“ (feat. Post Malone) und „The Albatross“ zeigen Swifts Fähigkeit, persönliche Geschichten in eingängige Melodien zu verwandeln. Fans und Kritiker feiern besonders die emotionalen Texte und das atmosphärische Sounddesign.
Mit diesem Album beweist Swift erneut ihre Vielseitigkeit und ihren ungebrochenen Erfolg – „The Tortured Poets Department“ bricht Streaming-Rekorde und dominiert weltweit die Charts. Die Welttournee bricht erneut alle Rekorde.
Im US-Wahlkampf 2024 spricht sich Taylor Swift überraschend für die demokratische Kandidatin Kamala Harris aus, konnte das Schicksal ihres Landes trotz ihrer enormen Fanbase allerdings nicht mehr ändern.
