JULES AHOI veröffentlicht heute sein neues Album ‘MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)’, das im Weltkulturerbe Bauhaus Dessau entstand und durch dessen interdisziplinären Ansatz inspiriert wurde, und geht damit ab Oktober auf Deutschland-Tour.
JULES AHOI nimmt uns mit auf eine Reise. Aber dieses Mal geht es nicht ans Meer. Im Februar 2023 wohnt der Singer-/Songwriter und Designer im Rahmen einer Künstlerresidenz im Weltkulturerbe Bauhaus Dessau. Für einen Monat lebt und kreiert er allein im alten Meisterhaus des Malers, Typografen und Bühnenbildners Lázló Moholy-Nagy. Das Haus ist eines von vier Professoren-Häusern, die auf dem Gelände der heutigen Stiftung nebeneinander stehen.
Die Texte für das neue Album, das am 09. September erscheinen wird, schreibt Jules in seiner Zeit in Dessau ausschließlich auf einer alten Schreibmaschine. Diese findet er auf einem Sperrmüllhaufen, als er unterwegs zum Bauhaus mit seinem Van in einem kleinen Ort in Brandenburg einen Zwischenstopp einlegt. Am Ende der Residenz steht nicht nur der Anfang für sein neues Album ‘MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)’, sondern auch eine interdisziplinäre Ausstellung, in der er neben seiner Musik, auch die gesammelten Fragmente und Fehlversuche präsentiert, die letztlich erst zu einem fertigen Werk führen. Dieses Zusammenspiel verschiedener kreativer Ausdrucksformen bildet das Genre, das ‘MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)’ vielleicht am Besten beschreibt – Artfolk.
Neue Wege hat Jules Ahoi aka Julian Braun nie gescheut. Er ist ein Suchender und gibt sich ungern mit dem Status Quo zufrieden, wie er DIFFUS im Video-Portrait verriet. Im Jahr 2024 findet der Musiker zurück zu seinen kreativen DIY-Wurzeln und zu einem neuen künstlerischen Selbstbewusstsein. Als wir mit ihm sprechen, bereitet er sich nicht nur auf die Veröffentlichung seiner neuen Singles sowie des kommenden Albums und die gleichnamige Tour im Herbst vor, sondern auch auf sein Druckgrafik-Examen und sein angehendes Grafikdesign-Studium.
Hier das vollständige Album anhören: https://julesahoimusic.lnk.to/MAGNOLIA
Das Konzept-Album ‘MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)’ besteht im Grunde aus drei Abschnitten, die durch ‘Interlude_01’ und ‘Interlude_02’ – gespickt mit Aufnahmen verschiedener Geräusche auf dem Bauhaus-Gelände – markiert werden.
ABSCHNITT 1: ‘Ålesund’, ‘Icarus’, ‘Magnolia’, ‘Parallel Sky’
Bei einer Reise durch Norwegen begann Jules, den Opener-Track ‘Ålesund’ zu schreiben, und packte dabei all seine Sehnsucht nach einem unerreichten Ort hinein: “Man könnte vermuten, ich sei schon mal in Ålesund gewesen und würde deshalb etwas damit verbinden. – War ich aber nicht”, stellt der 34-Jährige klar. “Ich war in Norwegen und wir wollten auch nach Ålesund, aber das ist so unfassbar weit im Norden, dass wir am Ende gar nicht mehr dort hingefahren sind.”
Beim Hören beschwört ‘Ålesund’ das innere Bild eines Ortes im hohen Norden herauf, getaucht in ein fortwährendes gleißendes Licht, überbelichtet, glühend und zugleich verblasst – eine Welt, wie in Pastellfarben gemalt. Die Sonne steht nie ganz unter dem Zenit und begleitet die beiden Reisenden auf ihrem Weg ins Ungewisse. ‘Ålesund’ beschreibt die Sehnsucht nach etwas, das man eigentlich gar nicht kennt. Das Stück erzählt von der Erwartung einer Nacht, die einfach nicht eintritt. Somit umschreibt der Track auch einen Schwebezustand, einen Moment der Unsicherheit. – Wird hier nur die Sehnsucht nach einem Ort beschrieben, oder doch auch die nach einem anderen Menschen, nach einem Kennenlernen, einer neuen Verbindung?
Die poetischen, reduziert-treffsicheren Lyrics trägt Jules mit seinem weichen Bariton, dem für ihn typischen, nicht klar definierbaren Akzent und einer gewissen Wehmut vor. Auch auf musikalischer Ebene ist die Sehnsucht, die die Entstehung von ‘Ålesund’ prägte, deutlich hörbar. Der Song wird durch gedämpfte, langsame Percussions eingeleitet, zu denen sich erst die Melodie der Akustikgitarre, dann Jules’ Gesang hinzugesellen. Im Refrain ist die äußerst harmonische Kombination der Stimmen von Jules Ahoi und Cellistin Muriel Bonn zu vernehmen. Mit dem Refrain setzen außerdem Streichinstrumente (Cello, Geige) sowie eine dezente Bassline ein. Als im letzten Drittel die Vocals verstimmen, nimmt die gesamte Instrumentierung, insbesondere Bass und Schlagzeug, unerwarteterweise in nahezu orchestraler Form noch mal Fahrt auf, um schließlich mit dem widerhallenden Bass auszufaden.
Der zweite Track, ‘Icarus’, entstand aus der Überlegung, die wohl bekannteste Vater-Sohn-Beziehung der Mythologie aufzugreifen und aus der Perspektive des Vaters Dädalus zu erzählen. “Dieser Song ist ganz typisch für Gedanken, die mir kommen, wenn ich alleine bin”, erzählt Jules. “Mein Papa ist leider vor ein paar Jahren verstorben und da sind viele Dinge mit ihm gestorben, die nicht gesagt wurden. Und die Möglichkeit, noch etwas zu klären oder nochmal zu besprechen, ist nicht mehr da. Alles, was noch hätte gesprochen werden sollen oder können, muss ich jetzt mit mir selbst ausmachen.”
Ausgerüstet mit dieser schmerzhaften Erkenntnis, nimmt der Musiker in ‘Icarus’ die Position des Vaters ein, der versucht, seinem übermütigen Sohn Ratschläge mit auf seine Reise zu geben. Das Kind befolgt diese aber nicht und stürzt als Konsequenz seines jugendlichen Leichtsinns und seiner Selbstüberschätzung ab. Eine Horrorvorstellung für viele Eltern. Doch manchmal scheint dieses Schicksal unausweichlich. ‘Icarus’ beschäftigt sich auch mit den sinnbildlichen Gegensätzlichkeiten des Ikarus-Dädalus-Mythos: dem höchsten Gefühl von Freiheit und der unvoreingenommenen Leichtigkeit des Seins, die Ikarus bei seinem Flug Richtung Sonne erlebt, auf der einen und dem tiefsten und endgültigen Fall auf der anderen Seite. Der Song setzt sich mit dem komplizierten Verhältnis zwischen den Generationen auseinander, die immer wieder aufs neue heranwachsen und ihren eigenen Weg gehen möchten. Er handelt vom Moment kurz vor dem Unglück: Der Vater gibt seinem Sohn einen Rat, den der Sohn aber nicht hören möchte, weil er jung ist, seine eigenen Erfahrungen machen und sich die Hörner abstoßen muss. Eine tragische Coming-of-Age-Erzählung aus Elternsicht, bebildert durch ein illustriertes Musikvideo der Kölner Künstlerin Julia Jesionek.
Der Melancholic-Indie-Folk-Song ‘Magnolia’, Titeltrack des Albums, wirkt wie ein poetischer Brief, gerichtet an eine unbestimmte Person, in einer vielleicht gar nicht allzu fernen Zukunft:
by the time this finds you
magnolia lost its leaves
and i will probably be gone to
somewhere
somewhere in between
Im Zentrum von ‘Magnolia’ steht, wie in den meisten seiner Songs, der Bariton des Sängers, aber auch die akustische Gitarre ist hier als Tempo-Geberin sehr präsent. Begleitet wird dies sehr stimmig von beinahe gespenstisch anmutenden schwebenden Synthie-Klangflächen sowie von Cello und Geige, abwechselnd in Form von Pizzikatos und gestrichenen Melodien.
Der Song behandelt auf melancholische Weise die stark begrenzte Blütezeit der Magnolie und zieht Rückschlüsse auf das kurze, aber intensive Aufblühen der klassischen Moderne in Deutschland. In ihm thematisiert der deutsche Singer-Songwriter aber auch eine Umwelt, die immer lebensfeindlicher wird, und (zwischen den Zeilen) eine Menschheit, die dies nicht zu kümmern scheint. Mit ‘Magnolia’ stellt Jules fest: Der Mensch braucht die Erde, die Erde aber nicht unbedingt den Menschen. Ein Abhängigkeitsverhältnis, das von vielen Menschen gern verdrängt oder geleugnet wird. Bebildert wird der Song mit wunderschönen Visuals des Kölner 3D & Motion Designers Den Hoelscher.
‘Magnolia’ wurde nicht nur allgemein, sondern ganz spezifisch von der kurzlebigen, gleichwohl fesselnden Schönheit des blühenden Magnolienbaums im Garten des Bauhaus-Museums inspiriert, wie der Musiker erzählt: “Der Titelsong hat etwas mit Abschied zu tun; aber auch mit Wiedersehen. Dieser Baum und seine Blüte waren das perfekte Sinnbild dafür. ‚Magnolia‘ war der letzte Song, den ich am Ende der Künstlerresidenz geschrieben habe und als ich aus Dessau herausfuhr, kam ich am blühenden Magnolienbaum vorbei; das war wie ein Schlussstein. Da war für mich klar, dass dieses Projekt ein vollständiges Album ist und dass es ‘Magnolia’ heißen muss.”
Neben dem Magnolienbaum nennt der 34-jährige Künstler auch “Die Schönheit des Scheiterns” als Inspirationsquellen für ‘Magnolia’. Letztlich ein tröstlicher Gedanke, denn wie schon der deutsche Lyriker und Autor Hermann Hesse in einem seiner wohl meist zitierten Gedichte festhielt: Alles hat seine Zeit und jedes Ende ist zugleich ein Neubeginn – und diesem wohnt bekanntermaßen “ein Zauber inne”. Bei derartigen Assoziationen wundert es wohl nicht, dass vom Album insbesondere dieser Track an ein musikalisches Gedicht oder – durch die spielerische Gesangsmelodie – auch an ein modernes und zugleich zeitloses Schlaflied erinnert.
‘Parallel Sky’ beendet den ersten Abschnitt des Albums und ist eine Art perspektivisches Gegenstück zu dem darauf folgenden Titel ‘Old Master’s House’. Beide Songs beschäftigen sich mit der Wahrnehmung des Musikers vom alten Meisterhaus während seiner Künstlerresidenz am Bauhaus Dessau – einmal außerhalb und einmal im Inneren des Gebäudes. “Ich habe in den beiden Songs die sehr subjektiven Eindrücke und Erlebnisse, die ich in diesem Haus hatte, niedergeschrieben”, erzählt Jules über den Entstehungsprozess von ‘Parallel Sky’ und ‘Old Master’s House’.
“Wenn das Wetter gut war, saß ich oft allein auf der Terrasse vor dem Haus. Dort schaut man auf einen Wald, alles ist zugewuchert und oben in den Bäumen saßen viele Dohlen und Tauben”, beschreibt er weiter den Moment, der ihn zu ‘Parallel Sky’ inspirierte. “Ich habe mir das alles angeschaut, es auf mich wirken lassen und mir irgendwann die Frage gestellt: Bin ich es eigentlich, der hier schaut, oder schaut die Welt mich an? Das war eine krasse Erfahrung.”
Dieses Erlebnis – zu dem Ahoi schmunzelnd einräumt: “Das ist jetzt totaler Hippie-Shit, aber…” – beschreibt letztlich ein ur-menschliches Sich-Wundern und Staunen gegenüber dem schlichten Zauber einer “natürlichen” belebten Welt, die auch unabhängig vom Menschen existiert, von der wir als biologische Lebewesen aber selbst immer ein Teil sind. In der heutigen aufgeklärten Menschenwelt, in der theoretisch alles logisch erklärbar ist und in der es eigentlich keine Wunder und Fragezeichen mehr gibt, sind solche Momente der Vergegenwärtigung des eigenen Nichtwissens und von anderem Leben eher selten. Auch inspiriert durch die künstlerische und geistige Strömung des Surrealismus, beschreibt der Song eine Parallelität verschiedener Perspektiven – menschlicher und nicht-menschlicher Lebenswelten. Es ist ein Versuch, sich in etwas anderes als einen anderen Menschen hineinzuversetzen und die durch die Umwelt empfangenen Zeichen in menschliche Formen zu “übersetzen”.
ABSCHNITT 2: ‘Old Master’s House’, ‘ALLNOTHINGEVERYTHING’
Inspiriert von Fernweh und Sehnsucht, einem verblassenden Sommer und den Zeichen der Zeit, setzt sich der Track mit Raum und Leere auseinander, und damit, wie die Vergangenheit nachwirkt und Einfluss auf das Hier und Jetzt nimmt. ‘Old Master’s House’ ist ein melancholischer Altpop-Song, der einen in den Arm nimmt und beruhigend hin und her wiegt, während er die Geschichte dieses temporären Zuhauses erzählt, das die Natur hineinlässt, statt sie auszusperren. Das Meisterhaus hinterließ einen nachhaltigen Eindruck auf Jules – und es wird philosophisch: “Ich habe dort darüber nachgedacht: Was bleibt eigentlich, wenn die Menschen, die diese Monumente erbauen, nicht mehr existieren? All die Dinge, die überall herum stehen – Denkmäler, Bauwerke… Am Ende zählt doch nur, wie viel Zwischenmenschlichkeit und Liebe du in die Welt gebracht hast. Und dafür braucht es keinen Beton.”
Spätestens wenn die leicht verzerrten Klänge eines Kinderklaviers einsetzen, – das Jules, wie auch die Schreibmaschine, vor seinem Aufenthalt im Bauhaus zufällig auf dem Sperrmüll fand – holt die schmerzhaft-schöne Nostalgie dieses Tracks mindestens jeden ab, der ein solches Instrument in seiner Kindheit mal spielen durfte. Untermalt wird die Stimmung von den tiefen Klängen des Cellos und den sanften Percussions, die den wiegenden Rhythmus von ‘Old Master’s House’ vorgeben. Die reduzierte und mit Absicht “unperfekte” Instrumentierung geht mit den Stimmen von Jules und Cellistin Muriel Bonn eine Verbindung ein, die man wieder und wieder hören möchte.
“Eigentlich muss man mal dort gewesen sein, um die Schattenspiele zu sehen. Die Kiefern, die vor den großen Fenstern stehen, werfen wahnsinnige Schatten im ganzen Gebäude. Dadurch ist das Innenleben des Hauses in ständigem Wandel”, berichtet Jules Ahoi seine Eindrücke des Meisterhauses von Lázló Moholy-Nagy, dem sein Song ‘Old Master’s House’ gewidmet ist. “Die Häuser sind gleichzeitig auch Museen und die Besucher:innen, die sich das Bauhaus anschauen, spazieren oft durch die Gärten der Meisterhäuser. Das heißt, es schaut ständig jemand durchs Fenster und sagt: ‘Ah, guck mal, da sitzt einer und macht was.’ Man hört ein konstantes Tuscheln um dieses Haus herum – und das in Verbindung mit den Vögeln in den Bäumen und wie der Wind durch die Pinien geht… Man ist Teil des Ganzen und Eindringling gleichermaßen – beinahe wie ein Ausstellungsgegenstand.”
‘ALLNOTHINGEVERYTHING’ ist Jules Ahois persönlicher Lieblingssong des Albums, weshalb er den Titel innerhalb des Albums bewusst in Großbuchstaben hervorgehoben hat. Mit diesem Track beginnt für ihn die Bauhaus-Residenz: “Ich habe ursprünglich die Idee gehabt, mich mit den Gedichten der Bauhaus-Meister zu beschäftigen. Neben bildender Kunst und Gestaltung haben sie nämlich auch ganz viel geschrieben. Viel Dadaistisches, aber auch Gedichte”, lässt Jules uns wissen. Als ein Mitarbeiter des Bauhaus’ ihm auf Nachfrage ein Büchlein mit der Poesie der damaligen Professoren gibt, entdeckt er darin das Gedicht ‘Licht-Visionen’ von Lázló Moholy-Nagy, das zur Grundlage für ‘ALLNOTHINGEVERYTHING’ wird.
“So wie Moholy-Nagy in dem Gedicht das Licht beschreibt, das den Tag bestimmt, dachte ich sofort, dass er es in einem dieser Gebäude geschrieben haben muss”, erläutert der Musiker seine Gedanken während des Schreibprozesses. “Und dieses Allumfassende – Sonne, Schatten und die Materie dazwischen – dass all das letztlich aus demselben Sternenstaub besteht… Ich glaube, das ist es, was er damit sagen wollte: Das wir alle eins sind. Aus meiner Interpretation des Gedichts habe ich dann diesen Song gemacht. Und ich liebe ihn. Gerade, weil er so minimalistisch ist. Manchmal braucht es nicht mehr.”
In ‘ALLNOTHINGEVERYTHING’ kehren die gespenstischen Synthie-Klangflächen aus ‘Magnolia’ zurück und unterstreichen diesmal geradezu perfekt die Lyrics des Tracks:
all you hear is a hollow sound
darkness gifts us nothingness
time and space twisted around
matter balanced on the void that is
Der Song ist eine überarbeitete Version des Live-Mitschnitts vom Abschlusskonzert, das Jules Ahoi am Ende seiner Residenz bei der Ausstellung im Bauhaus gemeinsam mit Cellistin Muriel spielte, die auch auf diesem Stück wieder mitsingt. Die Originalspur aus dem Bauhaus ergänzte Jules bei sich zuhause um weitere Stimmen und Tonspuren. “Dieser Song ist so verrückt, weil er eigentlich gar keinen richtigen Takt hat”, stellt das künstlerische Multitalent fest. “Er schwimmt total im Tempo, beginnt mit vielen Gitarrenspuren, die übereinander laufen. Und dieses ganze Chaos ordnet sich dann plötzlich und wird zu Licht – oder eben zu einer Melodie, zu einem Song.” ‘ALLNOTHINGEVERYTHING’ hält so auch auf auditiver Ebene fest, was im Gedicht von Moholy-Nagy und im Songtext beschrieben wird.
ABSCHNITT 3: ‘Revolution™’, ‘Runningfrom’
‘Revolution™’ wurde als einziger Song vom Album vor der Bauhaus-Residenz geschrieben und bereits 2023 als Single veröffentlicht. Er gibt den Auftakt zu einem anderen, weniger folk-, dafür mehr beat-lastigen und experimentellen Sound – den Sound des letzten Album-Abschnitts und vielleicht auch eines neuen musikalischen Kapitels von Jules Ahoi. “Die letzten beiden Songs sind sehr gesellschaftskritisch. Sie geben auch ein bisschen die Richtung für das nächste Album vor, an dem ich übrigens schon schreibe”, gibt Ahoi einen Ausblick. “Wahrscheinlich habe ich sie deshalb ganz ans Ende des Albums gepackt.”
‘Revolution™’ (™ = Trademark) beschreibt laut seinem Schöpfer eine dystopische Welt, in der alles nur noch über privatisierte, kommerzialisierte Firmen geregelt wird. Mit den gesprochenen, wie aus der Ferne hörbaren Textpassagen, erinnert der Song daher sicher nicht ohne Grund an George Orwells Roman-Klassiker ‘1984’:
“(Revolution)™ – the future’s bright”
must be true, written on public commercial signs
join the company, but pay the price
‘cause you know: nothing’s free in life
“Ich habe den Song geschrieben, als ChatGPT gerade veröffentlicht wurde und habe ihn teilweise auch mit Hilfe dieser ‘Künstlichen Intelligenz’ geschrieben; was erschreckend gut funktioniert hat”, gibt der Musiker einen Einblick in den Schaffensprozess. In ‘Revolution™’ spinnt er die heutige Situation weiter: Wohin führt es, wenn Musik in Zukunft vielleicht nur noch so komponiert, und wenn der Musik- und allgemein der Kreativbranche durch diese Technologien immer mehr das Wasser abgegraben wird? Die Frage ist, wollen wir das wirklich? Und kann es gut sein, wenn nichts mehr durch Menschen kreiert wird? Diese ethischen Fragen stellt Ahoi mit ‘Revolution™’.
Der letzte Song auf dem Album, ‘Runningfrom’, handelt von einer Beziehung, die nicht so richtig starten oder nicht so richtig zu Ende gehen will. Beide Sichtweisen sind möglich. Wie der Titel schon sagt, geht es darum, konstant vor etwas weg zu laufen. Zugleich findet sich auch hier ein gesellschaftskritischer Ansatz: Der Text thematisiert, wie heute vieles nur noch über technische Geräte und die Sozialen Medien geregelt wird – und nicht mehr von Angesicht zu Angesicht. Untermalt wird dies durch spielerische Details wie das bekannte Klickgeräusch beim Bildschirm-Sperren des Smartphones.
Das Demo fürs Instrumental stammt, wie ‘Revolution™’, aus einer Zeit vor der Bauhaus-Residenz: “Das war die erste Version vom Song ‘Oh, Agnes’, den ich auf meinem Album ‘DEAR_____’ (2020) veröffentlicht habe, und der sich mit Geschlechterrollen, Sexualität und Rollenbildern beschäftigt. Inspiriert wurde er davon, dass ich mich als Kind gerne ‘als Frau verkleidet’ und damals schon gemerkt habe, dass das bei meiner Familie nicht so gut ankam – und ich habe mich gefragt, warum und was dabei eigentlich das Scheißproblem ist”, berichtet Jules Ahoi.
“Grenzen, besonders in der Kunst, sind dafür gemacht, verwischt zu werden”, erklärt der kreative Kopf seine künstlerische Herangehensweise. „Erst ab diesem Zeitpunkt fängt es für mich an, spannend zu werden. Meine Zeit im Bauhaus hat mir bewusst gemacht, dass ich mein Kunst-Interesse nicht ‘aufteilen’ muss. Ganz im Gegenteil: Ich erfahre aktuell höchste Genugtuung dabei, jegliche Form des Ausdrucks ineinander fließen zu lassen.”
Ganz im Sinne der Bauhausschen Schule ist Jules ein interdisziplinärer Künstler – Musiker, Lyriker, Maler/Zeichner, Grafiker –, der stets die unmittelbare Umgebung sowie Zufallsfunde in seinen Schaffensprozess mit einbezieht. Das neu um ihn formierte Quintett besteht mit Muriel Bonn (Cello, Bass), Ornella Tobar-Gaete (Geige, Keys, E-Gitarre), Johannes Rüther (Drums) und Joris van Treeck (Bass, E-Gitarre) passenderweise aus Multiinstrumentalist:innen.
Nach zwei erfolgreichen Tourneen und zahlreichen Festivalauftritten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, kehrt der Jules Ahoi mit seiner neu formierten Band im Herbst 2024 endlich zurück auf die Bühne, um bei der gleichnamigen Tour sein vielfältiges neues Album ‘MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)’ zu präsentieren.
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Neue Wege hat Jules Ahoi aka Julian Braun noch nie gescheut. Er ist ein Suchender und gibt sich ungern mit dem Status Quo zufrieden, wie er DIFFUS im Video-Portrait verriet. Aber im Jahr 2024 findet der 34-jährige Musiker zurück zu seinen kreativen DIY-Wurzeln und zu einem neuen künstlerischen Selbstbewusstsein. Als wir mit ihm sprechen, bereitet er sich gerade nicht nur auf die Veröffentlichung seiner neuen Singles sowie des kommenden Albums “MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)” und die gleichnamige Tour im Herbst vor, sondern auch auf sein Druckgrafik-Examen und sein angehendes Grafikdesign-Studium.
Wie zu Beginn seiner Musikkarriere, mit der damaligen Band Manua Loa (übersetzt: “etwas großes Handgemachtes”), ist bei diesem Album wieder alles aus einem Guss und komplett selbstgemacht. Seitdem probierte er so ziemlich alles aus, was bei der Herangehensweise an die Musikproduktion möglich ist: “Mit anderen Künstler:innen produzieren und schreiben, in großen Studios, die Gestaltung auch mal weggeben“, erzählt der Wahlkölner. “Die Entwicklung der letzten Jahre ging eher Richtung: größer, besser, produzierter, polierter – ich hab mich irgendwie verloren gefühlt. Es ist schon irre, wenn du Songs raus bringst, die du eigentlich ohne einen Haufen Technik und Backingtracks nicht mehr einfach so spielen kannst. Letztendlich habe ich aber gemerkt, dass es das gar nicht unbedingt braucht und ich alle Bestandteile eines Albums eigentlich auch sehr gerne selber mache, auch wenn es dann vielleicht drei Mal so lange dauert. Aber dadurch sind die Alben dann auch viel intimere und persönlichere Projekte.”
Seine verschiedenen musikalischen Stationen sieht Jules Ahoi wie Zeitkapseln: “Meine Alben sind auch immer ein Lebensabschnitt. Ich mache das in erster Linie für mich als eine Art Tagebuch – aber vielleicht ist das auch irgendwann mal schön für meine Kinder – die können sich dann die Platten aus dem Regal ziehen und sagen: ‘Das sind zwei Jahre des Lebens meines Vaters.’ Das wär doch toll oder?”
So heißt es nun ganz bewusst: Zurück zu den Wurzeln – und zugleich beginnt damit ein ganz neues Kapitel für den Musiker und Künstler, den vielleicht einige noch als “Surf-Musiker” und „Van Life-Pionier“ im Kopf haben könnten, der aber sehr viel mehr als das ist. Die Grundlage für sein neues Werk – der Titel lässt es erahnen – bildete eine Künstlerresidenz im Weltkulturerbe Bauhaus, der renommierten Designschule in Dessau. Das im Spätsommer 2024 erscheinende Album ist nicht rein musikalischer Natur, sondern Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit Musik, Lyrik, Gestaltung und bildender Kunst.
Die Zeit in Dessau nahm einen tiefgreifenden Einfluss auf Jules Ahois musikalisches Schaffen und eröffnete ihm, inspiriert durch die Ansätze und Umgebung des Bauhaus’, neue Perspektiven auf seine eigene künstlerische Ausdrucksweise. Das neue Album „MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)“ als Resultat dieses Prozesses, steht für mehr als nur musikalische Kreativität: Es ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Kunstformen, das sich über Grenzen hinwegsetzt und ein neues, formübergreifendes und interdisziplinäres Genre hervorbringt – Artfolk.
„Grenzen, gerade in der Kunst, sind gemacht dafür, verwischt zu werden”, erklärt der kreative Kopf seine Herangehensweise. „Erst ab diesem Zeitpunkt fängt es für mich an, interessant und spannend zu werden. Meine Zeit im Bauhaus hat mir bewusst gemacht, dass ich mein Kunst-Interesse nicht „aufteilen“ muss. Ganz im Gegenteil, ich erfahre aktuell höchste Genugtuung, jegliche Form des Ausdrucks ineinander fließen zu lassen.“
Das neue Album „MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)“ von Jules Ahoi erscheint am 06. September 2024 via Embassy of Music.
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