Zum Inhalt springen

Austro Pop Special: Heißer Scheiß aus Österreich

Mehr als nur „Skifoan“ und S.T.S.: Österreich hat viele unterschiedliche musikalische Acts zu bieten. Hier kommt ein Best-Of!

Seit Ende der 1960er nennt man Popmusik aus Österreich Austropop, egal wie sehr sich die jeweilig darunter subsummierten Acts unterscheiden. Nach der Dialektwelle der 1970er Jahre mit Musikern wie Wolfgang Ambros, Georg Danzer oder Ludwig Hirsch wurde es in den 1980ern bald englischsprachig – auch wenn Superstars wie Falco einfach mal die Sprachen mixte. Die 1990er brachten neue Genres wie Hip-Hop oder Electronica in den Austropop und ab 2010 gibt es eine neue Welle mit Bands wie Wanda, Bilderbuch & Co.

Die Klassiker

Naked Lunch

Mal nicht Wien, sondern Klagenfurt: Von dort kommt nämlich die Alternative-Band Naked Lunch, die mit ihrem Indie-Electronica-Sound eine Seelenverwandtschaft  zur deutschen Band The Notwist pflegt und uns bereits seit 1991 mit ihrer melancholischer Melange erfreut.

Video: Naked Lunch – Military of the Heart

Kruder & Dorfmeister

Das österreichische DJ- und Produzenten-Duo besteht aus den Wiener Musikern Peter Kruder und Richard Dorfmeister, das 1993 den Trip-Hop in den Austropop brachte. Mit Nu Jazz, Drum & Bass sowie Breakbeat-Elementen schufen Kruder & Dorfmeister einen einzigartigen Sound und veröffentlichten etliche Remixe für Stars wie Madonna, Depeche Mode oder Lamb.

Video: Kruder & Dorfmeister – Sofa Rockers

Kreisky

Die angeblich übellaunigste Band Österreichs macht seit 2005 Musik zwischen Noise, Post-Punk und Rock: Kreisky-Sänger Franz Adrian Wenzl schreit seine Frontman-Qualitäten geradezu heraus, die Texte dazu sind von Wahnwitz und Wortwitz geprägt. Vielen dürfte Wenzl eher als Austrofred bekannt sein, einer Kunstfigur, die in absurd-anbetungswürdiger Freddy-Mercury-Optik Queen-Lieder auf österreichisch darbietet: So wird bei ihm aus „Another One Bites The Dust“ eben „Eich Dodln gib i Gas“.

Video: Kreisky – Vandalen

Die Aushängeschilder

Bilderbuch

Wären Kanye West und Beyonce eine Person und sängen auf Deutsch, käme wahrscheinlich Bilderbuch dabei heraus. So sexy hat in dieser Sprache selten jemand performt. Der Glam-Funk-Pop-Rock ist hierzulande konkurrenzlos. Gegründet im wenig glamourösen Kremsmünster in Oberösterreich, hat Bilderbuch dem guten alten Austropop eine extreme und glitzernde Frischekur verpasst: Mit einer Mischung aus Artpop, Contemporary R&B und Indie feierten die Musiker 2013 mit der Single „Maschin“ ihren Durchbruch.

Video: Bilderbuch – Maschin

Wanda

Sie singen mit Wiener Dialekt über Liebe. Über die schönen Zeiten, über die schweren Zeiten, und alles andere dazwischen. Ja sogar über gewollt körperlich-sexuelle Geschwisterliebe. Gerade rechtzeitig bevor man gewillt ist, sie in die irgendwas-wie-Schlager-Schublade abzulegen, kommt ein Gitarrensoli, das dich von den Socken haut. Am Debütalbum „Amore“ kam keiner vorbei und die Hymne „Bologna“ ist auf dem sicheren Weg zum österreichischen Kulturerbe.

Video: Wanda – Bologna

Ja, Panik

Libertatia! Freiheit! Der Name des aktuellen Albums spricht für die Herangehensweise der Band. Sie nehmen sich ihre Freiheiten, machen was und wie sie es wollen und denken dabei nicht zurück. Aus dem Burgenland kommend, mittlerweile jedoch Wahlberliner: Ja, Panik machen Musik wie ein politisches Manifest und ähneln dabei ein wenig Tocotronic oder Blumfeld. Der Sound ist spielerisch und funky, so dass sie ein wenig wie die österreichischen Style Council klingen. Seit 2006 sitzt Sebastian Janata am Schlagzeug, der 2020 mit „Die Ambassadorin“ ein furioses Romandebüt hinlegte.

Video: Ja, Panik – Au revoir

Mavi Phoenix

2020 hat sich Mavi Phoenix als trans männlich geoutet und verwendet seitdem das Pronomen „er“. Der Sänger und Rapper aus Linz hat mit einer Mischung aus Hip-Hop, Pop und Elektro einen ordentlichen Buzz in ganz Europa erzeugt. Auf Singles und EPs erschuf der Österreicher eine Soundkulisse, die sich irgendwo zwischen Travis Scott, Left Boy und Kanye West einordnen lässt. Am Ende bleibt seine Musik allerdings einzigartig.

Video: Mavi Phoenix – Boys Toys

Soap&Skin

Anja Franziska Plaschg alias Soap&Skin ist Musikerin, Sängerin, Komponistin, Produzentin und Schauspielerin. 2009 erschien ihr Debüt-Album, ihre hochgelobte Musik ist von Björk, Aphex Twin oder Nico geprägt, aber auch von klassischen Komponisten wie Sergej Rachmaninow oder Arvo Pärt. Weit über Österreichs Grenzen hinaus bekannt und mit einer Musik erfolgreich, die so intim und persönlich ist, dass man sie eigentlich nur im stillen Kämmerlein zu hören wagt ist Soap&Skin aber auch kommerziell erfolgreich – ungewöhnlich und urgut.

Video: Soap&Skin – Me And The Devil

Die Lokalhelden

Worried Man & Worried Boy

Der Vater: Eine Instanz der österreichischen Musikszene. Herbert Janata war Frontmann der Worried Men Skiffle Group in den 60er Jahren. Der Sohn: Teil der Kritikerlieblinge von Ja, Panik. Sebastian Janata rollt die Szene mit seinem Vater von hinten auf. Sie interpretieren die alten Klassiker, erarbeiten Neues, und sind damit wichtiger Bestandteil der Szene.

Video: Worried Man & Worried Boy – Grezn


Der Nino aus Wien

Wienerisch ist wohl fürs Schimpfen erfunden worden und Das wusste wohl auch der damals erst 21 Jahre alte Nino Mandl alias Der Nino aus Wien, als er seine Ex mit dem Neuen beim Chinesen hinter der Bar erwischt hat. „I wü ned in Häfen gehen, oba I brich erm es Gnack„, heißt es in seinem wunderbaren Song „Du Oasch“. Österreichischen Songwriterkunst, die der Nino immer weiter verfeinert hat und als seine Einflüsse BeatlesSyd Barrett oder Ramones, aber auch die Wienerlied-Interpreten André Heller, Helmut Qualtinger sowie Wolfgang Ambros nennt.

Video: Der Nino aus Wien – Du Oasch

Mile Me Deaf

Wolfgang Möstl ist ein Tausendsassa und seit … mal kurz rechnen … ach, schon ewig Teil der Ösi-Szene. Killed by 9V und Sex Jams sind nur zwei seiner unzähligen Projekte. Seit mehr als 10 Jahren existiert auch Mile Me Deaf bereits. Als Spielplatz für seine Lo-Fi Experimente gegründet balanciert Möstl stilvoll zwischen experimentellem Sound á lá Ariel Pink und Rock-Attitude. Noise-Lo-Fi-Psychedelic-Krautrock, dynamisch, energetisch und verflucht ansteckend.

Video: Mile Me Deaf – Shiver

Voodoo Jürgens

Österreichs Chanson-Star Udo Jürgens hat nicht nur den Wiener Rapper Jugo Ürdens, sondern auch den Liedermacher Voodoo Jürgens zu seinem Namen inspiriert. Seine Songs im Wiener Dialekt führen eine schwarzhumorige morbide Tradition fort und praktische Erfahrungen hat er auch, denn er arbeitete unter anderem als Friedhofsgärtner.

Video: Voodoo Jürgens – Heite grob ma Tote aus

Die Geheimtipps

DAWA

Gitarre, Percussion, Cello und zwei Stimmen. Gute Musik kann so einfach sein. Einfache Musik kann so gut sein. Dawa sind Understatement, sind Pathos und Gefühl. Dabei klingen sie ziemlich international. Ihre Platte „Psithurisma“ unterstreicht das eindrucksvoll und macht deutlich, dass es mal wieder Zeit ist, sich auf das Wesentliche in der Musik zu besinnen. Lyrische Tiefe, Geschichten erzählen die berühren, schnörkellos, ohne Umschweife oder Ausflüchte.

Video: DAWA – On The Run

Crystal Soda Cream

We’re like crystal… Glasklar, „Crystal“ ist ein beliebter Namensbestandteil von Bands geworden und nach CRYSTAL CASTELS, CRYSTAL STILTS und CRYSTAL FIGHTERS gibt es nun auch noch die charmanten Wiener von CRYSTAL SODA CREAM. Auf ihrem Debüt „Escape from Vienna“serviert das Trio eine anregende Melange aus Postpunk, Coldwave und Shoegaze. Sie selbst beschreiben ihren Stil als „Morrissey minus Ego“ gekreuzt mit „Robert Smith minus Selbstmitleid“ und liefern so gleich ihre eigene Psychoanalyse mit – ein Thema das Wiener offenbar nicht bleiben lassen können. Beim Song „Freud und Jung“ zollen sie dann auch zwei Ikonen dieser Wissenschaft Tribut, auf „Sweet Doom“ hört man unterbewusst die frühen The Cure tänzeln und die Hassliebe wohl aller Wiener zu ihrer Stadt wird in der Postpunk-Hymne „Escape from Vienna“ zelebriert.

Video: Crystal Soda Cream – Escape From Vienna

M185

Seit 2005 tingeln die erst vier, jetzt fünf Wiener dürch die kleinen Clubs Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Auf den Gigs schellten ihnen millionenfach Lobhuldigungen absolut begeisterter Anhänger entgegen. Sie spielten sich den Arsch ab, erst mit einem Richtung Post-Rock tendierenden Mix. 2012 dann auch das erste öffentliche Aushängeschild. Sie gewinnen einen FM4 Award, aber auch danach bleiben sie auf der Stufe des Geheimtipps. Hype-resistent bleiben sie sich ihrem 90er Jahre Indie-Rock treu und scharen eine riesige Fangemeinde um sich. Mit ihrem „Soon“-Video letztes Jahr haben es dann auch die hiesigen Indiesender mitbekommen, was für überragende Mucke das Quintett abliefert. Noisey und FluxFM werden aufmerksam. Vielleicht ja jetzt auch endlich mal alle anderen! 

Video: M185 – Soon

Gin Ga

Gin Ga klingen viel mehr nach London und großer weiter Welt als nach Wien. Bereits seit 12 Jahren machen sie zusammen Popmusik und wissen, wie man schmissige Refrains und tolle Videos produziert, trotzdem lässt der große Durchbruch bislang noch auf sich warten. An ihrer Musik liegt das definitiv nicht.

Video: Gin Ga – Dancer

Die Newcomer

Inner Tongue

Ein neuer Stern am Ösi-Himmel! Geheimnisvoll, elektronisch und wahnsinnig talentiert! Leichtfüßig spaziert Inner Tongue innerhalb der europäischen Electronica-Szene als hätte er nie was anderes gemacht. Es verbinden sich lässige James Blake’sche Beats mit einer spielerischen-warmen Harmonie und einer fragilen Stimme. Die Popwelt darf noch viel erwarten. Vielleicht kommt dann auch ans Licht, wer dieser talentierte Mensch überhaupt ist. Ja, Geheimniskrämerei ist selbst in Zeiten des Internets noch möglich. Diese Musik aber wird den meisten bald kein Geheimnis mehr sein.

Video: Inner Tongue – Fallen Empire

HVOB

Nach ihren ersten beiden Alben auf dem Berliner Label Stil vor Talent, gelingt dem Wiener Elektronik-Duo „Her Voice Over Boys“ – kurz HVOB – mit „Silk“ der ganz große inernationale Wurf. The xx können sich schon mal warm anziehen.

Video: HVOB – Deus

Leyya

Weil das Beste bekanntlich immer am Schluss kommt, entlassen wir euch aus diesem Artikel mit einem Duo, das ihr besser heute als morgen kennen und lieben solltet. Sie waren einfach da. Die „Drowning In Youth“ EP sorgte für ein mittelschweres Erdbeben in den Indie- und Collegecharts. Selbst bei iTunes enterten sie die TOP 30. Seit 22. Mai ist das Debütalbum „Spanish Disco“ draußen. Beim Versuch den Stil der Band einzugrenzen ist Scheitern vorprogrammiert. Strukturen und gängige Songmuster werden einfach über Bord geworfen, stattdessen spielen Leyya mit Genres. Pop, Rock, Electronica, alles aufgebrochen und wieder neu zusammengesetzt. Diese Mischung macht sie im Moment einzigartig und verflucht gut!

Video: Leyya – Superego

Teil II: Heißer Scheiß aus der Schweiz